Hamburg. Auch in der Pandemie war die Auslastung der gemieteten Arbeitsplätze hoch. Aber das Eventgeschäft brach weg. Nun gibt es neue Projekte in Hamburg.
Katarina Talanga lacht. „Uns fehlen noch Betten. Wer zu uns kommt, muss eigentlich nur noch zum Schlafen nach Hause“, sagt die Leiterin des Hamburger Ding am Nobistor. Zu den Coworkingbüros gehören ein 60 Quadratmeter großer Fitnessbereich mit Technogym-Geräten, Duschen, eine E-Sports-Arena, Konferenzräume, Eventflächen. Die mietbaren Arbeitsplätze nehmen natürlich den Großteil der Fläche in dem Haus auf St. Pauli ein – und wurden in der Pandemie trotz Homeoffice-Anordnung gut angenommen. „Mit der Auslastung im Bereich Coworking sind wir sehr zufrieden“, sagt Talanga.
Das Hamburger Ding eröffnete im Sommer 2019. Tomislav Karajica, Hauptgesellschafter des Basketball-Bundesligaklubs Hamburg Towers, baute mit seiner Immobilienfirma Imvest das Gebäude. Karajica brachte mit Edel Optics einen Mieter gleich mit. An dem Optiker ist der Geschäftsmann beteiligt. Die Auslastung sei stetig gestiegen. Dann kam Corona. Doch zu einem Einbruch bei den Coworking-Plätzen, die zum Beispiel für einen Tag 24 Euro kosten sei es nicht gekommen. „Wir haben keine großen Abgänge gehabt. Stattdessen kamen Firmen und Start-ups zu uns. Die Beschäftigten hielten es zu Hause nicht mehr aus und sagten: ,Ich muss hier raus‘“, sagt Talanga, die beim Hamburger-Ding-Betreiber Home United angestellt ist, der ebenfalls zu Karajicas Firmen gehört.
70 Prozent der Schreibtische vermietet
Rund 300 mietbare Arbeitsplätze gibt es im Hamburger Ding. In einer durchschnittlichen Arbeitswoche seien zwischen 50 und 70 Prozent belegt. Montags mehr als freitags, wenn viele zum Einläuten des Wochenendes von zu Hause arbeiten. In der Pandemie verzichteten allerdings viele Unternehmen darauf, ihre Arbeitnehmer jeden Tag ins Coworkingbüro zu schicken. So konnten Abstände besser eingehalten werden. Und die Betriebe konnten die Verpflichtung mancher Beschäftigter bei der Kinderbetreuung besser erfüllen. Denn mehr als 200 der Plätze liegen im sogenannten Private-Office-Bereich. Heißt: Die Mieter sind keine Privatpersonen, sondern Firmen, die 500 Euro pro Platz im Monat zahlen und langfristig bleiben wollen. Im Private-Office-Bereich sei man derzeit zu 100 Prozent ausgelastet, sagt Talanga: „Kündigungen von Firmen erwarten wir nicht. Derzeit führen wir sogar eine Warteliste.“
Eine ähnliches Bild ergibt sich beim Betahaus, das 2010 Pionier der Szene in der Hansestadt war. „Bei den Arbeitsplätzen hat sich die Nachfrage während der Pandemie gesteigert, was wir gar nicht so erwartet hätten. Wir sind seit einigen Wochen voll ausgebucht“, sagt Geschäftsführer und Mitgesellschafter Robert Beddies. Während der Pandemie habe die niedrigste Auslastung der rund 300 Arbeitsplätze im Betahaus in der Schanze und der 100 im neuen Objekt Finhaven in der HafenCity bei etwa 80 Prozent gelegen. Der Haken: „Das Veranstaltungsgeschäft war komplett tot. Das war sehr dramatisch“, sagt Beddies.
Events bringen 50 Prozent Umsatz
Denn zum Konzept der Coworking-Anbieter gehören auch Events. Etwa die Hälfte des Umsatzes mache man mit Veranstaltungen, heißt es. „Der Wegbruch des Veranstaltungsgeschäfts war so groß, dass wir zwei Jahre nicht auf eigenen Beinen gestanden haben. Wir haben stark von den Überbrückungshilfen profitiert“, sagt Beddies. Die knapp 20 Beschäftigten mussten mehrere Monate in Kurzarbeit. Mittlerweile ist die staatlicher Lohnersatzzahlung allerdings kein Thema mehr im Betahaus.
