Hamburg. Experten erwarten auch in der zweiten Jahreshälfte Börsen-Turbulenzen. Das sind die Verlierer und Gewinner im Norden.

Viele Anleger werden sich angesichts der jüngsten Entwicklung an der Börse kaum noch daran erinnern: Zu Anfang des Jahres notierte der Deutsche Aktienindex (DAX) kurzzeitig deutlich oberhalb der Marke von 16.000 Punkten. Seit Ende Juni aber bewegt er sich fast durchgängig unterhalb von 13.000 Zählern. Titeln in Hamburg geht es nicht sehr viel besser. So hat der HASPAX, der Index für Werte aus der Metropolregion, seit dem Jahreswechsel um 15,7 Prozent nachgegeben, während der Leitindex DAX sogar um 18,8 Prozent im Minus liegt.

Wie geht es an der Börse voraussichtlich weiter? Gibt es lohnende Alternativen zu den Aktien? Und welche Auswirkungen hat die Unsicherheit über die Gaslieferungen aus Russland auf ein energiehungriges Unternehmen wie die Hamburger Kupferhütte Aurubis? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Vermögen Hamburg: Sind festverzinsliche Papiere wieder Alternative zu Aktien?

„Durch die in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Zinsen hat sich das Blatt gewendet – jetzt kann sich kein Vermögensverwalter mehr leisten, ohne Anleihen zu agieren“, sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Haspa: „Das Alleinstellungsmerkmal der Aktien ist Geschichte.“ Zwar werde die Realverzinsung – also die Rendite abzüglich der Inflationsrate – der festverzinslichen Papiere wegen der aktuell hohen Preissteigerungen noch eine Weile negativ bleiben.

Aber bei der Haspa veranschlagt man die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen zum Jahresende 2022 auf immerhin 3,5 Prozent, während Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit dann voraussichtlich mit 1,75 Prozent rentieren. Verglichen mit der langfristigen Inflationserwartung am Markt – erwartet wird eine Teuerungsrate von nur noch zwei Prozent in fünf Jahren – erscheint das nicht mehr gar so unattraktiv.

Welche Hamburger Titel sind besonders gut gelaufen und welche sehr schlecht?

Ein Sondereffekt hat die Titel des Einkaufscenter-Investors Deutsche Euroshop hochgetrieben: Ursache für den Kursanstieg um fast 54 Prozent im bisherigen Jahresverlauf ist vor allem das erfolgreiche Übernahmeangebot der Otto-Familie gemeinsam mit dem Finanzinvestor Oaktree. Der Wind- und Solarparkinvestor Encavis (plus 34 Prozent) hingegen profitierte von günstigem Wetter, gestiegenen Strompreisen und dem Wiederaufstieg in den MDAX.

Mit einem Minus von fast 63 Prozent steht der zur Otto-Gruppe gehörende Online-Modehändler About You an der Spitze der HASPAX-Verlierer. Experten sehen dies als Normalisierung nach der Pandemie-Phase, die die Onlinehändler beflügelt hatte. Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich (minus 48 Prozent) hat zwar ein dickes Auftragspolster, leidet aber unter Lieferkettenproblemen und Materialverteuerungen.

Warum bricht die Aktie des Hamburger Immobilienkonzerns TAG so ein?

Auch gestern verlor die Aktie fast sechs Prozent und notiert jetzt deutlich unter zehn Euro. Seit dem Jahreswechsel hat die Aktie des einstigen Börsenlieblings mehr als 60 Prozent verloren. Verunsichert werden die Anleger durch eine Kapitalerhöhung über 200 Millionen Euro.

Mit dem Geld soll die Übernahme des polnischen Wohnungsentwicklers Robyg finanziert werden. Zudem stehen Immobilienwerte wegen der steigenden Zinsen unter Druck, da sie die Refinanzierung verteuern und auf die Bewertung des Immobilienbestands drücken.

Drückt der drohende Gas-Stopp den Kurs von Aurubis?

Allein in den vergangenen vier Wochen ist der Kurs der Hamburger Kupferhütte Aurubis um ein Drittel eingebrochen. Das dürfte auch mit dem drohenden Lieferstopp von russischem Erdgas nach Deutschland zusammenhängen – Aurubis hatte eingeräumt, dass Gas für die Produktion im Hamburger Werk kurzfristig nur schwer durch andere Energieträger ersetzbar sei. „Es sind sicherlich zwei Faktoren, die den Kurs von Aurubis belasten“, sagt Stefan Augustin vom Analysehaus Warburg Research.

