Hamburg. Erst aus dem Internet in den stationären Handel, dann von Ottensen in die Neue Mitte. Bikings bietet Marken wie Peugeot und Advanced.
Ein Besuch beim Fahrradladen Bikings ist wie eine Reise in die Kindheit. Retromodelle von Peugeot, schmale Stahlrohre, schicke Bonbon-Farben, die 1980er-Jahre mit ihrem typischen Design lassen grüßen. Gerade die Oldschool-Rahmen lassen Erinnerungen an heiße Sommer an der Côte d’Azur hochkommen, an sandige Wege zwischen Kiefernhainen, die stets zum Meer führten.
Dass Bikings im Norden einziger Vertriebspartner für Peugeot ist, dürfte Christoph Franz zu verdanken sein. „Ich bin halb Franzose“, sagt der 38 Jahre alte Mitinhaber des Ladens. Ein guter Draht und ebensolche Sprachkenntnisse sind nötig, um mit der französischen Marke aus Romilly-sur-Seine ins Geschäft zu kommen. Und zwar für neue Räder, nicht nur für die Klassiker.
Eröffnung: Bikings zieht von Ottensen in die Neue Mitte
Auch andere Modelle wird man woanders vergeblich suchen, die kaum als E-Bikes zu erkennenden Räder von Advanced, die Lastenräder von Black Iron Horse. Das Besondere: Hier kann man nicht nur Kinder und kleine Hunde mitnehmen, sondern Erwachsene transportieren. „Wenn du mich mal zum Picknick fahren willst“, sagt Sönke Schafaff, 50, zweiter Inhaber des Shops lachend. Scherz beiseite: In Dänemark sind die stabilen zwei- und dreirädrigen Mulis generationenübergreifend im Einsatz. „Die Leute nehmen einfach ihre Großmutter mit, wenn sie nicht mehr so mobil ist“, beschreibt Franz den Mehrwert des Modells Pony Family von Black Iron Horse.
Bikings war seit März mit einem eigenen, übergangsweise gemieteten Laden in Ottensen, an der Bahrenfelder Straße, für Fahrradfans im Einsatz, nach ersten Gehversuchen im Internet einige Monate zuvor. „Aber du musst auch mit einem Geschäft vor Ort sein, die Menschen müssen die Fahrräder erleben und ausprobieren können“, ist Franz überzeugt. Anfassen, Probe fahren, das wollten sich die Kunden eben nicht nehmen lassen. Jetzt liegt der Schwerpunkt der beiden Gründer eher auf dem stationären Handel als im Netz. Und sie haben einiges vor: In wenigen Tagen ziehen sie in die Neue Mitte Altona. Das Bikings wird in dem Quartier auf gut 100 Quadratmetern für die Kunden da sein, an der Bahrenfelder Straße ist nun Schluss.
Bikings: Trend und Nachhaltigkeit im Fokus
Neben dem Retro-Trend – der vielen Anwohnern in Ottensen und Altona im Blut zu liegen scheint, denn auch die Mode- und Brillenläden setzen hier oft auf Vergangenes, Wiederentdecktes – setzen Franz und Schafaff auf Nachhaltigkeit. Die Marke Advanced stellt nach eigenen Angaben voll recycelbare Rahmen her und kommt aus der Nähe von Osnabrück, denn auch auf das Regionale legen die Gründer Wert. Praktisch das gesamte Sortiment kommt aus Europa. Wie die Taschen von Clarijs, eine Marke aus den Niederlanden, die quasi als Abfallprodukt von Abdeckungen für Lastenräder entstehen. Das überschüssige Material der Planen wird zu stylischen Gepäckstücken weiterverarbeitet.
So etabliert viele der Marken bei Bikings sind, so frisch sind Franz und Schafaff in der Branche. Franz verdiente sein Geld früher als Schiffsmakler und lebte lange in Singapur. Schafaff, Vater von zwei Kindern, kommt aus dem kaufmännischen Bereich, hat für Steuerberater gearbeitet und Gefallen an der Branche gefunden, als er nebenbei die Buchhaltung für einen Fahrradhändler erledigte.
Team haucht alten Rädern neues Leben ein
Beide haben sich bei Bikings mit dem Willen zur Selbstständigkeit zusammengetan und beschäftigen zwei Mechaniker. „Die reparieren auch Vintage-Fahrräder, um diesen ein neues Leben einzuhauchen“, versichert Franz, denn auch hier wird der Gedanke gelebt, dass Altes möglichst bewahrt werden soll. Nicht nur etwas für Gutverdiener sind auch die Räder, die Preise beginnen bei gut 500 Euro – erreichen aber auch 7000 Euro bei E-Lastenrädern.
Die große Auswahl bei Bikings auch an Rädern mit Akku ist dem Markttrend geschuldet. Mittlerweile werden in Deutschland jährlich zwei Millionen Exemplare mit Motor verkauft, was ein leichtes Plus im Vergleich zum Jahr 2020 und einen Marktanteil von 43 Prozent am gesamten Fahrradmarkt bedeutet. Die Verkäufe von analogen Rädern waren im Vorjahr mit 2,7 Millionen Stück leicht rückläufig.
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Laut dem Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) lag das auch daran, dass es gerade im hochwertigen Sportradbereich zu erheblichen Lieferverzögerungen kam, die bis heute anhalten. Die Macher von Bikings haben die Engpässe frühzeitig erkannt und gegengesteuert. Gleich Dutzende Modelle bestellten sie bei den Herstellern, um auch im Wettbewerb mit großen Handelsketten bei der Lieferfähigkeit bestehen zu können.
Den Standort in der Neuen Mitte Altona empfinden die Gründer als Glücksfall. Die Nachbarn, darunter sind viele Familien in dem Gebiet, kommen als Käufer für Transportbikes in Betracht, und auch die bewusst konsumierende Klientel in dem Kiez kommt den beiden Unternehmern entgegen. „Wir mussten uns bei der Immobilie gegen andere Fahrradläden durchsetzen“, beschreibt Franz die anspruchsvolle Bewerbung um die Gewerbefläche an der Harkortstraße.
Eröffnung: Umzug so nachhaltig wie möglich
Jetzt, kurz vor der Neueröffnung, dürften die beiden jungen Männer wenig Zeit für ihre Leidenschaften haben. Franz zieht es oft mit dem Mountainbike in die Natur der Harburger Berge, Sönke Schafaff erholt sich auf dem Rennrad im Feriendomizil der Familie an der Schlei vom Start-up-Stress. Nun heißt es allerdings: Den Laden einrichten und auch dabei an die Umwelt denken: Die Einrichtung des Geschäfts besteht aus alten Obstkisten, der Umzug wird statt mit Lastwagen mit einigen Freunden organisiert – sie bringen die Bikes radelnd an den neuen Standort.