Hamburg. Bis 2030 sollen Hamburgs Taxis emissionsfrei fahren – 350 E-Taxis sind bald auf den Straßen unterwegs. Sogar mit eigener Telefonnummer.

Anfangs gab es durchaus Bedenken. „Wir haben uns natürlich schon gefragt, ob es in der Pandemie wirklich ein guter Zeitpunkt ist, in zwei neue Autos zu investieren, von denen jedes mehr als 50.000 Euro kostet“, sagt Rüdiger Lilie. Das war im Frühjahr, als Hamburgs Taxibranche wegen der Folgen des Coronavirus mit besonders großen Umsatzeinbußen zu kämpfen hatte.

Welche Antwort das Taxiunternehmen Lilie & Gerth GbR gefunden hat, war am Dienstag zu sehen. Da fuhr Mitinhaber Lilie mit einem der beiden funkelneuen, vollelektrisch angetriebenen VW ID.4 im Lichthof des Rathauses vor.

Projekt Zukunftstaxi: Hoch gefragt

Die Stromer zu kaufen, war auch eine Grundsatzentscheidung: „Man kann ja heute nicht mehr ernsthaft ein neues Dieselauto auf die Straße schicken“, sagt Lilie. Erheblich erleichtert wurde die Investition in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit durch einen satten Zuschuss der Stadt: Das Unternehmen bekommt für jeden der beiden Wagen 10.000 Euro Anschaffungsförderung von der Verkehrsbehörde. Zusätzlich zu den üblichen 9000 Euro E-Auto-Prämie.

Die erste Stufe des Projekts Zukunftstaxi startete Anfang April und enthielt neben der Förderung für bis zu 130 Elektrotaxis auch einen Anschaffungszuschuss in Höhe von 20.000 Euro für bis zu 20 rollstuhlgerechte sogenannte Inklusionstaxis mit E-Antrieb. Die Nachfrage war enorm. Binnen weniger Tage war das Programm ausgebucht, nicht alle Bewerber kamen zum Zuge.

Nachschub ist bereits geplant

Derzeit sind bereits 50 E-Taxis in der Stadt unterwegs, vor dem Projektstart waren es gerade einmal fünf. „Das Projekt Zukunftstaxi ist ein echtes Erfolgsmodell. Wir können sagen, dass wir damit den Nerv der Branche getroffen haben“, lautet das Zwischenfazit von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). In Hamburg gebe es jetzt mehr E-Taxis als in jeder anderen deutschen Stadt.

Während Unternehmer Lilie sein neues Taxi im Lichthof vorführte, starteten Tjarks und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) im Rathaus die zweite Stufe des Förderprogramms. Ab 1. Oktober um Mitternacht können Anträge für weitere 170 E-Taxis sowie noch einmal 30 Inklusionstaxis gestellt werden. Der Zuschuss ist diesmal mit 5000 beziehungsweise 10.000 Euro niedriger. Die Nachfrage werde dennoch erneut hoch sein, wird in der Verkehrsbehörde erwartet. Weil schon in der ersten Runde nicht alle Anträge berücksichtigt werden konnten.

"Pioniergeist": Bald 350 E-Taxis in der Hansestadt

Wann sämtliche 150 Wagen aus der ersten Förderstufe in Dienst gestellt sein werden, dazu wagen derzeit weder der Senator noch die Branche selbst eine eindeutige Prognose. Weil den Autoherstellern wichtige Elektronikbauteile fehlen, hakt es bei der Auslieferung der vor Monaten bestellten Wagen. Einige sollen erst im Januar geliefert werden. Geplant ist, dass die weiteren 200 Elektrotaxis im Sommer 2022 eine Konzession erhalten haben.

Schon bald also werden 350 Wagen mit dem Taxischild auf dem Dach auf Hamburgs Straßen unterwegs sein. Aus Sicht von Thomas Lohse, Vorstand der Genossenschaft Hansa Funktaxi, ist das Projekt bereits ein voller Erfolg. „Bei den Kolleginnen und Kollegen macht sich Pioniergeist breit.“ Ziel sei es zunächst, herauszufinden, ob sich ein E-Taxi wirtschaftlich betreiben lasse. „Ich bin überzeugt davon“, so Lohse.

Bei Anruf E-Taxi: Eigene Telefonnummer für Hamburg

In der Taxi-App der Genossenschaft lässt sich bereits gezielt ein Wagen mit Elektroantrieb buchen. Beim Mobilitätsdienstvermittler Free Now seit zwei Wochen ebenfalls. „Es gab bereits 1500 Anfragen, das stimmt mich zuversichtlich“, sagte Deutschlandchef Alexander Mönch. Derzeit könnten über Free Now bereits 40 der Wagen gebucht werden. Darunter die Tesla Modelle 3 und 5.

