Hamburg. Der Betrieb auf der Elbinsel Kaltehofe war zahlungsunfähig. Doch einige Reeder sorgten für eine wundersame Rettung.

Das Leben schreibt Geschichten, die man nicht erfinden kann. Die Rettung des traditionsreichen Hamburger Bootsbaubetriebs Lütje Yachts gehört dazu. Das Unternehmen war kaputt, zahlungsunfähig- und wurde in Windeseile gerettet, weil die Kunden es so wollten. Wer sich davon überzeugen will, muss rauf auf die Elbinsel Kaltehofe in Rothenburgsort.

Gleich hinter dem Sperrwerk geht es rund: In einer Werfthalle wird das gebrochene Ruderblatt eines Kabinenkreuzers repariert, ein anderer erhält eine neue Lackierung. In der Werfthalle nebenan wird ein 1912 in Schweden gebautes zwölf Meter langes Schärenboot wieder fit gemacht. Überall werden Boote für den Sommerbetrieb vorbereitet. Mittendrin steht Geschäftsführer Fritz Schröder: „Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt“, sagt er. Das war nicht immer so.

Hamburger Reeder retten Lütje Bootsbau vor der Pleite

1956 von Günther Lütje als Einmannbetrieb zum Bau von Motorbooten ins Leben gerufen, hatte sich die kleine Werft an der Billwerder Bucht schnell als Hersteller exklusiver Sportboote einen Namen gemacht – zunächst mit Motorbooten im Design alter Elbbarkassen, mit stark motorisierten sogenannten Lobster-Booten im Neuengland-Stil, später auch mit edlen Segelyachten wie die knapp elf Meter lange „Lütje35“ mit Mahagoni-Aufbauten. Alle Schiffe waren Einzelanfertigungen, die den Wünschen der Kunden folgend gebaut werden. Das hat seinen Preis. Entsprechend betucht sind die Kunden zu denen namhafte Unternehmer aus der Hamburger maritimen Branche gehören. 130 Schiffe wurden so mit der Zeit gebaut.

Bis zum Beginn der Finanz- und Schifffahrtskrise. Dann saß auch den Reichen das Geld nicht mehr locker in der Tasche, Der Yachtbau ging zurück und teure Einzelanfertigungen waren kaum mehr gefragt. Hinzu kam eine starke Konkurrenz. Yachten die hier für 1,7 Millionen Euro hergestellt wurden, kosten in Italien nur 1,1 Millionen Euro. Das traf die Firma Lütje. Im Sommer 2020 musste sie Insolvenz anmelden. Und dann kam es zu jener wundersamen Rettung, von der Geschäftsführer Schröder, gern erzählt. „Eigentlich war es so: Morgens wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, abends gab es neue Gesellschafter und der Betrieb bekam die Schlüssel wieder überreicht. Nur der offizielle Name wurde etwas geändert, von Lütje Yachts in Lütje Bootsbau GmbH.“

Ganz so schnell ging es dann doch nicht. Ein paar Tage dauerte es schon, bis die Fortführung des Betriebs sicher stand. Klar ist aber, dass eine Reihe von ehemaligen Kunden der Meinung waren, dass die Welt ohne die Lütje-Boote ärmer wäre und der Betrieb nicht zerschlagen werden dürfte. Allen voran der Hamburger Unternehmer Peter Eckhardt, Gesellschafter und Geschäftsführer des des Schiffsmaklers und Chartervermittlers Martini Chartering. Das Unternehmen ist eng mit der traditionsreichen Hamburger Reederei F. Laeisz verbunden, und so war es keine Überraschung, dass deren Chef, Nikolaus H. Schües sich ebenfalls der Rettung der kleinen Bootsbaufirma am Kaltehofe Hinterdeich verschrieb. Sie statteten das Unternehmen mit frischem Kapital aus und Eckhardt suchte einen neuen Geschäftsführer.

Alle Mitarbeiter waren in Kurzarbeit

Den fand er in Fritz Schröder. „Irgendwann erhielt ich einen Anruf, ob ich Interesse daran hätte, eine Werft zu retten.“ Er hatte. Schröder ist Weltenbummler in Sachen Bootsbau. Das Handwerk gelernt hat er bei Lürssen in Bremen, arbeitete aber bei verschiedenen europäischen Werft in leitender Position, nicht nur an kleinen Yachten auch an Kreuzfahrtschiffen von Aida. Jetzt also Lütje. Schröders Familie wohnt weiter im Norden Schleswig-Holsteins. Nach Hause fährt er an den Wochenenden und – sofern es zeitlich geht- mittwochs zur Mittwochregatta in Heiligenhafen. Denn das ist klar: Schröder ist selbstverständlich selbst passionierte Segler.

Als Schröder seinen Job antrat, hatte die Firma keinen Neubauauftrag aber neun Mitarbeiter. Alle in Kurzarbeit. „Ich musste sofort Arbeit akquirieren. Denn ist ein gelernter Bootsbauer in Kurzarbeit, dann ist er schnell weg, weil andere ihn aufnehmen.“ Also fragte Schröder bei anderen Wertbetrieben. Mit Erfolg. Lütje wurde für einige Zeit Subunternehmer. Besonders pikant: „Wir arbeiteten ausgerechnet an der Reparatur von Yachten russischer Oligarchen mit.“ Welche das sind, dazu schweigt er.

Seit Februar laufen eigene Aufträge wieder ein. Reparatur, Ausrüstung und Umrüstung von Yachten. Hinzu kommt zum Winter wieder das Einlagern und die Trocknung der teuren Schiffe. Lütje bietet das Rund-um-Sorglospaket. „Die Kunden rufen uns an, wir holen deren Yacht ab, heben sie aus dem Wasser und überholen sie den Winter über.“ Einen Neubauauftrag gibt es noch nicht, aber Schröder führt Gespräche.

HPA verlangt 300 Prozent höhere Pachtabgaben

Und er sucht Mitarbeiter, „händeringend“, wie er sagt. Drei frische Kräfte wären gut, dann wären sie zehn bei Lütje. Jeden Tag hänge der Chef mindestens eine Dreiviertelstunde am Telefon, um in der Branche herumzufragen. „Aber gelernte Bootsbauer sind im Moment nicht zu finden.“ Zusammen mit einem Hilfsarbeiter sind sie bei Lütje derzeit zu acht. Kopfprämien werde er nicht zahlen können, aber gute Gehälter.

Zudem drückt Schröder noch ein anderes Problem, nämlich hohe Pachtabgaben an die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA): „Wir waren gerade dabei, wieder in ruhiges Fahrwasser zu schippern, da kam die HPA, um die Pacht zu erhöhen. Nicht nur ein bisschen, sondern um 300 Prozent.“ Dafür habe Lütje Yachts nun einen neuen Pachtvertrag für das 6000 Quadratmeter große Gelände und sei für die nächsten 30 Jahre abgesichert. „Seit Anfang des Jahres schreiben wir auch wieder schwarze Zahlen“, freut sich Schröder. Sein neuestes Projekt ist die Übernahme der Bootseinlagerungsflächen des Nachbarn. Der hat seinen Betrieb aufgegeben. Dann kann Lütje im Winter bis zu 100 Boote einlagern und wieder fit machen. Das Wunder geht weiter auf Kaltehofe, gleich hinter dem Sperrwerk.