Hamburg. Kreditkosten verteuern sich. Wer demnächst eine Anschlussfinanzierung braucht, kann ein Forward-Darlehen abschließen. Wann das lohnt.
Immobilienkäufer wissen, was ihr Haus oder ihre Wohnung an Kreditrate im Monat kosten. Aber zu welchen Zinsen hatte man den Kredit abgeschlossen? Da müssen viele schon passen, wenn seit der Erstfinanzierung einige Jahre vergangen sind. Doch jetzt sollten sich Immobilienkäufer wieder erinnern, wie ihre Ausgangssituation war. Denn die lange Phase niedriger Bauzinsen geht zu Ende.
Seit Wochen steigen die Konditionen für Finanzierungen. Das ist nicht nur ein Problem für Hamburgerinnen und Hamburger, die noch immer verzweifelt nach einer Immobilie suchen. Wer sich erst in zwei oder drei Jahren um eine Anschlussfinanzierung nach Ende der Laufzeit seines Kreditvertrags kümmern muss, läuft Gefahr, dass die Kosten dann deutlich höher sind.
Mit sogenannten Forward-Darlehen können sich Immobilienbesitzer das aktuelle Zinsniveau schon Jahre im Voraus sichern – allerdings mit einem Aufschlag. Das Abendblatt hat mit Experten für drei Fallbeispiele berechnet, was ein solches Forward-Darlehen kostet und ob es sich lohnt. Wie werden sich die Bauzinsen entwickeln? Wie funktioniert ein Forward-Darlehen? Was muss ich beachten? Antworten die wichtigsten Fragen.
Wie stark steigen die Bauzinsen?
Selbst Experten sind alarmiert. „In wenigen Wochen sind die Bauzinsen um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Gerade wurde die 1,5-Prozent-Marke für zehnjährige Baudarlehen geknackt“, sagt Mirjam Mohr vom Baugeldvermittler Interhyp. Was nach wenig klingt, hat angesichts der enormen Kreditsummen die Käufer von Hamburger Immobilien aufnehmen, große Auswirkungen auf die monatliche Rate.
Im Schnitt verschulden sie sich die Hamburger bei der Erstfinanzierung mit rund 525.000 Euro. Wer dafür jetzt einen Kredit über zehn Jahre abschließt, zahlt schon jetzt 300 Euro mehr im Monat als zu Beginn des Jahres. Für eine 15-jährige Baufinanzierung kratzen die Konditionen jetzt an der zwei-Prozent-Marke. Vor einem Jahr war es noch nicht einmal die Hälfte.
Werden die Zinsen weiter steigen?
Angesichts der geopolitischen Unsicherheit durch Putins Krieg in der Ukraine sind die Prognosen schwierig. Die Zinsen befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen hohem Inflationsdruck und gedämpften wirtschaftlichen Aussichten. Noch ist nicht ausgemacht, wie entschieden die Europäische Zentralbank mit Zinsanhebungen die Inflation bekämpfen wird.
Kurzfristig kann es zu stärkeren Schwankungen nach oben wie nach unten bei den Konditionen für Baufinanzierungen kommen, erwartet Michael Neumann vom Baugeldvermittler Dr. Klein. „Über die nächsten ein oder zwei Jahre werden wir mit ziemlicher Sicherheit ein höheres Zinsniveau für Baufinanzierungen sehen“, sagt er.
Was bringt ein Forward-Darlehen?
Wer in den nächsten Jahren weiter steigende Zinsen erwartet, kann sich mit einem Forward-Darlehen bei einer bereits bestehenden Finanzierung die aktuellen Zinsen bis zu fünf Jahre im Voraus sichern. Die Bank berechnet dafür einen Zinsaufschlag. Die Höhe hängt von der Marktlage und der Vorlaufzeit ab. Für jeden Monat, der bis zur Auszahlung des Forward-Darlehens vergeht, berechnen Banken einen Aufschlag von 0,01 bis 0,05 Prozent. Am Ende ist aber für den Kunden nicht der Aufschlag relevant, sondern der neue Gesamtzins. Anschlussfinanzierer sind in einer komfortablen Situation: Sie haben einen Teil der Immobilie schon abgezahlt, die gleichzeitig deutlich an Wert gewonnen hat.
Ein 2013 in Hamburg gekauftes Einfamilienhaus (120 Quadratmeter Wohnfläche, ortsübliches Grundstück) ist heute 60 Prozent mehr wert als zum Kaufzeitpunkt. Das Verhältnis zwischen Immobilienwert und Restdarlehen ist also wesentlich günstiger als bei einer Erstfinanzierung. „Das schlägt sich auch in den Zinskonditionen nieder“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung.
Dennoch kann niemand ausschließen, dass die Zinsen bis zum tatsächlichen Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung wieder gesunken sind. Je länger der die Vorlaufzeit ist, desto unwägbarer wird eine Voraus-Finanzierung. „Es sollte einem klar sein, dass man eine Wette auf die künftige Zinsentwicklung eingeht“, sagt Herbst.
Forward-Darlehen nur beim bisherigen Kreditgeber?
Ein solcher Vertrag Darlehen kann auch mit einer anderen Bank abgeschlossen werden. „Dann wird die Immobilie neu bewertet, was häufig zu günstigeren Konditionen führt“, sagt Herbst. Ein Bankwechsel ist zwar wegen der Umschreibung der Grundschuld mit zusätzlichen Kosten verbunden. Aber die sind mit einigen hundert Euro überschaubar.