Free Now flankiert das Projekt unter bestimmten Voraussetzungen mit einer zusätzlichen finanziellen Förderung von bis zu gut 3100 Euro pro Auto und will die gezielte Buchung eines Elektrotaxis in seiner Vermittlungs-App durch eine prominente Platzierung des Buttons fördern. „Spätestens zum ITS-Kongress“, sagt Mönch.

Wenn Mitte Oktober Tausende internationale Teilnehmer zum Weltkongress der Mobilität in Hamburg anreisen, könne Free Now absehbar bereits 60 E-Taxis vermitteln, schätzt er, zum Jahresende könnten es 100 sein. Bei Funktaxi Hamburg gibt es ab sofort eine eigene Telefonnummer mit Hamburger Vorwahl für die E-Taxi-Buchung: 211 255.

Schwere Zeiten für die Taxi-Branche

Die Branche hat solche Unterstützung nötig, um den Rückstand beim Elektroantrieb gegenüber Konkurrenten wie Moia oder den Flotten der Carsharing-Anbieter aufzuholen. Für diesen Rückstand gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Die große Mehrzahl der Taxibetriebe in der Stadt sind Ein-Auto-Unternehmen mit eher geringer Finanzkraft.

Die Pandemie hat den Firmen einen schweren Schlag versetzt. Binnen zwei Jahren ist die Zahl der Taxis in Hamburg um etwa 400 auf jetzt noch um die 2700 gesunken. Zudem haben die Hersteller erst vor Kurzem E-Autos auf den Markt gebracht, deren Preis und Reichweite einen Einsatz als Taxi erlaubt. Und dann sind da noch die hohen Umrüstkosten.

300 Kilometer oder zwei Schichten

„E-Autos gibt es noch nicht in der Taxi-Edition“, sagt Rüdiger Lilie. Er musste die beiden ID.4, die seit Ende Juli im Einsatz sind und zwei alte Diesel-Touran ersetzten, zunächst optisch und technisch umrüsten lassen. Für 6500 Euro pro Wagen. Damit waren zwei Drittel der Sonderförderung durch die Stadt weg.

Ihre neuen Wagen bestellt die Firma regelmäßig bei VW. Für den ID.4 habe aber noch etwas anderes gesprochen. „Es ist das Auto mit Elektroantrieb, das die Anforderungen an ein Taxi derzeit am besten erfüllt. Die Fahrgäste können hinten bequem sitzen, der Kofferraum ist passabel.“ Und auch die Reichweite stimmt. Im realen Betrieb seien es mehr als 300 Kilometer, zeigt die Erfahrung der ersten Wochen. „Das reicht für ein bis zwei Schichten“, sagt Lilie.

Emissionsfreie Taxis bis 2025?

Er will nun möglichst noch in diesem Jahr zwei weitere E-Taxis anschaffen. Und künftig drei bis vier pro Jahr, um die Wagen mit Verbrennermotor nach und nach auszumustern. Der Lilie-&-Gerth-Fuhrpark von derzeit 20 Taxis wäre dann Mitte des Jahrzehnts nur noch mit Stromantrieb unterwegs.

In Hamburgs Klimaplan ist als Ziel festgeschrieben, dass alle Taxis spätestens im Jahr 2030 mit emissionsfreiem Antrieb fahren sollen. Mittlerweile wird aber auch immer wieder das Jahr 2025 als Ziel genannt. Der Verkehrssenator mochte sich da nicht festlegen. Und auch für eine Antwort auf die Frage, ob es weiterer Förderprogramme der Stadt bedürfe, um die Antriebswende bei den Taxis zu vollenden, sei es noch zu früh, sagte er.

Ein Schritt nach dem anderen

„Wir werden zunächst die ersten beiden Stufen des Projekts zu Ende führen und es auswerten.“ In der Branche gilt aber als wahrscheinlich, dass auf das Zuckerbrot des Anschaffungszuschusses in wenigen Jahren die Peitsche des Verbrennerverbots folgen wird. In internen Runden senden Behördenvertreter bereits solche Signale. Der Senator sagte dazu mit Blick auf die Unternehmen: „Wir haben das gemeinsame Ziel, die Taxis in Hamburg zu elektrifizieren. Wie wir dorthin kommen, werden wir gemeinsam beraten.“