Hamburg. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr ist die Zahl um fast 20 Prozent gesunken. Rund 1000 Schulabgänger noch ohne Ausbildungsplatz.
Dorothea Jalaß hat es fast geschafft. Sie ist im letzten Ausbildungsjahr zur Kfz-Mechatronikerin mit dem Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik. So ist die 22-Jährige gut gerüstet, wenn immer mehr Elektroautos in die Werkstätten kommen. Sie hofft aber auch darauf, dass noch andere Antriebstechniken wie der Wasserstoffmotor oder synthetische Kraftstoffe die Mobilität der Zukunft bestimmen werden.
Wo genau sie eines Tages arbeiten wird, weiß sie noch nicht. Ihr Ausbildungsbetrieb BMW habe dazu noch keine Entscheidung getroffen, sagt sie. Deshalb schaut sie auch schon nach anderen Arbeitgebern. Mit einem guten Abschluss sollte das kein Problem sein.
Ausbildungsmarkt: Zahl der Plätze in Hamburg sinkt
„Corona hat ein drängendes Problem der Hamburger Wirtschaft verschärft“, sagt Handelskammer-Präses Norbert Aust bei der Vorstellung der Ausbildungsmarktbilanz für 2021. „Bis 2035 fehlen voraussichtlich 127.000 Fachkräfte. Das ist mittlerweile für sechs von zehn unserer Mitgliedsbetriebe das größte Geschäftsrisiko.“ Doch mit Blick auf die Ausbildung der künftigen Fachkräfte sieht es nicht so gut aus, und die in der Handels- und Handwerkskammer organisierten Betriebe haben daran ihren Anteil. „Kontaktbeschränkungen sowie die Angst vor Ansteckung behinderten eine wirksame Berufsorientierung“, sagt Henning Albers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.
Seit Jahren sinkt in Hamburg die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze, wie die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger beklagt. 9243 Lehrstellen wurden in diesem Jahr der Arbeitsagentur gemeldet. Das sind noch einmal rund 660 weniger als im ersten Corona-Jahr 2020, und wenn man den Rückgang mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 vergleicht, dann fällt die Differenz von fast 20 Prozent an angebotenen Lehrstellen besonders krass aus. Aktuell sind noch rund 1000 Schulabgänger ohne einen Ausbildungsplatz, und nur noch 275 unbesetzte Lehrstellen stehen zur Verfügung.
Corona-Pandemie überschattete den Ausbildungsmarkt
Allerdings gab es im vergangenen Jahr noch 30 Prozent mehr unversorgte Schulabsolventen. „Ich bin überzeugt, dass sich der Hamburger Ausbildungsmarkt konsolidiert und zu alter Stärke findet“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, während der Ausbildungsbilanz in der Kfz-Innung. Immerhin wurden der Arbeitsagentur für das neue Ausbildungsjahr bereits 5800 Lehrstellen gemeldet, das sind fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr, aber noch 400 weniger als 2019.
Der Ausbildungsmarkt wurde in den Jahren 2021 und 2020 von der Corona-Pandemie überschattet. Zurückhaltung gab es auf allen Seiten: Es konnten weder Ausbildungsmessen, Schülerpraktika noch Betriebsbesuche stattfinden. Doch solche ersten Einblicke sind entscheidend für die spätere Berufswahl. Dorothea Jalaß fand Interesse am Kfz-Handwerk durch ihren Vater und machte in der neunten Klasse ein Praktikum in einem entsprechenden Betrieb. „So habe ich herausgefunden, dass es für mich der richtige Beruf ist“, sagt sie.
„Wir haben rund 800 Bewerber weniger"
Kurzarbeit in Zehntausenden Firmen mit über 150.000 Beschäftigten führten dazu, dass deutlich weniger Ausbildungsplätze angeboten wurden und auch die Zahl der offiziell registrierten Bewerber um eine Lehrstelle nahm innerhalb eines Jahres um sieben Prozent ab. „Wir haben rund 800 Bewerber weniger, die bisher aus den angrenzenden Bundesländern zur Ausbildung nach Hamburg kamen“, sagt Rainer Schult, Staatsrat in der Behörde für Schule und Berufsbildung. Rund 200 bis 300 Schüler haben wegen Lernlücken aus der Corona-Zeit die zehnte Klasse wiederholt und fallen so als Berufsanfänger aus.
Angesichts der schwierigen Lage in vielen Ausbildungsbetrieben wurde die außerbetriebliche Berufsqualifizierung auf 600 Plätze aufgestockt, sagt Schulz. Wer keinen Ausbildungsbetrieb findet, kann so dennoch eine duale Ausbildung beginnen und wird später in der Regel in einen Ausbildungsbetrieb vermittelt. „360 dieser Plätze sind noch frei“, sagt Schulz. Die außerbetriebliche Ausbildung kann auch ein Ausweg sein, wenn es aus persönlichen Gründen im ursprünglichen Ausbildungsbetrieb nicht mehr läuft.
Handelskammer verzeichnet Minus von 1,5 Prozent
So wie bei Yusuf Alsalih, der jetzt im zweiten Ausbildungsjahr als Kfz-Mechatroniker in die außerbetriebliche Ausbildung gewechselt ist. Das Kfz-Handwerk bot in diesem Jahr 28 solcher Ausbildungsangebote an. „Wir fördern so Jugendliche, die den direkten Weg in einen Ausbildungsbetrieb nicht realisieren konnten“, sagt Martin Krohn, Obermeister der Innung des Kfz-Handwerks. „70 Prozent dieser Jugendlichen können später in eine rein betriebliche Ausbildung vermittelt werden.“
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Handels- und Handwerkskammer wollen künftig wieder mehr Ausbildungsplätze anbieten. 2021 gab es bei beiden Kammern einen leichten Rückgang bei den abgeschlossenen Lehrverträgen. Die Handelskammer verzeichnet ein Minus von 1,5 Prozent und die Handwerkskammer von vier Prozent. Noch deutlicher fällt der Rückgang beim Vergleich mit 2019 mit einem Minus von 16 Prozent für jeweils beide Kammern aus.
Angespannte Lage im Gesundheits- und Pflegebereich
In diesem Jahr haben insgesamt 17.636 Schulabgänger eine duale oder schulische Ausbildung aufgenommen. Das ist etwa auf dem Niveau des Vorjahres, die Zahl liegt aber neun Prozent unter dem Wert von 2019. Zur schulischen Ausbildung gehören vor allem Erziehungsberufe und Jobs im Gesundheits- und Pflegebereich. In diesen Sektoren ist die Zahl der Berufsstarter seit 2019 weitgehend konstant. Die Rückgänge zeichneten sich vor allem in der gewerblichen Wirtschaft ab.