Hamburg. Kunden ohne Vertrag zahlen ohnehin mehr als in Berlin oder München – nun könnte eine Maßnahme die Kosten noch steigern.
Etwa 80 Prozent aller Ladevorgänge von Elektroautos erfolgen zuhause oder am Arbeitsplatz. Aber mit zunehmender Verbreitung solcher Fahrzeuge und der absehbaren Steigerung der Reichweiten werden die Nutzer künftig wohl auch immer häufiger in die Lage kommen, außerhalb ihres Heimatorts Strom nachtanken zu müssen. Wenn sie das in Hamburg tun, wird es für sie einer aktuellen Marktstudie zufolge richtig teuer.
Wie das Online-Statistikportal Statista im Auftrag des Ökostromanbieters Lichtblick ermittelt hat, kostet die Kilowattstunde (kWh) hier an den Säulen von Stromnetz Hamburg/Hamburg Energie immerhin 47 Cent. Zum Vergleich: In Berlin (Betreiber: Allego), Köln (RheinEnergie) und Bremen (EWE) zahlt man dafür 39 Cent, in München (Stadtwerke München) 38 Cent.
E-Mobilität: Nur Leipzig ist teurer als Hamburg
Unter elf untersuchten Anbietern sind nur die Stadtwerke Leipzig mit 49 Cent teurer als die Hamburger. Als Grundlage für den Vergleich diente die „spontane“ Zuladung – also ohne Vertragsbindung – von 100 Kilometer Reichweite für einen Volkswagen ID.3, was 14 Kilowattstunden erfordert.
Im nächsten Jahr könnte es in Hamburg noch teurer werden. Denn die Wirtschaftsbehörde hat vor wenigen Tagen angekündigt, man werde vom 1. Januar 2022 an durch Hamburg Energie einen so genannten „Nutzungspreis“ für die Ladeinfrastruktur erheben. Es geht um zwölf Cent je kWh für Normalladesäulen (Wechselstrom, elf oder 22 Kilowatt Ladeleistung) beziehungsweise um 20 Cent je kWh für Schnellladesäulen (Gleichstrom, 50 kW Ladeleistung).
Stromnetz Hamburg betreibt Großteil der Ladepunkte
Eine Sprecherin von Hamburg Energie erklärte dazu, man prüfe derzeit „die Auswirkungen auf unsere Preisgestaltung“, es sei bisher noch keine Entscheidung getroffen worden. Der Hintergrund: Nach Angaben von Lichtblick werden 87 Prozent der öffentlich zugänglichen Ladepunkte in der Hansestadt vom städtischen Unternehmen Stromnetz Hamburg betrieben, die ebenfalls städtische Firma Hamburg Energie liefert den Strom und stellt den Preis, wenn ein Ladestromkunde eines Drittanbieters wie etwa Lichtblick an der Hamburger Säule tankt.
„Die aktuelle Situation an der Ladesäule ist etwa so, als könnten Sie für Ihren Haushalt nur den Strom des lokalen Versorger-Platzhirschs beziehen“, sagt Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Ob es für Endkunden wirklich teurer wird, ist nach Angaben der Wirtschaftsbehörde noch gar nicht sicher: „Da Elektromobilitätsanbieter zumeist bundesweit einheitliche Mischpreise kalkulieren, gehen wir davon aus, dass der neue Nutzungspreis von den Anbietern gar nicht oder nicht in voller Höhe an die Kunden weitergegeben wird.“
Zur Begründung der Einführung der Nutzungsgebühr heißt es, bisher habe die Hansestadt die öffentliche Ladeinfrastruktur kostenlos zur Verfügung gestellt. Künftig soll nicht mehr der Steuerzahler dafür geradestehen: „Nun machen wir den nächsten Schritt, die Einführung eines marktüblichen und für alle Anbieter einheitlichen Nutzungspreises, hin zu einem kostendeckenden Betrieb der öffentlichen Ladeinfrastruktur“, sagt Staatsrat Andreas Rieckhof.
Hamburger Ladepunkte mit Bundesmitteln gefördert
Zur Finanzierung der Ladepunkte merkt Lichtblick-Energierechtler Markus Adam an: „Bei etwa der Hälfte der öffentlich zugänglichen Ladesäulen in Deutschland wurde die Errichtung mit Bundesmitteln gefördert“ – und das gilt auch für etliche der Hamburger Ladepunkte.