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Die Unsicherheit über die Gas-Versorgungssicherheit spiele eine Rolle, ebenso aber die Zinsentwicklung und die damit zusammenhängende Rezessionsangst. „Bei Stahlherstellern wie ThyssenKrupp und Salzgitter sieht die Kursentwicklung ähnlich aus wie bei Aurubis, aber auch bei Rohstoff-Förderern wie Anglo American oder Rio Tinto, weil solche Unternehmen in einem Wirtschaftsabschwung unter sinkenden Absätzen leiden würden“, so Augustin.

Wie wird sich der Aktienmarkt in der zweiten Jahreshälfte entwickeln?

Die Anleger müssen sich auch in der zweiten Jahreshälfte auf viele Unsicherheiten einstellen. „Aktuell überwiegen die Risiken am Aktienmarkt eindeutig die Chancen“, sagt Sven Streibel von der DZ Bank, dem Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken. „Wir erwarten daher kurzfristig weiteres Abwärtspotenzial am breiten überregionalen Aktienmarkt.“ Der DAX könnte bis auf 12.500 Punkte fallen, so die aktuelle Prognose.

Konkurrenz bekommen die Aktien vor allem durch Anleihen, deren Rendite tendenziell steigt. Außerdem erwartet der Experte, dass Unternehmen in der anstehenden Berichtssaison über die Geschäftsergebnisse des ersten Halbjahres aufgrund der steigenden Rezessionssorgen ihre Gewinnerwartungen nach unten anpassen. Auch eine weitere drastische Verschlechterung ist möglich, wenn sich zeigt, dass die Gaslieferungen aus Russland nach planmäßigen Wartungsarbeiten von Nord Stream 1 nicht wieder aufgenommen werden sollten.

Soll ich meinen Fondssparplan deshalb jetzt stoppen?

Eine solche langfristige Anlage mit monatlichen Sparbeiträgen von 50 oder 150 Euro monatlich wird in schwierigen Börsenzeiten anders beurteilt als ein einmaliges Investment. „Denn die Anlagedauer sollte bei solchen Sparplänen eher bei zehn als bei fünf Jahren liegen“, sagt Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg. In diesen Zeiträumen müsse immer mit auch schlechten Börsenphasen gerechnet werden. „Doch von einem Stopp des Sparplans raten wir in der Regel ab.“

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Wer regelmäßig einen festen Betrag investiert, profitiert bei stark schwankenden Kursen vom sogenannten Durchschnittskosteneffekt. Bei fallenden Kursen werden mehr Anteile und bei steigenden Kursen weniger Anteile erworben. So kann sich ein günstigerer Durchschnittspreis als bei einer Einmalanlage ergeben.

Vermögen Hamburg: Lohnt es jetzt, in Gold zu investieren?

Zwar ist Gold von seinem Preishoch von 2050 Dollar im Februar 2022 jetzt wieder weit entfernt. Doch Euro-Anleger in Gold können auf Jahressicht eine Rendite von 12,5 Prozent verbuchen, während das Edelmetall in Dollar seit Juli vergangenen Jahres rund 3,5 Prozent an Wert verloren hat. „Wir erleben eine stabile Nachfrage auf hohem Niveau“, sagt Stefan Rose, Leiter des Edelmetallhandels bei der Haspa.

Die Käufer sorgten sich vor allem um die hohe Inflation und nutzen das Edelmetall als Absicherung. Angesichts der geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken hatten viele Anleger aber auf einen noch höheren Goldkurs gehofft. „Die Preisfindung bei Gold findet weniger am physischen Markt statt, sondern an den Spot- und Futuresmärkten in London und New York“, sagt Robert Hartmann vom Edelmetallhändler Pro Aurum. Und an diesen Märkten wurde Gold in den letzten Wochen eher verkauft.

Zunächst sollte abgewartet werden, ob sich der Goldkurs oberhalb von 1750 Dollar stabilisieren kann, sonst droht zunächst weiteres Abwärtspotenzial. Langfristig bleibt das Edelmetall aber eine wichtige Anlage zur Beimischung des Depots. Experte Hartmann: „Solange Zinsen unter der Inflationsrate bleiben, wird Gold attraktiv bleiben.“