Hamburg. Wenn alte Verträge auslaufen wird es richtig teuer. Das Abendblatt erklärt, welche Optionen es für Hamburger noch gibt.

So vorausschauend dürften die wenigsten Hausbesitzer gehandelt haben. Im Jahr 2020, als an steigende Energiepreise und Russlands Krieg in der Ukraine noch nicht zu denken war, traf Peter Schubert*) aus Langenbek eine weitsichtige Entscheidung. Er sicherte sich einen Gastarif für 4,7 Cent je Kilowattstunde (kWh) – für fünf Jahre.

„Ich war auch überrascht, dass das für so einen langen Zeitraum möglich war, aber der Preis erschien mir sehr günstig“, sagt der Hausbesitzer. Der Durchschnittspreis für Erdgas lag damals nach Berechnungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 5,97 Cent/kWh. Schubert kaufte also sein Erdgas rund 21 Prozent günstiger ein als im Marktdurchschnitt und profitiert davon noch bis zum Jahr 2025.

Gas: Energiepreise werden stark steigen

Die meisten Verbraucher haben sich aber auf Einjahresverträge eingelassen. Doch wer vor einem Jahr oder noch im Sommer 2021 abgeschlossen hat, bekommt jetzt oder in nächster Zeit die exorbitante Steigerung der Erdgaspreise zu spüren.

Welche Belastungen kommen auf Verbraucher zu? Welche Optionen haben sie? Wie kommen sie in Hamburg in die noch deutlich günstigere Grundversorgung? Was kommt auf Mieter zu? Droht bei den Strompreisen eine ähnliche Verteuerung? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Mit welchen Preissteigerungen müssen Verbraucher beim Erdgas rechnen?

Im schlimmsten Fall kommt es bei einem neuen Vertragsabschluss jetzt fast zu einer Vervierfachung der monatlichen Gasrechnung, wie eine Berechnung des Vergleichsportals Verivox für den Standort Hamburg zeigt. Exklusiv für das Abendblatt haben die Experten errechnet, welcher Monatsabschlag je nach Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei einem Verbrauch von 20.000 kWh Erdgas fällig wird. Berücksichtigt wurde der jeweils günstigste Anbieter.

So musste ein Hamburger Haushalt, der im April 2021 einen Einjahresvertrag abgeschlossen hat, monatlich 72 Euro für seine Gasheizung bezahlen. Orientiert er sich jetzt an den günstigsten Sondervertragskundentarifen, also außerhalb der Grundversorgung, werden monatlich 268 Euro fällig (siehe Grafik). Die Jahresrechnung beläuft sich also auf 3216 Euro. Inklusive des Grundpreises stieg der Preis für eine kWh Erdgas von 4,3 Cent auf 16,1 Cent.

Ist die Verteuerung unausweichlich?

Das hängt vom Gasanbieter ab. „Es ist nicht automatisch so, dass Bestandskunden die hohen Preise der aktuellen Tarife zahlen müssen“, sagt Lundquist Neubauer von Verivox. Aber zu Konditionen wie im April 2021 wird eine Verlängerung des Vertrages nicht möglich sein. Wenn der Kunde nicht kündigt, kommt es in der Regel zu einer Verlängerung des Vertrages, voraussichtlich zu deutlich höheren Preisen.

„Über diese Preiserhöhungen muss der Kunde aber mindestens sechs Wochen vorher informiert werden“, sagt Neubauer. Wer mit den neuen Preisen nicht einverstanden ist, kann kündigen. Allerdings sollten Verbraucher abwägen, welchen Aufschlag sie akzeptieren. Auch ein Tarif, der aktuell teurer ist als die Grundversorgung, kann mit Blick auf ein oder zwei Jahre Preisgarantie akzeptabel sein, weil die Preise beim Grundversorger steigen können.

Welche Optionen haben Gaskunden?

Im Normalfall würde man nach einem günstigeren Anbieter suchen, aber die günstigsten Anbieter im Neukunden­geschäft liegen jetzt bei 15 bis 17 Cent je kWh. Unternimmt man nichts, beendet der bisherige Anbieter die Versorgung, und der Kunde fällt zunächst in die Ersatzversorgung. Sie läuft bis zu drei Monate, danach gehen Haushaltskunden direkt in die Grundversorgung über. Die Ersatzversorgung ist täglich, die Grundversorgung 14-täglich kündbar. In Hamburg ist der Grundversorger die E.on Energie Deutschland GmbH mit aktuell 7,95 Cent je kWh Erdgas plus 144 Euro Jahresgrundpreis.

Bezogen auf einen Jahresverbrauch von 20.000 kWh führt das zu einer monatlichen Gasrechnung von 147 Euro oder 1764 Euro im Jahr. Günstiger ist Gas in Hamburg bei einem Neuabschluss aktuell nicht zu bekommen. Die Strategie funktioniert allerdings nur noch in Hamburg. Im Umland ist es bei den Grundversorgern bereits zu massiven Preiserhöhungen gekommen, bei den Stadtwerken Norderstedt um 136,9 Prozent in der Grund- und Ersatzversorgung (3011 Euro bei 20.000 kWh), bei den Stadtwerken Ahrensburg (2731 Euro) in der Grundversorgung um 103,9 Prozent, wie aus einer Übersicht von Check24 hervorgeht.