Aus der Sicht der Wirtschaftsbehörde ist es in Hamburg in den vergangenen Jahren gelungen, das „Henne-Ei-Problem“ der Elektromobilität in einer Zeit, als der Betrieb vieler Ladesäulen noch nicht rentabel war, „erfolgreich“ zu lösen. Aktuell gebe es hier gut 1400 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon knapp 400 auf privatem Grund, unter anderem an Tankstellen und auf Supermarkt-Parkplätzen. „Die staatliche Anfangsfinanzierung war wichtig“, so Rieckhof.
Im Hinblick auf die Stromtankstellen-Versorgung stimmt ihm Markus Adam zu: „Der bisherige Ausbau der Ladeinfrastruktur in Hamburg ist ein Erfolgsmodell. Man hat hier vieles richtig gemacht.“ Im Prinzip sei auch gegen den angekündigten Nutzungspreis für die Säulen nichts einzuwenden: „Wir sehen die Einführung der Nutzungsgebühr als einen ersten Schritt in Richtung Preistransparenz“, sagt Adam.
Kaum Wettbewerb bei Ladesäulen in Hamburg
Nur mit der Größenordnung hat der Ökostromanbieter ein Problem: „Der von der Wirtschaftsbehörde angekündigte Nutzungspreis von mindestens zwölf Cent pro Kilowattstunde kommt uns sehr hoch vor“, sagt Firmensprecher Kampwirth: „Nach Auffassung von Fachleuten wären eher 3,5 bis 5,0 Cent bei normalen Wechselstrom-Ladesäulen angemessen – vor allem, wenn ihr Aufbau vom Staat gefördert wurde.“ Zudem müsste ein solches Nutzungsentgelt künftig ähnlich wie heute die Durchleitungsgebühren im Strom- und Gasmarkt reguliert werden, „um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden“.
Denn beim Ladestrom habe man es in Deutschland generell eben nicht mit einem funktionierenden Wettbewerb zu tun. Anders als zum Beispiel im Tankstellen-Markt seien „regionale Monopole“ die Regel: „In Ballungsräumen und Kommunen dominieren diejenigen Stadtwerke oder Konzerne, die gesellschaftsrechtlich mit den regionalen Netzbetreibern verbunden sind, mit bis zu 95 Prozent Anteil den Ladesäulenmarkt“, heißt es in der Lichtblick-Studie.
- "Ab jetzt wird Klimaschutz auch wehtun"
- ITS Weltkongress in Hamburg endet – und bricht Rekorde
- Hamburger können Batterien dieser E-Scooter selbst tauschen
Vor dem Hintergrund dieser Situation gebe es klare Hinweise auf kartellrechtswidriges Verhalten, denn Ladesäulenbetreiber verlangten häufig 25 Prozent, in Einzelfällen bis zu 300 Prozent höhere Preise von Drittanbietern als von ihren eigenen Kunden.
Zwar beteuert man in der Wirtschaftsbehörde, in Hamburg gebe es eben kein solches Monopol. Die Ladeinfrastruktur werde von Stromnetz Hamburg den anbietenden Vertrieben „diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt“ – auch wenn man gleichzeitig einräumt, dass „die technische Bereitstellung und Grundversorgung mit Strom“ durch die Schwesterfirma Hamburg Energie erfolgt.
E-Autos per Tarif mit Strom versorgen
Tatsächlich gibt es aber auch bei Hamburg Energie einen großen Unterschied zwischen dem Preis für durchreisende Spontan-Lader – im Lichtblick-Vergleich 47 Cent je kWh – und dem für eigene Kunden, wie das Unternehmen selbst mitteilt: „Im Produkt HorizontMobil von Hamburg Energie zahlen Ladekarten-Inhaber 29,5 Cent pro Kilowattstunde Ladestrom“. Bei „spontanen Ladevorgängen“ ohne Ladekarte könnten weitere Kosten für die Bezahlmethode DirectPay (also per App oder SMS) hinzukommen. Auf die Gestaltung dieser Zuschläge hat Hamburg Energie angeblich „keinen Einfluss“.
Um solche Unterschiede vermeiden zu können, fordert Lichtblick-Energierechtler Adam für die Elektromobilität ein Durchleitungsmodell, wie es auf dem Strom- und Gasmarkt längst selbstverständlich ist: „Jeder Stromanbieter sollte künftig seinen Strom zu seinem Tarif an jede öffentliche Ladesäule liefern können. Technisch ist das einfach möglich.“