Hamburg. Gaby Bornheim lenkt den mächtigen Verband. Wie sie zu Frachtraten, Klimaschutz und dem Krieg gegen die Ukraine steht.

Wenn man an Hamburger Reeder denkt, stellt man sich verschlossene, reiche Herren mit Goldknöpfen am Jackett und Yachten in verschiedenen Häfen auf der Welt vor. Davon ist Gaby Bornheim (55) weit entfernt. Sie pflegt keine Standesdünkel, zeigt sich erfrischend offen. Wie ihre männlichen Kollegen ist auch sie gerne auf dem Wasser unterwegs, eine eigene Yacht besitzt sie aber nicht. Gleichwohl trägt sie Mitverantwortung für mehr als 450 Schiffe und deren Besatzungen, die die Peter Döhle Schifffahrts KG derzeit auf den Weltmeeren fahren lässt. Seit 22 Jahren arbeitet die promovierte Juristin für die Reederei mit Sitz an der Elbchaussee, davon fast zehn Jahre als Geschäftsführerin.

Seit wenigen Monaten ist sie zudem die oberste öffentliche Vertreterin der deutschen Reederschaft, denn der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat sie zu seiner Präsidentin gewählt. Bornheim folgt auf Alfred Hartmann, der sich nach sieben Jahren an der Spitze nicht zur Wiederwahl gestellt hatte. Sie ist die erste Frau an der Spitze des 114 Jahre alten traditionsreichen Verbandes.

Hafen Hamburg: Mehr Frauen in Schifffahrtsunternehmen

Aber das Gefühl, relativ allein auf weiter Flur zu sein, kennt sie schon länger: Der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen deutscher Schifffahrtsunternehmen ist verschwindend gering. „Die Branche könnte mehr Frauen vertragen“, sagt sie in ihrem ersten großen Interview mit dem Abendblatt. Unterschiedliche Charaktere seien für den wirtschaftlichen Erfolg wichtig. „Nur mit Mutigen hat man keinen Erfolg, auch nicht nur mit Bedenkenträgern. Aber wenn sie einander ergänzen, gewinnt man neue Ansichten, so kommt man weiter“, sagt Bornheim. Sie sei zutiefst überzeugt: „Frauen können alles, was auch Männer können.“

Auch wenn sie ursprünglich in der Ölindustrie als Rechtsanwältin arbeitete und im Jahr 2000 nur über eine Zeitungsanzeige, auf die sie sich bewarb, ins Reedereigeschäft wechselte, merkt man im Gespräch schnell, dass Bornheim für diese Branche brennt, indem sie das öffentliche Bild der Reeder gleich einmal geradezurücken versucht: „Man sollte Reeder nicht auf Yachten und Goldknöpfe reduzieren. Sie gehen mit riesigen Vermögenswerten um und tragen dabei viel Verantwortung für den Welthandel, für ihre Schiffe und deren Besatzungen.“ Gerade mit den Seeleuten sei der Zusammenhalt viel größer als in der Öffentlichkeit angenommen, sagt Bornheim.

Hamburger Schiffe stecken im Kriegsgebiet fest

Deshalb sei die Betroffenheit über das, was in der Ukraine derzeit passiert, in der Branche besonders groß. „Noch immer hängen hundert Schiffe in ukra­inischen Häfen fest, darunter drei von Hamburger Reedern, und es sind teilweise immer noch Besatzungen an Bord. Zwar keine Deutschen, aber es sind unsere Kollegen. Ihnen gilt unsere Sorge“, sagt Bornheim. Alle Versuche, auf internationaler Ebene einen freien Ausfahrtkorridor einzurichten, um die Schiffe aus dem Kriegsgebiet zu evakuieren, seien an Russland gescheitert. Und auf eigene Faust könnten die Schiffe nicht herausfahren. „Das ganze Gebiet ist vermint, davon ist auszugehen. Auch wenn ich ein positiv denkender Mensch bin – das hat mich erschüttert“, sagt die Reeder-Präsidentin.

