Hamburg. Nach dem Verkauf des Familienunternehmens hat Thomas Kay mit Ehefrau Sabine das Schuhkontor in Stellingen gegründet.
Auf den ersten Blick verrät nichts, dass sich hinter dem neuen Schuhgeschäft im Hamburger Stadtteil Stellingen ein stadtweit bekannter Name verbirgt. „Schuhkontor“ steht in schnörkellosen Buchstaben über dem Eingang. Drum herum gibt es mehrere Supermärkte, Billigläden, einen Friseur, Bettenhändler, ein Fahrradgeschäft und viele Parkplätze. Es ist in Nahversorgungszentrum am oberen Ende der Kieler Straße.
Eine große Fläche in dem Komplex bespielt der Indoorspielplatz Rabatzz. Es ist nicht unbedingt das, was Handelsexperten erste Lage nennen würden. „Wir wollten dahin, wo die Menschen leben“, sagt Thomas Kay über den Standort. Sein Ururgroßvater hatte 1882 Schuh Kay gegründet. Nachdem die Familie im vergangenen Frühjahr komplett aus dem angeschlagenem Traditionsunternehmen ausgestiegen war, wagt der 55-Jährige jetzt gemeinsam mit seiner Ehefrau Sabine einen Neustart.
„Schuhkontor“ von Schuhkay-Erbe gegründet
Auf den langen Regalen in dem neuen Geschäft an der Kieler Straße steht die aktuelle Herbstkollektion: robuste Schnürstiefel, Boots mit dicken Sohlen, viel schwarz und braun. Ein bisschen rot. Mehr als 8000 Schuhe für Damen, Herren und Kinder sind auf einer Fläche von 620 Quadratmetern zur Auswahl, paarweise nach Größen geordnet. „Die Kunden sollen es leicht haben und Schuhe direkt anprobieren können“, sagt Schuhhändler Kay.
Ein Schuhfachmarkt, aber mit hochwertigem Angebot zu Preisen zwischen 50 und 150 Euro. Während die Branche auch durch den Corona-Lockdown massiv unter Druck steht und die Zahl der Schuhgeschäfte bundesweit abnimmt, haben die Kays ihren neuen Laden Ende August eröffnet. „Es war klar, dass wir wieder etwas mit Schuhen machen mussten. Das ist das, was wir können“, sagt Sabine Kay, die 20 Jahre im Familienunternehmen gearbeitet und den Bereich Personal verantwortet hat.
Thomas und Joachim Kay verkauften Unternehmen
Der Hamburger Johann Friedrich Kay hatte sein Schuhhaus 1882 am Langenfelder Damm in Stellingen gegründet. 1934 war das Unternehmen unter den beiden Enkeln, Herbert und Werner Kay, aufgeteilt worden. Ähnlich wie bei Aldi Nord und Aldi Süd gab es bis vor Kurzem auch bei Schuhkay zwei unabhängige Unternehmen, die unter dem gleichen Markennamen firmierten und jeweils von einem der beiden Familienstämme geführt wurden.
Im April 2020 verkauften die Brüder Thomas und Joachim Kay, Inhaber der KG Schuhkay GmbH & Co. KG, ihr Unternehmen an den Berliner Unternehmer Steffen Liebich. Zum Paket gehörten 20 Filialen, die nach einem aufwendigen Marken-Relaunch unter dem Namen Schuhkay 1882 firmierten, sowie neun Markenshops des Schuhherstellers Tamaris. Über die Hintergründe und den Preis herrscht Stillschweigen.
Räumungsverkauf bei Schuhkay am Jungfernstieg
Fakt ist, dass Liebich, der sich auf die Übernahme und Sanierung von insolventen Firmen spezialisiert hat (Leiser, Anika Schuh und Schlatholt), seitdem 18 Filialen geschlossen und eine Insolvenz in Eigenregie für die KG Schuhkay GmbH & Co abgeschlossen hat. Aktuell ist in der Stammfiliale am Jungfernstieg und im Outlet an der Boschstraße in Bahrenfeld Räumungsverkauf. Bereits im November 2019 hatte der Berliner Geschäftsmann die ebenfalls insolvente Schuhhaus Kay GmbH & Co. KG mit 24 Filialen übernommen, die ein Großcousin der Kay-Brüder geführt hatte. Von dem 24 Filialen blieben 13. Auch in diesem Fall ist die Insolvenz in Eigenverwaltung inzwischen abgeschlossen.
