Hamburg. Der Wirtschaftsrat lädt zur Podiumsdiskussion ins Food Lab. Aktuelle Situation hängt komplett vom Kriegsverlauf ab.
Es waren nur 90 Minuten, zu denen der Wirtschaftsrat am Donnerstag geladen hatte, aber diese eineinhalb Stunden gaben einen tiefen Einblick in die Nahrungsmittelindustrie. Im Food Lab, einem innovativen Gastrokonzept mit Entwicklungsküchen, Co-Working-Space, Café und Pop-up-Restaurant an der Überseeallee, standen gebrochene Lieferketten, der Ukraine-Krieg und die Inflation im Mittelpunkt. Thies Goldberg, Vorsitzender des Wirtschaftsrates, kritisierte in seiner Einführung die Notenbanker, die eine Inflation noch geleugnet hätten, als die Preise längst durch die Decke gingen. Zuletzt verteuerten sich Nahrungsmittel um 8,6 Prozent.
„Wir haben keine Krise in Europa, aber eine Knappheit“, beschrieb Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, die Lage. Die Hälfte der Ernte aus der Ukraine komme derzeit nicht auf den Markt, weil der Transport unmöglich sei, nur 70 Prozent der Flächen seien bestellt. „Alles hängt vom weiteren Verlauf des Krieges ab.“
Inflation und Krieg: Preise steigen, weil Ernte in Nordamerika schlechteste seit 50 Jahren war
Christian von Boetticher, Noch-Chef bei Kölln und Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, betonte, dass die Krise schon länger währt. „Die Preise steigen seit Herbst, weil die Ernte in Nordamerika die schlechteste seit 50 Jahren war.“ Nun belasten die Betriebe zudem die Marktstörungen und die explodierenden Energiepreise. „Das wird uns noch Jahre beschäftigen.“ Umwälzungen spürt auch der Handelsexperte Lars Malachewitz, Geschäftsführer bei Bartels-Langness. „Wir haben in der Pandemie gespürt, dass sich das Essverhalten ändert – plötzlich erlebte Bio einen Boom.“ Dieser Trend hat sich nun umgekehrt; durch die rasant steigenden Preise schauen viele Menschen genauer auf den Euro. „Die Leute kaufen Billigmarken – das nachhaltige Sortiment, Biowaren und Lebensmittel-Start-ups verlieren“, sagt er. „Währenddessen steigern die Konzerne in der Krise ihre Erträge.“
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Einigkeit herrschte auf dem Podium, dass nur der Verbraucher diese Fehlentwicklungen stoppen kann: „Sie entscheiden an der Kasse, was ihnen die regionalen Erzeuger, der regionale Handel, die regionalen Marken wert sind“, so von Boetticher. Möglicherweise berge die Krise sogar eine Chance: „Billige Lebensmittel sind keine Selbstverständlichkeit. Diese Erkenntnis kann uns helfen, die Dinge wieder mehr wertzuschätzen.“