Geld verdiene man aber derzeit operativ nicht – weil das Eventgeschäft weiterhin bei fast Null liege. Doch mit den Lockerungen der Corona-Regelungen sollte es wieder deutlich aufwärts gehen. Die ersten Anfragen für Veranstaltungen seien eingetrudelt, sagt Beddies: „Wir erhoffen uns jetzt eine Wiederbelebung des Veranstaltungsgeschäfts.“ Sei es, dass Firmen nach langer Corona-Pause das Wiedersehen der Beschäftigten feiern wollen. Oder Treffen abhalten, um den Teamgedanken zu stärken oder Manager in anderer Umgebung zu neuen Ideen zu inspirieren.
Coworking kann Pandemie-Gewinner sein
Perspektivisch könnten die Coworkinganbieter zu Gewinnern der Pandemie werden. Der klassische Arbeitsplatz werde nicht mehr lange existieren, glaubt Beddies. Dank Laptop und Smartphone können Beschäftigte überall arbeiten. Das Homeoffice hat dem mobilen Arbeiten Tür und Tor geöffnet und das Kundenpotenzial vervielfacht. Früher nutzten vor allem Selbstständige und Start-ups Coworkingflächen. Nun seien es im Prinzip alle, die nicht in der Produktion tätig seien. Und Unternehmen können profitieren, indem sie die Büroflächen verkleinern und dadurch Mietkosten sparen. Der physische Arbeitsort müsse Begegnungen, Kreativität und das Entstehen eines Teamgefühls ermöglichen. Da sehen sich die Anbieter der vermieteten Büros mit den Gemeinschaftsflächen gut aufgestellt. „Coworkingspaces werden in Zukunft eine wachsende Bedeutung haben“, sagt Beddies.
So habe er während der Pandemie auch reges Interesse an seinem neuen Objekt registriert. Das Alte Finanzamt an der Großen Bergstraße in Altona soll gekauft und in einen „Kreativstandort“ mit mehr als 6000 Quadratmetern Nutzfläche umgewandelt werden. Das Besondere: „Die Mietenden sollen Besitzer des Gebäudes werden. Dadurch soll das Thema Mietspekulation und Rendite in der Projektentwicklung ausgegrenzt werden“, sagt Beddies. Dahinter stehe eine Genossenschaft, die die Hälfte des benötigten Geldes eingesammelt habe. In diesem Sommer soll eine Ladenzeile abgerissen werden. Die Eröffnung sei für Ende 2023 geplant.
WeWork plant weiteren Standort in Hamburg
Noch in diesem Jahr will der Branchengigant WeWork seinen vierten Standort in Hamburg eröffnen. Laut Webseite sollen ab Juli an der Gerhofstraße private Büros und eigene Schreibtische zum Mieten bereit stehen. Auf eine Abendblatt-Anfrage dazu reagierte der US-Konzern mit weltweit mehr als 800 Standorten nicht.
Auch das Hamburger Ding soll Geschwister bekommen. So ist in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ein Kieler Ding geplant, das Ende 2022 den Betrieb aufnehmen soll. Auch in Niedersachsen gibt es schon konkrete Planungen. „Kiel und Osnabrück stehen als künftige Standorte bereits fest. Gespräche werden auch in Dortmund, Berlin und Augsburg geführt. Wir sind auf Expansionskurs“, sagt Talanga.
Für das Hamburger Ding hofft sie in den nächsten Wochen ebenso wie Beddies vom Betahaus auf ein Wiederanziehen des wichtigen Veranstaltungsgeschäfts. Nach einem guten Sommer und Frühherbst 2021 mit relativ vielen Teammeetings und Workshops brachen die Buchungen dafür mit hochschnellenden Inzidenzen und verschärften Maßnahmen im Anschluss wieder ein. Für dieses Jahr gebe es nun aber wieder vermehrt Anfragen. „Wir erwarten einen Anstieg, wenn die Corona-Regelungen gelockert werden“, sagt Talanga und ergänzt: „Die Kunden freuen sich darauf, wieder zu uns zu kommen.“