Hamburg. Hamburger Händler verzeichnen gute Geschäfte. Kunden müssen sich auf Mondpreise und lange Lieferzeiten gefasst machen. Woran das liegt.
Gleich zwei traditionsreiche Autohäuser im Norden haben in diesen Tagen für immer geschlossen. Nach 30 Jahren gibt Renault Pape in Pinneberg auf. Und auch Ford Bunge in Bönningstedt hat vor wenigen Wochen das Aus für den Betrieb bekannt gegeben. Bei Pape spielten gesundheitliche Gründe eine Rolle, bei Ford Bunge sei das Ende schon länger geplant gewesen, bereits seit Jahren, heißt es aus der Inhaberfamilie.
Es war jedenfalls nicht die Pandemie, die den Betrieben in der Region den Todesstoß versetzt hat. Die Zahl der Autos nimmt weiter zu, vielleicht auch, weil die Verbraucher mit Blick auf das Virus lieber ins eigene Auto steigen als in überfüllte Busse: So waren 2021 bundesweit 48 Millionen Pkw zugelassen – 14 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.
Auto kaufen: Geschäfte für Autohäuser laufen gut
Die Autohäuser haben zwar auch Lockdowns hinter sich und dürfen momentan nur Geimpfte und Genesene in die Verkaufsräume lassen. Dennoch laufen die Geschäfte gut. Und sie sind geprägt von mehreren außergewöhnlichen Faktoren: Kunden müssen mit (sehr) hohen Preisen rechnen, Materialengpässe verlängern die Lieferzeiten bei Neufahrzeugen, Gebrauchtwagen sind gefragt wie selten zuvor. Der Grund: Die Kunden wollen mehr Autos kaufen, als die Industrie produzieren kann.
„Das Geschäft läuft, wenn man die Gesamtumstände wie 2G im Schauraum bedenkt, zum Glück sehr erfreulich“, sagt Thomas Reher, Verkaufsleiter bei Hugo Pfohe, die Fabrikate wie Ford, Mazda, Kia oder Land Rover vertreten. „Die Auftragsbücher sind sehr gut gefüllt. Wir erwarten in diesem Jahr sehr viele Auslieferungen bei Neuwagen“, ergänzt Reher. Von einem „sehr lebhaften Jahresendspurt“ spricht auch Michael Babick, Geschäftsführer der Krüll Motor Company, die Marken wie Ford oder Volvo anbieten. Auch in den Niederlassungen von BMW in Hamburg ist man mit dem Geschäftsjahr „sehr zufrieden“.
„Gebrauchtwagen sind derzeit so teuer wie noch nie“
Bedingt durch die weltweite Rohstoffknappheit sind derweil die Kapazitäten der Autofabriken reduziert worden. Neue Wagen wurden im vergangenen Jahr dadurch weniger zugelassen. „Aber der Verkauf von Gebrauchtwagen läuft überdurchschnittlich gut“, berichtet Reher über die Lage bei Pfohe.
Entsprechend steigen die Preise. „Gebrauchtwagen sind derzeit so teuer wie noch nie“, sagt Martin Weiss vom Marktbeobachter DAT. „Die Verteuerung liegt oft bei 5 bis 15 Prozent. In Einzelfällen kann es auch deutlich mehr sein. Es ist schon verrückt, was man da sieht.“ Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Centers Automotive Research (CAR) in Duisburg, spricht sogar von „Mondpreisen“ für ältere Autos.
„Momentan haben wir weniger Gebrauchtwagen als Kunden“
Die Gründe für die Teuerung sind vielfältig. „Es sind einfach sehr viel weniger Autos in den Markt gekommen“, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). „Schon das zweite Jahr hintereinander fehlen Neuzulassungen von Dienstwagen, Tageszulassungen und Mietwagen, die normalerweise relativ schnell als junge Gebrauchte in den Markt kommen“, erklärt er den Mechanismus. Die Folge: „Momentan haben wir weniger Gebrauchtwagen als Kunden.“ Eine schnelle Entspannung sei nicht in Sicht – schon alleine weil die fehlenden Neuwagen von heute in Zukunft auf dem Gebrauchtmarkt fehlen werden.
Dudenhöffer beobachtet zudem, dass die Verbraucher beim Kauf von Neuwagen kaum mit Nachlässen rechnen können. Das Jahr 2021 sei mit den höchsten Nettopreisen im deutschen Automarkt zu Ende gegangen. „Und wir rechnen damit, dass die Tendenz der hohen Preise und niedrigen Rabatte sich auch Anfang des neuen Jahres fortsetzen wird“, schätzt Dudenhöffer.
