Berlin. 98 Gas-Grundversorger haben seit August Preiserhöhungen angekündigt. Ein Anbieterwechsel kann sich lohnen. Was dabei zu beachten ist.
„Schock“ ist ein großes Wort, aber im Zusammenhang mit den Gaspreisen taucht es häufig auf. Immerhin haben sich die Erdgas-Notierungen an der Energiebörse Leipzig seit September 2020 deutlich mehr als verfünffacht. Damit sind sie auf ein Allzeithoch geklettert.
98 Gas-Grundversorger haben ihre Preise nach Angaben des Vergleichsportals Check24 seit August bereits angehoben oder Preiserhöhungen angekündigt. Im Durchschnitt gehe es dabei um ein Plus von 17,3 Prozent, was für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) zusätzliche Kosten von 263 Euro pro Jahr bedeute.
Eine Preiserhöhung gibt den Kundinnen und Kunden allerdings auch das Recht auf eine außerordentliche Kündigung des Vertrags – und damit die Chance auf Einsparungen durch einen Anbieterwechsel. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Warum ist der Gaspreis so gestiegen?
Dafür seien mehrere Faktoren verantwortlich, sagt Claudia Wellenreuther, Energieexpertin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI): „Die Erdgasspeicher in Europa waren infolge des langen, kalten Winters 2020/21 stark entleert und konnten aufgrund der gestiegenen Nachfrage nicht vollständig wieder aufgefüllt werden.“ Denn in diesem Jahr habe die Nachfrage vor allem wegen der Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Rezession stark zugenommen.
Gleichzeitig habe sich das Angebot verknappt. Umstritten ist zudem die Rolle Russlands.Präsident Wladimir Putin dringt darauf, die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Hinzu kommt die seit Januar auch für Gas geltende CO-Bepreisung von Brennstoffen.
- Auch interessant: Rohstoff-Gigant Russland: Wie Putin den Klimawandel befeuert
Wie viel bringt ein Anbieterwechsel?
In früheren Jahren konnte man seine Gasrechnung schon einmal um rund 700 Euro jährlich senken, wenn man vom Grundversorgertarif in einen günstigeren Tarif eines anderen Anbieters wechselte. In den zurückliegenden Monaten haben sich die potenziellen Einsparungen stark verringert. Gut 150 Euro lassen sich in einem Musterhaushalt mit 20.000 Kilowattstunden pro Jahr aber nach wie vor einsparen.
- Lesen Sie auch: Innovative Heizungen: Woher die Wärme der Zukunft kommt
Was ist beim Vergleich zu beachten?
Bei den günstigsten Alternativangeboten handelt es sich in der Regel um sogenannte Bonustarife. Sie ermöglichen eine besonders hohe Ersparnis beim Anbieterwechsel. Doch diese ergibt sich meist ausschließlich aus dem einmaligen Bonus. „Das heißt: Die Gesamtkosten sind nur im ersten Belieferungsjahr so niedrig“, erklärt die Verbraucherzentrale dazu.
Hohe Arbeits- und/oder Grundpreise sorgten im zweiten Jahr für eine deutlich höhere Rechnung. „Deshalb sollten Sie bei Bonustarifen von vornherein einplanen, nach einem Jahr erneut zu wechseln“, raten die Verbraucherschützer.
- Lesen Sie dazu den Kommentar: Preisrekorde für Öl und Gas: Wird Heizen zum Luxus?
Wie funktioniert der Wechsel?
Wer noch einen Grundversorgertarif nutzt, kann den Vertrag mit einer Frist von nur zwei Wochen kündigen. Ines Rutschmann, Energieexpertin beim Verbraucherportal Finanztip, weist darauf hin, dass diese Kunden nicht einmal einen Brief schreiben müssen – laut Gesetz genüge eine E-Mail.
Hat man aber einen anderen Tarif mit dem Grundversorger abgeschlossen oder ist man zu einem anderen Anbieter gewechselt, hängt die Kündigungsfrist vom jeweiligen Vertrag ab; bei einer Preiserhöhung ist jedoch immer eine vorzeitige Kündigung möglich.
Für den Wechsel zu einem neuen Anbieter muss man diesem folgende Daten übermitteln: Name, Anschrift, Gasverbrauch und Zählernummer sowie den gewünschten Lieferstart. Der neue Lieferant übernimmt die Kündigung des bisherigen Vertrages selbst.
Was können Mieter tun?
Sie können den Lieferanten nur wechseln, wenn sie einen eigenen Gaszähler für die Wohnung haben und selber Vertragspartner eines Gasanbieters sind. Doch jeder Mieter hat das Recht, sich die Gasabrechnung des Vermieters anzusehen.
Wer glaubt, dass ein Anbieterwechsel zu deutlichen Einsparungen führen würde, kann versuchen, den Vermieter dazu zu bewegen. Die Verbraucherzentralen haben dafür einen Musterbrief vorbereitet.