Hamburg. Zwei junge Gründerinnen kämpfen gegen die Wegwerfmentalität in Sachen Mode. Neuer Shop in der Schanze.
Sophie Koop hat ihre Jeansjacke mit dem quietschgrünen Fell so sehr geliebt, dass sie über das schräge Teil vom Flohmarkt ein Gedicht für einen Poetry-Slam geschrieben hat. „Man fiel damit auf“, erinnert sich die 26-Jährige lachend. Die Jacke, die sie als Studentin gekauft hat, war Secondhand, ein Einzelstück, das sonst niemand trug. Diesen Gedanken hat Sophie Koop zusammen mit Katharina Rybakov zu einem Geschäftsmodell gemacht. Mit der Firma Nonoi (der Name steht für nicht neu) bieten die beiden Gründerinnen gebrauchte Mode an, der sie ein neues Leben schenken wollen.
„Wir lieben Upcyclingmode. Der Gedanke, aus Altem etwas Neues zu kreieren, hat uns beide schon immer fasziniert“, sagt Sophie Koop mit Blick auf ihre früheren Shoppingtouren, die fast ausschließlich durch Secondhandläden führten. Die Idee ihrer vor gut einem Jahr gegründeten Firma: Nonoi sammelt alte Pullover, Krawatten oder Blusen ein und entwickelt daraus neue Mode. Beispiel: Aus Krawatten werden Gürtel genäht, aus Pullundern Mützen. Bei Nonoi werden dabei vorrangig hochwertige Materialien verarbeitet, wie Baumwolle, Seide, Mohair, Kaschmir und Leinen. Im Onlineshop sind die Teile, weil Einzelstücke, alle mit einem Foto vertreten und können bestellt werden. Unter Nonoi-studio.de gibt es Gürtel aus Seide, jeweils für 69 Euro, Kaschmirpullover für 179 Euro oder Schultertaschen aus bunter Baumwolle für 79 Euro.
Neuer Shop in der Schanze: 2000 Euro Miete
Da die vergangenen Monate nicht leicht für die Gründerinnen waren, immerhin brachen die Umsätze im Modehandel wegen Corona ein, wollen sie nun ihre Marke bekannter machen: Sie gehen den (kostspieligen) Schritt in die reale Welt und eröffnen einen Laden in der Schanze. Am Standort eines Eiscafés, das derzeit in der Winterpause ist. Zunächst planen die beiden aus der Nähe von Hannover stammenden Unternehmerinnen nur einen Pop-up-Store, aber bei guten Geschäften soll daraus ein längerfristiges Engagement werden. „Wir rechnen mit viel Laufkundschaft“, sagt Katharina Rybakov über den ideal gelegenen Shop mit den großen Schaufenstern an der Ecke Bartelsstraße/Schanzenstraße.
„Die Leute in der Schanze sind offen für Neues“, weiß die 26-Jährige. Zudem würden die Passanten das Konzept der Secondhandmode bereits aus der Nachbarschaft kennen. Und dazu verirrten sich bald hoffentlich wieder mehr Touristen in die Gegend, hoffen die Gründerinnen. Immerhin müssen sie allein 2000 Euro im Monat für die Ladenmiete aufbringen, wenn sie auch einen Teil dieser Summe gerade in einer Crowdfunding-Kampagne eingesammelt haben.
Denn bisher können die beiden Unternehmerinnen noch nicht von ihrem Business leben – die Frauen, die sich bereits aus ihrer Schulzeit kennen, arbeiten nebenbei in Agenturen. „Doch wir haben das Ziel, vielleicht in zwei Jahren so weit zu sein, dass wir uns auch einen Unternehmerlohn zahlen können“ ergänzt Katharina Rybakov. Bisher trägt der Umsatz nur die Miete für ein Produktions- und Fotostudio am Schlump und die Kosten für eine angestellte Näherin. Latifeh Molla Abbas kommt aus Afghanistan und ist Teil der Nonoi-Philosophie: „Wir wollen Menschen einen Job bieten, die sonst kaum Chancen am Arbeitsmarkt hätten“, sagt Sophie Koop.
Koop: „Wir wollen die Slow-Fashion-Bewegung unterstützen"
Die Tatsache, dass ihr Unternehmen Teil einer Kreislaufwirtschaft sein soll, hat die Gründerinnen bereits im Studium umgetrieben. „Wir wollen die Slow-Fashion-Bewegung unterstützen und Kleidung herstellen, die langlebig ist“, sagt Sophie Koop. Schließlich gilt die globale Textilproduktion als eine der umweltschädlichsten Industrien: Sie verursacht mehr Treibhausgasausstoß als sämtliche internationalen Flüge sowie der maritime Schiffsverkehr zusammen. Insbesondere die vielen Synthetik-Stoffe sind kaum recyclebar und tragen damit dazu bei, dass der Müllberg wächst. Nonoi nimmt daher keine Kleidung an, die ganz oder teilweise aus Chemiefasern besteht.
Sonst gibt es wenige Vorgaben für die Spenden, die Hamburger aus Aufräumaktionen in ihren Kleiderschränken oder Haushaltsauflösungen abgeben oder einsenden können. „Auch wenn die Sachen eingelaufen sind oder Flecken haben, ist das für uns gar kein Problem“, sagt Sophie Koop. Schließlich können schadhafte Stellen bei der Produktion neuer Ware einfach herausgeschnitten werden. „Und wir freuen uns auch sehr über Krawatten mit Mustern“, ergänzt Katharina Rybakov. Vor der Verarbeitung würden alle gebrauchten Stücke gereinigt, um der neuen Kleidung einen angenehmen Duft zu verleihen.
Auch etablierte Anbieter setzen auf Gebrauchtes
Der Gedanke, Mode wieder zu verwenden, folgt einem Megatrend. Viele junge Firmen aus Hamburg setzen bereits auf diese Philosophie: Bei der Kleiderei etwa geht es darum, Outfits für bestimmte Anlässe auszuleihen. Das Cocktailkleid für den Empfang, das sich zu kaufen nicht lohnt, oder die schrille Bluse für die 70er-Jahre-Party. Einen anderen Ansatz verfolgt Bridge & Tunnel, die aus getragenen Jeans Taschen oder Jacken herstellen. Secondhandware im Luxusbereich wiederum bieten die Macher von Rebelle an, die edle Stücke von Dior oder Prada aus ihrem Lager in der Speicherstadt in alle Welt versenden.
Aber auch etablierte Anbieter setzen auf Gebrauchtes: H&M bietet in einigen Filialen die Rücknahme getragener Kleidung an und gewährt dafür Rabatte. C&A reserviert einen Teil seiner Regale für Secondhandmode. Und Primark hat jetzt angekündigt, bis 2030 ihre Kleidungsstücke aus recycelten oder nachhaltigeren Materialien herzustellen. Zurzeit machten diese ein Viertel aller verkauften Kleidungsstücke aus, heißt es von Primark. Bei Nonoi sind es 100 Prozent.