Positiv gestimmt ist sie mit Blick auf das Geschäft dennoch, denn der Branche geht es gut wie lange nicht mehr. Die Fracht- und Charterraten sind in nicht erwartete Höhen gestiegen und füllen den Reedern ihre Kassen. „Es geht den meisten Reedereien wirtschaftlich derzeit endlich wieder besser, und die Charterraten haben sich erfreulich entwickelt“, gibt Bornheim zu und hängt dennoch ein großes Aber daran: „Man darf aber auch nicht vergessen, woher die Branche kommt. Sie hat zehn Jahre lang eine schwere Krise durchlaufen, von der sich viele Unternehmen erst einmal wirtschaftlich erholen müssen. Nicht wenige sind daran kaputtgegangen.“ Zudem kämen auf die Betriebe große Herausforderungen zu. Denn die Umrüstung ihrer Flotte auf klimaneutrale Schiffe werde ein finanzieller Kraftakt.

Gaby Bornheim bestreitet Preistreiberei

Den von Spediteuren und Häfen erhobene Vorwurf, die Reedereien würden ihre derzeitige Marktmacht ausnutzen und die Preise künstlich hochhalten, weist Bornheim wie erwartet zurück: „Dazu müsste man ein kollusives Zusammenwirken aller Reeder unterstellen, das ist doch absurd.“ Die hohen Transportpreise seien den extremen Marktbedingungen geschuldet. Der Markt werde sich auch wieder normalisieren. „Bei den Charterraten sehen wir schon, dass sie nachgeben.“

Die Aussage der Spediteure, die Reeder würden Krieg gegen sie führen, ist laut Bornheim in der Wortwahl „unangemessen angesichts der Tatsache, dass wir in Europa derzeit erleben müssen, was Krieg wirklich bedeutet“, und in der Sache ungerecht. „Ich kann mich nicht entsinnen, dass irgendjemand den Spediteuren in den vergangenen zehn Jahren solche Vorwürfe gemacht hat, als es den Reedereien so schlecht ging und Spediteure gut verdienten.“

Größte private Luxus-Wohnyacht kommt nach Hamburg

Die größte private Wohnyacht der Welt umrundet alle zwei bis drei Jahre die Welt.
Die größte private Wohnyacht der Welt umrundet alle zwei bis drei Jahre die Welt. © The World
Die Innenausstattung der Appartements richtet sich nach den individuellen Vorstellungen der Eigentümer.
Die Innenausstattung der Appartements richtet sich nach den individuellen Vorstellungen der Eigentümer. © The World
Bis zu 300 Quadratmeter groß sind die 165 Luxus-Appartements.
Bis zu 300 Quadratmeter groß sind die 165 Luxus-Appartements. © The World
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    Auch gegen das Image der Schifffahrt als Bremser beim Thema Klimaschutz wehrt sich Bornheim. Es tue sich viel mehr in der Branche, als öffentlich bekannt sei. „Wir verschließen uns keiner Maßgabe“, sagt Bornheim. Die öffentlichen Institutionen der Internationalen Maritimen Organisation der UN hätten der Schifffahrt vorgeschrieben, sie solle den CO2-Ausstoß bis 2050 halbieren. „Wir als Weltschifffahrt selbst sagen: Nein, wir wollen bis 2050 komplett klimaneutral werden. Mancher mag sagen, das sei vermessen. Ich sage: Es ist mutig, und es ist richtig. Wir brauchen große Ziele, wenn wir bei der Klimafrage vorankommen wollen, damit wir mit anderen diese Ziele erreichen.“

    Deshalb verschließe sich der VDR auch nicht den Plänen der EU zu einer Bepreisung des CO2- Ausstoßes. „Wichtig ist aus unserer Sicht dabei aber zweierlei“, sagt Bornheim. „Bezahlen sollte der Verursacher, also derjenige Reeder, der das Schiff betreibt, nicht der Eigentümer. Und wir benötigen über Europa hinaus am besten internationale Spielregeln, an die sich im Sinne des Wettbewerbs alle in unserer globalen Industrie halten müssen.“ Auch die Motorenhersteller würden intensiv an neuen Maschinen für alternative Kraftstoffe forschen. „Meines Wissens könnten wir da noch in diesem Jahr Neuigkeiten erwarten.“ Allerdings müssten die Staaten auch die notwendige Infrastruktur zum Bunkern von klimaneutralen Treibstoffen wie Wasserstoff Ammoniak oder Methanol schaffen.

    Daran hapert es bekanntlich. Hier muss die neue VDR-Präsidentin wohl noch einige dicke Bretter bohren.