Steht der Weg in die günstige Grundversorgung noch offen?

Ja, wir haben bei E.on Energie nachgefragt. Aktuell gilt dieser Preis noch, und es gibt in der Grundversorgung keine unterschiedlichen Tarife für Bestands- und Neukunden. Aber es ist offen, wie lange Kunden noch von den relativ günstigen Gaspreisen profitieren können, denn in diesen Tarifen kann es jederzeit zu Preiserhöhungen kommen.

„In den vergangenen Monaten konnten wir Preisanpassungen in unserer Grundversorgung Erdgas – auch für unsere zahlreichen Bestandskunden – aufgrund unserer langfristigen Beschaffungsstrategie weitgehend abfedern“, sagt ein Firmensprecher. E.on könne sich der Marktentwicklung aber nicht dauerhaft entziehen.

„Auch bei bereits bestehenden Verträgen und in der Grund- und Ersatzversorgung wird sich die massive Steigerung der Beschaffungskosten dahe­r leider bemerkbar machen“, kündigt das Unternehmen gegenüber dem Hamburger Abendblatt an. Konkrete neue Endkundenpreise will es aber noch nicht nennen und auch keinen Zeitpunkt.

Mit welchem Preisanstieg müssen die Kunden bei E.on rechnen?

Da gibt es nur eine Orientierung anhand der Preiserhöhungen, die bei anderen Grundversorgern bereits stattgefunden haben. Nach einer Marktübersicht des Vergleichsportals Check24 haben die Gasgrundversorger bisher durchschnittliche Preiserhöhungen von 56,2 Prozent vorgenommen. 447 Grundversorger haben Tarife ausschließlich für Neukunden eingeführt.

Hier wurden die Preise um durchschnittlich 137,5 Prozent angehoben. Diese Tarife für Neukunden sind rechtlich umstritten. Das Bundeswirtschaftsministerium plant aber künftig eine gesetzliche Regelung, nach der die Ersatzversorgung für eine bestimmte Zeit teurer sein darf als die Grundversorgung. Eine solche Entkoppelung wird von E.on ausdrücklich unterstützt.

Was kommt auf Mieter zu?

Sie haben in den meisten Fällen keinen Einfluss auf die Gasversorgung und werden mit den höheren Preisen erst mit deutlicher Verzögerung mit der Betriebskostenabrechnung konfrontiert. Da es die große Preiswende bei Gas erst vom Jahreswechsel an gegeben habe, dürfte es für viele Haushalte erst mit der Abrechnung im kommenden Jahr teurer werden, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-West­falen.

Die Verbraucherschützer raten, vorzusorgen und Geld anzusparen, um für Nachzahlungen gerüstet zu sein. In anderen Bundesländern gibt es Bestrebungen der Wohnungsunternehmen, die Mieter zu einer freiwilligen Erhöhung ihrer Heizkostenvorauszahlung zu bewegen. Davon ist in Hamburg nichts bekannt. „Die Saga Unternehmensgruppe bildet bei der Berechnung der monatlichen Vorauszahlungen der Mieterinnen und Mieter für die Heizkosten in der Regel Sicherheiten“, sagt ein Unternehmenssprecher.

Mieter könnten aber ihre Vorauszahlung individuell anpassen. Auch beim Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) ist man gelassen. Für die kommende Abrechnung müssten sich Mieter noch keine großen Sorgen vor einem großen Preissprung bei den Heizkosten machen, sagt VNW-Direktor Andreas Breitner: „Wir haben über einen Rahmenvertrag für eine ganze Reihe von Unternehmen die Energie langfristig und günstig eingekauft.“ Deutliche Erhöhungen bei den Heizkosten seien daher erst für das kommende Jahr zu befürchten. Den Mietern wird angeboten, ihren Heizkostenvorschuss freiwillig zu erhöhen.

Wie steht es mit den Strompreisen?

Auch bei auslaufenden Stromverträgen drohen deutliche Preiserhöhungen, allerdings nicht in dem Ausmaß wie bei Gas. Während beim günstigsten Anbieter im April 2021 bei einem Verbrauch von 3500 kWh 77 Euro im Monat fällig wurden, erhöht sich jetzt bei einem Neuabschluss die Monatsrechnung auf 104 Euro. Die Grundversorgung von Vattenfall ist mit 108 Euro pro Monat kaum teurer.

Bei Vattenfall gibt es in der Grundversorgung keine unterschiedlichen Tarife zwischen Bestands- und Neukunden, und auch eine Preiserhöhung ist noch nicht angekündigt, wie das Unternehmen auf Nachfrage mitteilte. Aber das kann sich ändern. Deshalb ist es sinnvoll, sich einen Tarif mit Preisgarantie zu sichern, der nicht teurer ist als die Grundversorgung. Beim Vattenfall-Tarif Natur24 Extra Strom gibt es eine Preisgarantie über 24 Monate. Monatliche Kosten: 105 Euro. Mit dem Wegfall der EEG-Umlage im Juli 2022 wird der Tarif dann noch etwas günstiger. „Das wird in der Jahresabrechnung berücksichtigt“, sagt eine Vattenfall-Sprecherin.

*) Name geändert