Hamburg. Privatleute können durch das Unternehmen Onlogist ihren Wagen zum Beispiel in die Werkstatt bringen oder den neuen Pkw abholen lassen.

Bei manchen Unternehmen liegt es auf der Hand, warum sie seit Beginn der Corona-Pandemie mehr Geschäfte machen. Nicht ganz so offensichtlich ist das bei Onlogist, einem Hamburger Online-Marktplatz für Überführungsfahrten. „Wir haben in der Corona-Zeit die Zahl der Kunden verdoppelt“, sagt Felix Müller, der die Firma im Jahr 2015 zusammen mit Geschäftspartner Moritz Pagendarm gegründet hat.

Zwar litten Autovermieter, für die Onlogist die Rückholung von Fahrzeugen aus dem Ausland organisiert, unter der Abnahme von Geschäfts- und Privatreisen. Doch dafür arbeiteten immer mehr große Autowerkstattketten wie A.T.U, Vergölst oder Carglass, deren Kunden ihren Wagen für den Servicetermin abgeholt und zurückgebracht bekommen möchten, mit den Hamburgern zusammen.

Und so funktioniert der Online-Marktplatz: Firmen wie die Autovermieter stellen Fahraufträge in die Datenbank ein, ausgeführt werden die Aufträge von gut 500 Fahrdienstunternehmen – einige davon mit 20 bis 50 Beschäftigten – sowie 5000 bis 6000 selbstständigen Dienstleistern. Nach Müllers Angaben werden über das System, das auch auf dem Smartphone nutzbar ist, 80 Prozent aller neu eingestellten Transportauf­träge innerhalb von weniger als zehn Minuten­ vergeben. Die App schlägt auf Basis von gespeicherten Erfahrungswerten einen Preis vor, Auftraggeber und Dienstleister können sich jedoch in einer Art Auktion auf einen abweichenden Preis einigen.

Mit einem ganz neuen Angebot will Müller nun die Zahl der vermittelten Fahrten – zuletzt rund 400.000 pro Jahr – und der Kunden noch deutlich weiter steigern: Seit wenigen Wochen ist das zusätzliche Portal auto-bringen.de, das sich nicht zuletzt an Privatkunden richtet, im Testbetrieb. Müller beschreibt einen möglichen Anwendungsfall: „Urlauber, die ihr Auto nicht wochenlang teuer am Flughafen parken möchten, können es über unser Portal wieder nach Hause transportieren lassen.“

Warum die Gebrauchtwagenportale boomen

Auch die neue App bietet dem Kunden einen Festpreis, auf den sich Auftraggeber und Fahrdienstleister auf Basis der Kosten vergleichbarer bisheriger Touren geeinigt haben, sie ist aber weniger komplex als das für Großkunden ausgelegte Onlogist-System. Ein weiteres Einsatzfeld für das neue Angebot, das im Januar offiziell starten soll: „Weil der Chip-Mangel zu stark verlängerten Lieferzeiten von Neufahrzeugen führt, boomen die Gebrauchtwagenportale“, sagt Müller, „aber in vielen Fällen findet man das Wunschauto nicht in der Nähe und möchte es nicht selber aus einer weiter entfernten Stadt abholen.“ Lasse man dies durch einen Fahrdienstleister erledigen, könne der Suchradius deutlich größer werden.

Gemessen an einem Gebrauchtwagenpreis im vier- oder fünfstelligen Bereich sei beispielsweise eine Überführung von Münster nach Hamburg mit rund 200 Euro nicht zu teuer. Eine Fahrt von zehn Kilometern, etwa zu einer Werkstatt, kostet rund 50 Euro. Jede Tour ist unabhängig vom Pkw versichert.

„Jeder neue Wagen eines Firmenkunden bedeutet zwei Fahrten mehr“

Stärkste Triebfeder des Wachstums von Onlogist mit aktuell knapp 20 Beschäftigten ist nach Angaben von Müller allerdings weiter der Erfolg der Auto-Abo-Anbieter, die zuletzt als Auftrag­geber immer wichtiger geworden sind. Diese Firmen stellen ihren Kunden das Auto, das für mehrere Monate vermietet wird, auf Wunsch vor die Tür. Einer Studie von Roland Berger zufolge werden im Jahr 2025 in Europa schon 19 Millionen Autos zu den Flotten solcher Langzeit-vermieter gehören.

„Jeder Wagen, der bei unseren Firmenkunden neu hinzukommt, bedeutet mindestens zwei Fahrten mehr für uns“, sagt Müller. Außerdem müssten mehr und mehr dieser Autos erstmals zu einer Inspektion in die Werkstatt gebracht werden, und auch dafür finde sich der passende Dienstleister über Onlogist. Im nächsten Jahr steht darüber hinaus eine weitere Expansion in Europa auf dem Programm. In Spanien, Italien und Frankreich will man weitere Firmenkunden gewinnen, in der Schweiz steht der Markteintritt bevor.

Einer der Großkunden ist das Telekom-Flottenmanagement

Zwar ist Onlogist nach eigener Einschätzung das führende Überführungsportal in Europa. Doch das Wachstum hat Wettbewerber auf den Plan gerufen. Größere Fahrdienstleister haben eigene Quasi-Marktplätze zur Auftragsvergabe aufgebaut, das Berliner Start-up Movacar vermittelt gar Überführungsfahrten für Mietwagenfirmen ohne Bezahlung, sondern für eine Proforma-Mietgebühr von 1 Euro. Die Idee: Wenn jemand ohnehin zum Beispiel von Hamburg nach Dresden reisen möchte, kann er dies nahezu kostenlos tun, indem er ein Auto dorthin überführt. Aber kein Konkurrent könne ein so breites Spektrum an unterschiedlichen Aufträgen vermitteln wie Onlogist, so Müller, zudem böten Großkunden wie das Flottenmanagement der Telekom eine stetige Grundauslastung.

Seit Beginn der Pandemie hat Onlogist jedoch nicht nur deutlich mehr Firmenkunden gewonnen, es sind auch mehr professionelle und gelegentliche Fahrdienstleister auf die Hamburger aufmerksam geworden. Zu Letzteren gehören Studenten und Rentner, die mit ihrem Senioren-Bahnticket zum Startort reisen. Ein jüngerer Gelegenheitsfahrer lobt auf der Onlogist-Webseite nicht nur die Möglichkeit, bei extrem flexibler Zeiteinteilung etwas hinzuzuverdienen: „Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass man Autos fahren kann, die man sich nicht leisten kann oder möchte.“