Thomas und Sabine Kay wollen jetzt vor allem nach vorne blicken. Das Ehepaar hat drei erwachsene Kinder, von denen der mittlere Sohn in den Startlöchern steht, in das Familienunternehmen einzusteigen. Mit dem Neustart an der Kieler Straße haben sie bewusst einen Standort gewählt, der mit der Firmengeschichte zusammenhängt. „Wir kehren in unsere Stammgegend zurück“, sagt Thomas Kay.
Thomas und Sabine Kay wagen Neuanfang
Quasi als Start-up. Nachdem der erfahrende Schuhhändler nach dem Verkauf zunächst als Einkaufsleiter zu einem größeren Unternehmen nach Hessen gegangen war, entschloss sich das Paar Ende 2020, eine neue Firma zu gründen. Mithilfe der Expertise aus mehr als 20 Jahren in der Branche schafften sie es, ihr Schuhkontor mit zwei Mitarbeiterinnen innerhalb weniger Monate auf die Beine zu stellen. Insgesamt 250.000 Euro stecken in dem Neuanfang mit neuem Namen.
Dass dieser auch ein unternehmerisches Wagnis ist, wissen die Kays. Der stationäre Schuheinzelhandel, mit etwa 3000 Schuhhändlern bundesweit, gehört zu den größten Corona-Verlierern. Bereits 2020 hatten die Schuhgeschäfte Umsatzeinbußen von 21 Prozent verkraften müssen. Damit verloren sie nach Berechnungen des Bundesverbands des Deutschen Schuheinzelhandels (BDSE) ein Umsatzvolumen von 1,7 Milliarden Euro und fielen auf 6,3 Milliarden Euro zurück.
„Die erste Resonanz ist positiv“
Mittlerweile wird bei einem Marktanteil von 35 Prozent etwa jeder dritte Schuh über irgendeinen der Onlinekanäle verkauft. Auch im laufenden Jahr haben die Schuhhäuser massiv unter der Pandemie und den staatlich verordneten Geschäftsschließungen gelitten. Einen ersten Lichtblick gab es bei den Öffnungen im Juni. Der Nachholbedarf war groß, sodass laut BDSE für den Monat Juni ein zweistelliges Umsatzplus erzielt werden konnte.
Mit der Eröffnung in den Stellinger Höfen steigen Thomas und Sabine Kay pünktlich zu Beginn der Herbst- und Wintersaison ein. „Die erste Resonanz ist positiv“, sagt Thomas Kay. Hauptproblem sind im Moment Lieferengpässe vor allem bei Produkten aus dem asiatischen Raum, aber auch bei besonders stark gefragten Outdoor-Schuhen. Das ist der Grund, warum im Moment noch einige Lücken in den Regalreihen sind.
Weitere Schuhkontor-Filialen in Hamburg vorstellbar
„Auch die Nachfrage nach Kinder-Gummistiefeln ist riesig, aber die sind kaum zu bekommen“, sagt der Schuhhändler. Im Moment managen er und seine Frau den Betrieb mit vier Mitarbeitern. „Wir schauen jetzt erst mal, wie es läuft.“ Mittelfristig können sie sich auch weitere Schuhkontor-Filialen vorstellen.
Ein Onlineshop ist ebenfalls geplant. „Aber“, sagt Thomas Kay, „wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass man nicht immer das große Rad drehen muss.“ Früher habe er kaum noch Kundenkontakte gehabt, die meiste Zeit am Schreibtisch verbracht. Jetzt verkauft er wieder Schuhe – und tut das, was er liebt.