Hamburg. 500 Geflüchtete besuchen Veranstaltung in der Handelskammer über Hilfs- und Beschäftigungsangebote. Die Tipps für Arbeitssuchende.

Geduldig warteten sie im Regen auf dem Gehsteig vor der 3G-Einlasskontrolle: 500 Menschen aus der Ukraine, weit überwiegend Frauen, haben sich am Donnerstagvormittag in der Handelskammer Hamburg auf einem „Marktplatz der Begegnungen“ über Beschäftigungsmöglichkeiten sowie über Unterstützungs- und Beratungsangebote informiert.

Rund 30 Unternehmen, darunter die Restaurantkette Block House, das Hotel Baseler Hof sowie ein Edeka-Händler, hatten ihre Stände im Börsensaal des Kammergebäudes aufgebaut, ebenso wie unter anderem der Ukrainische Hilfsstab, das Diakonische Werk und der Verein Sprachbrücke Hamburg.

Flüchtlinge in Hamburg: Marktplatz nicht nur Jobbörse

Auf einem Rundgang um den „Marktplatz“ wurde Handelskammer-Präses Norbert Aust von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) begleitet. „Mit der Veranstaltung wollen wir Schutzsuchende unkompliziert mit Hilfsangeboten und Unternehmen zusammenbringen, um das Ankommen in Hamburg so einfach wie möglich zu gestalten“, sagte Aust.

Er wollte den Marktplatz nicht in erster Linie als Jobbörse für dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten verstanden wissen, denn die meisten der Geflüchteten wünschten sich, so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren zu können. Es gehe hauptsächlich um kurzfristige Jobs, die es den Menschen erlaubten, sich bis dahin selbst zu versorgen.

Geflüchtete könnten Hamburger Wirtschaft kräftigen

„Wenn ich das Interesse an dieser Veranstaltung sehe, müssen wir über einen weiteren Termin nachdenken“, so Aust. Wegen einer Erkrankung musste die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka absagen. Sie hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass viele der Geflüchteten hochgebildete und hoch qualifizierte Arbeitskräfte seien, die mit ihren Leistungen die Hamburger Wirtschaft kräftigen könnten.

Mehr als 20.000 vor dem Krieg geflüchtete Ukrainer hat Hamburg bisher aufgenommen, vor allem Frauen. Je länger der Krieg dauert, desto stärker gewinnt die Integration in den Arbeitsmarkt an Bedeutung. Was sind die Voraussetzungen für eine Arbeitsaufnahme? Wie ist Hamburgs Wirtschaft aufgestellt? Wo gibt es freie Jobs? Können Jugendliche eine Ausbildung beginnen? Die wichtigsten Antworten für Geflüchtete und ihre Helfer.

Wie viele offene Stellen gibt es aktuell in Hamburg?

Allein bei der Arbeitsagentur Hamburg gibt es gut 12.300 unbesetzte Arbeitsplätze. Das sind rund ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Rund 2700 Jobs werden im Bereich Verkehr, Logistik und Sicherheitsdienste angeboten, 2500 in der Industrie und 1500 im Bereich Gesundheit, Soziales und Erziehung. Tatsächlich dürften noch mehr Arbeitsplätze in Hamburg auf Bewerber warten, weil nicht alle Arbeitgeber ihre freien Stellen der Arbeitsagentur melden.

In welchen Berufen konkret gibt es derzeit freie Jobs?

Nur einige Beispiele: In der Lagerwirtschaft können sofort 740 Fachkräfte und Helfer anfangen. Im Objekt- und Personenschutz gibt es 340 freie Stellen. 200 Berufskraftfahrer werden nach dem Stellenverzeichnis der Arbeitsagentur gesucht. 170 können als Installateur im Sanitär- und Heizungshandwerk arbeiten. 131 Köche werden gesucht und 72 Helfer in diesem Bereich. Im Reinigungsgewerbe sind 120 Helfer-Stellen unbesetzt und 83 Jobs für Fachkräfte. Auch für 110 Maler gibt es Arbeitsplätze in Hamburg. 148 offene Stellen gibt es in der Kinderbetreuung.

Wie groß ist das Interesse der Ukrainerinnen an einer Jobaufnahme?

Die Handwerkskammer Hamburg regis­triert viele Anfragen. „Sie erreichen uns vor allem von den ehrenamtlichen Begleiterinnen und Begleitern“, sagt eine Sprecherin der Handwerkskammer. „In unseren Betrieben ist die Zusammenarbeit multinationaler Teams mit interkulturellem Hintergrund gelebter Alltag“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg.

„Sie funktioniert vor allem dann besonders gut, wenn alle eine gemeinsame Sprache sprechen. Deutsch zu lernen ist deshalb die beste Investition für einen guten Einstieg in eine handwerkliche Tätigkeit.“ Auch die Handelskammer hebt die Bedeutung der Sprachkenntnisse hervor. „Mit den ukrainischen Flüchtlingen kommen viele sehr gut qualifizierte Menschen nach Deutschland. In Hamburg werden in den verschiedensten Wirtschaftszweigen Fachkräfte gesucht“, sagt eine Sprecherin der Handelskammer.

