Berlin. Wirtschaftsminister Habeck will den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen – “zu Wasser, zu Land und auf dem Dach“.

Robert Habeck hält einen dicken Stapel Papier in die Höhe. Insgesamt 600 Seiten umfassen die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums zur Energiewende – das sogenannte Osterpaket. In dem Konvolut werden zahlreiche Gesetze und Vorschriften angepasst, um den Ausbau der erneuerbaren Energien "zu Wasser, zu Land und auf dem Dach" umfassend zu beschleunigen.

Für die Änderungen gibt es eine "doppelte Dringlichkeit", sagt der Grünen-Politiker: Zum einen verschärfe sich die Klimakrise, zudem zeige der Einmarsch Russlands in die Ukraine, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden müsse. Die Vorlagen wurden am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen und müssen nun ins parlamentarische Verfahren. Wirksam können sie erst danach werden. Die wichtigsten Vorhaben:

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Mittwoch das sogenannte Osterpaket vorgestellt – ein insgesamt 600 Seiten umfassendes Konvolut mit Vorschlägen zur Energiewende.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Mittwoch das sogenannte Osterpaket vorgestellt – ein insgesamt 600 Seiten umfassendes Konvolut mit Vorschlägen zur Energiewende. © dpa | Michael Kappeler

Wie soll Strom künftig erzeugt werden?

Der Strombedarf in Deutschland wird weiter wachsen. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Verbrauchs von geschätzt 750 Terawattstunden (TWh) aus erneuerbaren Energien erzeugt werden – insbesondere aus Windkraft und Photovoltaik. Lesen Sie auch: Ukraine: Bekommt Deutschland bald grüne Energie aus Nahost?

Im Jahr 2035 soll nahezu der gesamte inländische Strom treibhausneu­tral gewonnen werden. 2021 betrug der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung 41,1 Prozent. Wasserkraft spielt wegen der geologischen Struktur im Gegensatz zu Österreich oder Norwegen hierzulande eine geringe Rolle.

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Wie wird der Ausbau vorangetrieben?

Jedes Bundesland soll dazu verpflichtet werden, zwei Prozent seiner Flächen für erneuerbare Energien bereitzustellen. Der Ausbau der Erneuerbaren sowie der Netzausbau sollen beschleunigt, Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Bei Windenergie an Land sollen pro Jahr zehn Gigawatt (GW) hinzukommen, sodass 2030 rund 115 GW Windleistung installiert sind. Bei Solarenergie wird der Ausbau auf 22 GW pro Jahr gesteigert, sodass die Solar-Leistung dann auf 215 GW klettert. Auf See sollen bis 2030 mindestens 30 Gigawatt installiert sein.

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    Welchen Wert haben die Erneuerbaren?

    Die erneuerbaren Energien erhalten erstmals den Status, "im überragenden öffentlichen Interesse" zu liegen und der öffentlichen Sicherheit zu dienen. Dies ergibt sich auch aus der Erkenntnis, dass die Abhängigkeit von Russland Deutschland im Zuge des Ukraine-Krieges in eine Sackgasse geführt hat. Die erneuerbaren Energien sind auch notwendig, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Auch interessant: Klimawandel: Können wir ohne Russland das Klima retten?

    Welche Gesetze werden geändert?

    Mit den Änderungen soll der Bürokratieaufwand erheblich abgebaut und so Kosten von 3,2 Millionen Euro eingespart werden. Geändert werden etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).

    Wie werden Solaranlagen gefördert?

    Die Rahmenbedingungen zur Installation von Photovoltaikanlagen sollen vereinfacht werden. Neue Dachanlagen, die ihren Strom vollständig in das Netz einspeisen, erhalten wieder eine "auskömmliche Förderung" von bis zu 13,8 Cent/kWh.

    Sehr große Dachanlagen werden über Ausschreibungen gefördert. Wer den Strom selbst verbraucht, bekommt etwas weniger Fördergeld.

    Was ändert sich für Bürgerwindparks?

    Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften sollen von Ausschreibungen ausgenommen werden und dadurch unbürokratisch realisierbar sein. Zudem soll ein neues Förderprogramm dafür aufgesetzt werden.

    Windräder in Pfeffenhausen: Jedes Bundesland soll zwei Prozent seiner Flächen für erneuerbare Energien stellen.
    Windräder in Pfeffenhausen: Jedes Bundesland soll zwei Prozent seiner Flächen für erneuerbare Energien stellen. © picture alliance / Jens Niering | Jens Niering

    Was ändert sich für Verbraucher?

    Durch den Wegfall der EEG-Umlage werden die Verbraucher entlastet und ihre Rechte als Stromkunden bei Kündigungen gestärkt. Das Osterpaket kostet den Steuerzahler laut Habeck "wenig". Die Finanzierung erfolgt aus dem Sondervermögen "Energie- und Klimafonds". Die Anlagen und Leitungen würden von privaten Investoren und Unternehmen finanziert. Mehr zum Thema: Neue Heizung: So will Ministerin Geywitz Verbrauchern helfen

    Was sagen Wirtschaft und Verbände?

    Die Maßnahmen stoßen in der Wirtschaft, Wissenschaft und bei Umweltverbänden vornehmlich auf Zustimmung. "Mit dem Osterpaket packt die Bundesregierung an den richtigen Enden an. Bei der Förderung und den Anreizen für mehr erneuerbare Energien ist jedoch noch Luft nach oben", sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, unserer Redaktion.

    Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sieht darin einen "wichtigen Meilenstein für die Umsetzung der Energiewende". Allerdings müsste die "Eigenversorgung mit Solarenergie deutlich bessergestellt werden."

    Die Klimachefin des WWF, Viviane Raddatz, sieht im massiven Ausbau einen der "wichtigsten Bausteine zum Erreichen der Pariser Klimaziele".