Hamburg. 3-D-Drucker und computergesteuerte Maschinen in lokalen Werkstätten machen es möglich. Hobby-Erfinder sind zu Wettbewerb aufgerufen,

Schon vor langer Zeit hat sich in den Köpfen der Deutschen die Überzeugung festgesetzt, Produkte des täglichen Gebrauchs müssten notwendigerweise aus riesigen Werken in anderen Regionen der Welt kommen, aus Teilen verschiedenster Herkunft bestehen und praktisch nicht repariert werden können. Doch all das muss nicht immer so bleiben – modernste Technik wie der 3D-Druck machen eine Fertigung nach individuellen Plänen buchstäblich in der Nachbarschaft möglich.

In Hamburg entstand schon im Jahr 2011 ein so genanntes „Fab Lab“, also eine mit computergesteuerten Maschinen ausgerüstete Werkstatt, in der Privatpersonen ihre eigenen Produktideen verwirklichen können. Inzwischen gibt es in der Hansestadt eine gute Handvoll solcher Plätze. Gemeinsam mit Start-ups und Forschungseinrichtungen sind sie im Verein „Fab City Hamburg“ zusammengeschlossen.

Hamburgs Erfinder sind zu Ideenwettbewerb aufgerufen

Mit einem Ideenwettbewerb will Michael Westhagemann, Senator für Wirtschaft und Innovation (parteilos), nun „ungenutzte kreative Potenziale der Bürgerinnen und Bürger“ heben. „Vielleicht kommt das nächste große Ding aus Hamburg“, sagte Westhagemann bei der Vorstellung des Wettbewerbs. „Ob im Beruf oder privat, jeder von uns hat doch hin und wieder mal eine Idee und denkt, das müsste man erfinden, dieses Produkt könnte man doch verbessern. Jetzt haben Sie die Chance dafür.“ In der Fab City Hamburg könne „jede und jeder zum Erfinder und Produzenten werden“.

Bis zum 15. Mai können alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt und der Metropolregion Hamburg ihre Produktideen per Internet über die Plattform www.innovation.fabcity.hamburg einreichen. Technische Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich. Eine Skizze, ein Foto oder eine Konzeptzeichnung sowie eine kurze Beschreibung der Idee sind ausreichend.

Ideenwettbewerb: Es werden Konzepte für Produkte gesucht

Im Rahmen des Wettbewerbs mit der Bezeichnung „Maker Challenge“ werden Konzepte für Produkte gesucht, die in den lokalen Werkstätten hergestellt werden können – also kein Auto und kein Smartphone – und die zudem „einen gesellschaftlichen oder ökologischen Nutzen stiften“.

Im Herbst sollen bis zu 20 von einer Jury ausgewählte Projekte in einer der Werkstätten in Hamburg zu einem Prototypen oder sogar einer Kleinserie weiterentwickelt werden. Hierfür bekommen die Ideengeber einen technisch versierten Mentor zur Seite gestellt, die Kosten für das Material und die Maschinennutzung übernehmen die Initiatoren des mit EU-Geldern geförderten Wettbewerbs. Die fertigen Prototypen werden der Hamburger Öffentlichkeit im März 2023 in einer Ausstellung präsentiert. Darüber hinaus gibt es einen 3D-Drucker zu gewinnen.

„Wir wissen, dass in vielen Menschen innovative Ideen mit einem großen Nutzen für die Gesellschaft schlummern, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden“, sagte Westhagemann. „Es gibt keinen Grund mehr, damit hinter dem Berg zu halten.“

3D-Drucker können kompletten Stuhl fertigen

In den Werkstätten gebe es verschiedene 3D-Drucker, die Teile bis zur Größe eines kompletten Stuhls fertigen können, Elektroniklabore sowie programmgesteuerte Fräsmaschinen zur Holz- und Metallbearbeitung, die nach kurzer Einweisung auch von technischen Laien bedient werden könnten, sagte Projektkoordinator Manuel Moritz, der als Wissenschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) tätig ist. „Was uns zum Durchbruch der ‘Fab City’-Idee jedoch fehlt, sind die richtigen Produkte – und diese wollen wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern identifizieren, entwickeln und bauen.“

Lokale Produktion im kleinen Maßstab gilt in der Fachwelt inzwischen längst nicht mehr nur als Spielwiese für Kreative, sondern auch als ein Element des Klimaschutzes. „Es ist ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft, wenn man Dinge vor Ort und nur nach Bedarf produzieren kann und sie nicht aus Teilen bestehen, die alle schon mindestens einmal die Welt umrundet haben, bevor sie beim Nutzer ankommen“, sagte dazu Robin Kabelitz-Bock, der an der Kühne Logistics University in der HafenCity unter anderem erforscht, wie sich die dezentrale Produktion auf die Lieferketten auswirkt.

Weltweite Lieferketten komplex und anfällig

„Die Corona-Pandemie hat uns ganz deutlich vor Augen geführt, wie komplex und anfällig die weltweiten Lieferketten inzwischen geworden sind“, so Kabelitz – kritische Engpässe durch fehlende Transportkapazitäten oder die zeitweilige Schließung von quasi-monopolistischen Zulieferern könnten künftig vermieden werden.

In diesem Zusammenhang berichtete Westhagemann, dass zu Beginn der Corona-Pandemie in Hamburger „Fab Lab“-Werkstätten auch Schutzmasken und bis zu 1000 Gesichtsschilde pro Woche hergestellt wurden, als solche dringend benötigten Gegenstände am Weltmarkt kaum noch erhältlich waren. In Asien seien sogar Beatmungsmaschinen aus dem 3D-Drucker eingesetzt worden, ergänzte Moritz.

Ersatzteile für defekte Haushaltsgeräte fertigen

Auch zur Verlängerung der Lebensdauer von Gebrauchsgegenständen sei diese Fertigungstechnologie dienlich, sagte Kabelitz. „Man kann damit Ersatzteile unter anderem für defekte Haushaltsgeräte herstellen und damit vermeiden, dass zum Beispiel ein Radio weggeworfen wird, weil es heruntergefallen und das Gehäuse gesplittert ist, obwohl es noch einwandfrei funktioniert.“

Zwar gebe es noch eine Reihe von Fragen – etwa zur Wirtschaftlichkeit, zu den Designrechten und der Produkthaftung – zu klären, die mit zunehmender Verbreitung solcher Werkstätten aufkommen werden, so Kabelitz. Hamburg sei dafür aber ein guter Standort, denn die Stadt spiele bundesweit eine „Vorreiterrolle“ auf diesem Feld. Tatsächlich ist Hamburg als einzige Stadt in Deutschland Mitglied einer globalen Initiative von 41 Städten und Regionen, deren erklärtes Ziel es ist, künftig wieder fast alles herstellen zu können, was vor Ort benötigt wird.