Zunächst gehe es aber um Beratung und humanitäre Hilfe. Sönke Fock von der Arbeitsagentur Hamburg gibt zu bedenken, dass vor allem Frauen geflüchtet sind, die sich vielfach zunächst um ihre eigenen Kinder kümmern müssen. „Unsere Arbeitsagenturen oder deren Servicecenter in Hamburg und Norddeutschland erhielten wenig Anfragen von geflüchteten ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, die konkret nach Jobangeboten, Sprachkursen oder Berufsausbildung anfragten.“

Klar sei aber, dass den geflüchteten ukrainischen Menschen sämtliche Dienstleistungen der Arbeitsagenturen zur Verfügung stehen. Die Inanspruchnahme dürfte erst in den nächsten Monaten zunehmen und hängt von der Integration der Kinder in Kitas und Schulen ab. Aktuell arbeiten knapp 2000 Ukrainer sozialversicherungspflichtig in Hamburg.

Welche Voraussetzungen sind für die Arbeitsaufnahme erforderlich?

Die Aufnahme einer Beschäftigung ist für geflüchtete Ukrainer sofort möglich, jedoch bedarf es einer Erlaubnis der Ausländerbehörde. „Mit der vorläufigen Bescheinigung, einer sogenannten Fiktionsbescheinigung, über das Aufenthaltsrecht nach Paragraf 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes erhalten die Personen durch die zuständige Ausländerbehörde auch die Erlaubnis zum Arbeiten“, sagt ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums.

Diese Bescheinigung überbrückt das Aufenthaltsrecht, bis die eigentliche Aufenthaltserlaubnis ausgestellt wird und muss mit dem Eintrag „Erwerbstätigkeit erlaubt“ versehen sein. Damit kann man jeder Beschäftigung in Deutschland nachgehen, also eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen, sich selbstständig machen oder in eine Berufsausbildung starten. Aber für bestimmte Berufe wie Ärzte, Lehrer oder Erzieher gibt es berufsrechtliche Zugangsbeschränkungen.

Gibt es zeitliche Fristen?

Die Regeln gelten für alle Ukrainer, die nach dem 24. Januar 2022 eingereist sind. Sie werden aber auch angewendet auf Personen, die nicht lange vor dem 24. Februar aus der Ukraine geflohen sind oder sich im Gebiet der Europäischen Union befunden haben und wegen des Krieges nicht zurückkehren können.

Bei recht früh registrierten Ukrainern kann es sein, dass bei ihnen noch keine Arbeitserlaubnis eingetragen ist. Sie können das bei der Ausländerbehörde nachholen lassen. Nach Angaben der Hamburger Innenbehörde wurden bereits rund 80 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge in Hamburg registriert, verfügen also über eine Arbeitserlaubnis.

Wie können Abschlüsse aus der Ukraine anerkannt werden?

Auf Grundlage des Anerkennungsgesetzes (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG) können in der Ukraine staatlich anerkannte und mit einem deutschen Beruf vergleichbare Abschlüsse auch in Deutschland offiziell anerkannt werden. Allerdings sind je nach Beruf unterschiedliche Stellen für die Anerkennung zuständig. Die Anerkennungsstelle der Handwerkskammer prüft, inwiefern ausländische Qualifikationen mit inländischen Berufsabschlüssen vergleichbar sind.

Sie führt auch Anerkennungsverfahren für handwerkliche Abschlüsse durch. „Schaut man auf die Berufe von Frauen, die sich bisher ihre ausländischen Abschlüsse bei uns haben anerkennen lassen, überwiegen Friseurin, Kosmetikerin, Bäckerin, Konditorin, Zahntechnikerin und Optikerin“, sagt eine Sprecherin der Handwerkskammer.

Können ukrainische Geflüchtete eine Ausbildung beginnen?

Voraussetzung für eine duale Ausbildung ist grundsätzlich nur eine Arbeitserlaubnis. Ein bestimmter Schulabschluss ist nicht notwendig. Allerdings finden Schulunterricht und Zwischen- und Abschlussprüfung auf Deutsch statt. „Insofern ist für eine erfolgreiche Ausbildung erfahrungsgemäß ein Sprachniveau von B2 notwendig“, sagt die Sprecherin der Handelskammer.

Auch die Handwerkskammer verweist auf diese Voraussetzung. Auf dem Sprachlevel B2 kann man die Hauptaussagen komplexerer Sachverhalte erfassen und sich im eigenen Fachgebiet gut verständigen. Der aktive Wortschatz ist ausreichend für mühelose Unterhaltungen mit Muttersprachlern. Die Ausbildungen in vielen Berufen beginnen am 1. August oder am 1. September und dauern zwischen zwei und drei Jahre.

Wer sprachlich noch nicht ganz fit ist, kann dennoch mit einer Ausbildung starten. „Dafür bietet sich eine vorbereitende Maßnahme in Form einer Einstiegsqualifizierung (EQ) an“, sagt die Sprecherin der Handelskammer. Dieses sechs- bis zwölfmonatige Praktikum im Vorfeld der eigentlichen Ausbildung gibt es auch mit spezieller Sprachförderung für Zugewanderte.

Bei der Vermittlung hilft der Verein Ausbildungsförderung der Hamburger Wirtschaft (www.hk24.de/eq) weiter. Wer eine Ausbildung aufnimmt, kann seinen Aufenthaltstitel nach Paragraf 16a Aufenthaltsgesetz (zum Zwecke der Berufsausbildung und für die Dauer der Berufsausbildung) verändern. Dies muss bei der Ausländerbehörde beantragt werden.