Ist man an ein Forward-Darlehen gebunden?
Ja, das kann man nicht einfach wieder abbestellen, wenn später die Zinsen doch günstiger sind, als in diesem Kreditvertrag vereinbart. Andernfalls hat das Kreditinstitut einen Rechtsanspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung. Wie teuer das wird, hängt vom Zinsniveau zum Kündigungszeitpunkt ab.
Was sollte man beachten?
„Man muss sich zunächst einen Überblick verschaffen, welcher Betrag künftig finanziert werden soll“, sagt Alexander Krolzik, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Je weiter dieser Zeitpunkt in der Zukunft liegt, umso schwieriger lässt sich das bestimmen. Angenommen der Kreditnehmer nimmt sich vor, noch hohe Sondertilgungen zu leisten, kann das aber dann doch nicht stemmen, so hat er im Forward-Darlehen mit einer zu geringen Kreditsumme abgeschlossen.
Auch Krankheit, Tod oder Scheidung können die gesamte Zukunftsplanung verändern. In jedem Fall sollte man mehrere Forward-Angebote prüfen, denn die Spanne der Konditionen ist groß. Bei der Anschlussfinanzierung in der Beispielrechnung für eine Eigentumswohnung (siehe Grafik) liegt der neue Zinssatz bei 15-jähriger Zinsbindung inklusive Forward-Aufschlag bei den fünf günstigsten Anbietern bei 1,99 Prozent. Das teuerste Kreditinstitut verlangt 2,30 Prozent.
Wann „rechnet“ sich ein Forward-Darlehen?
Rein rechnerisch zahlt es sich nur aus, wenn der im Voraus vereinbarte Zins zum Zeitpunkt der tatsächlichen Umschuldung niedriger ist als der dann aktuelle Zinssatz. Je größer die Differenz, desto mehr hat es sich das Forward-Darlehen gelohnt. Es gibt aber auch noch andere Aspekte. „Viele wollen die Unsicherheit für die Anschlussfinanzierung ausschließen“, sagt Krolzik. Das Abendblatt hat in drei Fällen nachgerechnet, was ein Forward-Darlehen jetzt für eine Umschuldung in einem, in zwei und in fünf Jahren kostet (siehe Grafik).
Beispiel 1: Einfamilienhaus, Anschlussfinanzierung 2023
Wer Mitte 2013 ein Einfamilienhaus in Hamburg kaufte, zahlte damals noch über drei Prozent an Zinsen. Wenn er jetzt bereits die Zinsen in der weiteren Zukunft festzurrt, kann er nicht viel falsch machen. Es sei denn, es kommt noch zu einem heftigen Zinsrückgang, den aber Experten nicht erwarten. Aktuell ist der Zinssatz inklusive Forward-Aufschlag 1,74 Prozent für eine Zinsbindung von 15 Jahren.
Damit liegt er auf Grund des für die Bank günstigen Verhältnisses zwischen Kredit und Immobilienwert noch unter dem Durchschnittszins für eine 15-jährige Zinsbindung in Höhe von 1,92 Prozent. Zusätzlich hat der Besitzer die Tilgung auf vier Prozent verdoppelt und bleibt bei seiner neuen Monatsrate rund 200 Euro unter der bisherigen Belastung. „Das gesparte Geld sollte in Sondertilgungen fließen“, rät Krolzik.
Beispiel 2: Eigentumswohnung, Anschlussfinanzierung 2024
Bei der Mitte 2014 gekauften Eigentumswohnung fällt der künftige Zins mit 1,99 Prozent höher aus, weil die Anschlussfinanzierung erst in zwei Jahren fällig wird. Die künftige Monatsrate liegt rund 20 Prozent über der bisherigen, weil sich der Immobilienbesitzer entschieden hat, in der neuen Zinsbindungsfrist von 15 Jahren seine Wohnung komplett abzubezahlen. „Wenn das Einkommen gestiegen ist, spricht nichts gegen eine solche Lösung“, sagt Krolzik.
Beispiel 3: Einfamilienhaus, Anschlussfinanzierung 2027
Fünf Jahre sind ein schwer vorhersehbarer Zeitraum. Bis dahin kann viel passieren, bei den Zinsen wie bei den persönlichen Umständen. „Für den Großteil der Besitzer kommt ein Forward-Darlehen mit dieser Vorlaufzeit nicht in Frage“, sagt Krolzik. Nur wer ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis hat und gut abgesichert ist wie etwa Beamte kann darüber nachdenken, sich die Garantie zu erkaufen, dass seine Finanzierungsrate in fünf Jahren nicht höher als jetzt ausfällt.
Kann man sich die aktuellen Zinsen ohne Aufschlag langfristig sichern?
Ist die Anschlussfinanzierung in den nächsten sechs Monaten fällig, kann man mit der Bank über die Fortführung zu den aktuellen Konditionen verhandeln. Sie hat in der Regel auch ein Interesse daran, das Vertragsverhältnis fortzuführen, wenn die Konditionen für sie gut sind. Wer zuvor ein Angebot einer anderen Bank eingeholt hat, der ist in einer guten Verhandlungsposition.