Lange Lieferzeiten zu erwarten
In jedem Fall werden sich die Käufer in Geduld üben müssen. „Bedingt durch die vollen Auftragsbücher steigen selbstverständlich die Lieferzeiten. Eine pauschale Aussage je Fabrikat und Modell ist leider nicht möglich, ich empfehle aber, sich sehr frühzeitig mit einem Neukauf zu beschäftigen“, sagt Thomas Reher von Pfohe, die an neun Standorten im Norden vertreten sind. Bei Krüll erreichen die Lieferzeiten „neben wenigen sofort verfügbaren Modellen drei bis 18 Monate“, ergänzt Babick von der Gruppe, die in Hamburg, aber auch in Rostock und Lüneburg Autos verkauft.
Für eilige Käufer empfiehlt Dudenhöffer die Abo-Angebote der Hersteller, die alle Kosten in der Monatsrate enthalten, außer Kraftstoff. „Wer schneller einen Neuwagen will, sollte sich bei den Auto-Abos umschauen“, sagt der Branchenkenner über die Alternative zum Autokauf oder Leasing, die seit einigen Jahren verstärkt angeboten wird. Dabei gebe es auch einige Schnäppchen.
Autobauer müssen Produktion drosseln
Grund für die Verzögerungen in der Industrie ist vor allem die schleppende Elektronikversorgung. Einen Teil der Schuld müssen sich die Autobauer selbst zuschreiben: Am Höhepunkt der Absatzflaute zu Anfang der Pandemie stornierten sie Verträge mit Chipproduzenten, bei denen dann noch eigene Probleme hinzukamen. Nun müssen sie ihre Produktion drosseln.
Der VW-Konzern, bei dem die Auslieferungen im Herbst um ein Drittel unter dem Vorjahr lagen, nimmt an, dass sich die Chipkrise bis Mitte 2022 zieht. „Momentan haben wir ein bisschen Probleme mit der Verfügbarkeit“, musste VW-Chef Herbert Diess kürzlich eingestehen. Insgesamt ist die deutsche Autoproduktion wegen der Engpässe im vergangenen Jahr um knapp ein Fünftel gesunken. Dabei hatte der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) für 2021 ursprünglich mit einem Aufschwung der Fertigung von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr gerechnet.
Klimaverträgliche Modelle besonders gefragt
Besonders beliebt sind hierzulande derzeit klimaverträgliche Modelle, auch wegen der Förderung. Erstmals sind 2021 in Deutschland mehr Elektroautos als neue Diesel-Fahrzeuge auf die Straße gekommen. Der deutsche Markt fährt mit den nachhaltigen Wagen in Europa sogar an die Spitze: In Deutschland wurden bis Oktober 267.000 Fahrzeugbriefe für batterieelektrische Wagen ausgestellt – also für jedes dritte in Europa neu zugelassene E-Fahrzeug.
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Das ist ein Zuwachs von 120 Prozent gegenüber 2020, den man auch in Hamburg spürt: „Das Interesse an Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen nimmt täglich zu“, sagt Babick von Krüll. Auch bei BMW in der Hansestadt sehen die Verkäufer eine „weiter deutlich ansteigende Nachfrage“ nach E-Autos. Das Tesla Model 3 und Y, aber auch Hyundai Kona, Porsche Taycan, Mercedes EQA, Skoda ENYAQ und VW ID3 sind Renner bei Elektroautos, fasst Dudenhöffer zusammen.
Auto kaufen: „SUV bleiben die Lieblinge der Käufer“
Die staatlichen Kaufanreize für die Klimaschoner bleiben den Kunden erst einmal erhalten. Die jetzigen Zuschüsse wurden kürzlich bis Ende 2022 verlängert. So gibt es auch im neuen Jahr eine „Innovationsprämie“ von bis zu 9000 Euro für rein elektrische Autos und bis zu 6750 Euro für Hybride, die man per Stecker lädt (Plug-in). Ziel der Ampel-Koalition sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.
So nachhaltig viele Konsumenten unterwegs sind, so ungebrochen ist die SUV-Welle, die in den späten 1990er-Jahren von den USA ausging. „SUV bleiben die Lieblinge der Käufer“, sagt Dudenhöffer mit Blick auf die häufig klobigen geländegängigen Wagen. „Fast 40 Prozent betrug der SUV-Anteil in den letzten Monaten“, hat der Autoprofessor errechnet. „Unglaublich, aber profitabel für Händler und Hersteller“.