Hamburg. Viele Händler in der Hamburger City haben nach dem Corona-Lockdown noch volle Lager und ziehen den Sommerschlussverkauf deshalb vor.

Billig, billiger, Corona-Schlussverkauf. Wer in diesen Tagen in den Einkaufsstraßen der Hamburger Innenstadt unterwegs ist, bekommt noch früher als in anderen Jahren Sommerkleider, Shorts und Bademoden zu heruntergesetzten Preisen. Besonders die bekannten Handelsketten werben mit hohen Rabatten. Bei Galeria Karstadt Kaufhof in der Mönckebergstraße gibt es 30 Prozent auf bereits reduzierte Artikel. Gegenüber beim Modehaus AppelrathCüpper kostet alles die Hälfte des Originalpreises.

Ganz ähnlich das Bild am Jungfernstieg und im Passagenviertel. Modeläden, Sportgeschäfte, Juweliere und Elektronikhändler – kaum ein Laden zwischen Hauptbahnhof und Gänsemarkt, der nicht runtergesetzt hat. Teilweise zahlen Schnäppchenjäger bis zu 70 Prozent weniger für viele Artikel. Selbst das edle Alsterhaus hat am Eingang Poststraße alle Schaufenster mit roten „Sale“-Plakaten verhängt.

Hohe Lagerbestände

Normalerweise läutet der Einzelhandel in der letzten Juliwoche die finale Reduzierungsphase in den Geschäften und zunehmend auch online ein. Offiziell gibt es den Sommerschlussverkauf zwar schon seit 2004 nicht mehr, als die gesetzliche Grundlage für die Preisschlacht zum Saisonende aufgehoben wurde. Aber viele Geschäfte haben freiwillig an der Tradition festgehalten, um Platz für die neue Waren zu schaffen.

Lesen Sie auch:

„Diese Praxis hat Corona jedoch zum zweiten Mal in Folge empfindlich gestört“, sagt Axel Augustin, Sprecher des BTE Handelsverbands Textil. Zählt man den Winterschlussverkauf in diesem Jahr dazu, der wegen des Lockdowns nahezu ausgefallen war, sind es sogar drei Mal. Nach Einschätzung der Branchenverbände für den Textil- und Schuheinzelhandel sind besonders bei großen Unternehmen die Lagerbestände daher hoch – und die Preise sind teilweise im freien Fall.

Erhebliche Rabatte

Ein Beispiel ist das Hamburger Modekaufhaus Peek & Cloppenburg. An der Fassade des Stammhauses am Anfang der Mönckebergstraße wirbt das Unternehmen für einen „Premium-Sale“ mit Marken wie Tommy Hilfinger, Boss, Joop, Closed oder Calvin Klein. Bis zu 70 Prozent Rabatt werden versprochen. Der Großteil des Untergeschosses, bislang eine beliebte Adresse für Kinder- und Jugendbekleidung, ist kurzerhand in eine Art Outlet umgebaut worden, in der hängengebliebene Damen- und Herrenbekleidung aus mehreren Saisons verkauft wird.

„Die Fläche nutzen wir temporär für Sale-Angebote“, erklärte eine Firmensprecherin auf Abendblatt-Anfrage. Parallel stapeln sich auch in den anderen Abteilungen des Hauses nicht verkaufte T-Shirts, Blusen und sommerliche Jacken in vielen Farben und Größen mit erheblichen Rabatten.

Händler wie Galeria Karstadt Kaufhof haben Sonderverkaufsflächen eingerichtet

Auch andere große Händler wie Galeria Karstadt Kaufhof haben Sonderverkaufsflächen eingerichtet. Die Preisnachlässe sollen auch wieder mehr Menschen zum Einkaufen in die Innenstadt locken. In den vergangenen Wochen füllen sich die Geschäftsstraßen langsam wieder. Man sieht Familien beim Bummeln, hört auch Englisch, Französisch oder Dänisch. Viele Passanten haben Einkaufstüten in der Hand. Allerdings ist zwei Monaten nach dem Ende des Lockdowns das Umsatzniveau des Vergleichszeitraums im Vor-Corona-Jahr 2019 auch bei einem etablierten Händler wie Peek & Cloppenburg noch nicht erreicht.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Als Reaktion auf die Geschäftsschließungen der vergangenen Monate und mögliche weitere pandemiebedingte Einschränkungen will das hanseatische Familienunternehmen das Online-Geschäft ausbauen und stärker mit dem stationären Handel verzahnen. Im Zuge dessen wird unter anderem die Kinderabteilung dauerhaft geschlossen, der Verkauf soll zukünftig über das Internet laufen. Peek & Cloppenburg will auf der Fläche künftig andere Warengruppen anbieten, wie etwa Wäsche oder auch verschiedene Markenwelten.

Unterschiedliche Strategien

Offenbar sind die Strategien und die Probleme in der aktuellen Situation je nach Branche, Unternehmensgröße und Standort unterschiedlich. „Nach außen ist es im Moment eine Rabattschlacht. Aber das Überangebot betrifft vor allem Alltagsmode und Fast-Fashion-Sortimente“, sagt Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord und Geschäftsführer des Outdoor-Händlers Globetrotter.

Oftmals würden vor allem austauschbare Mainstream-Textilien und Randgrößen mit hohen Preisnachlässen angeboten. „Zugleich gibt es inzwischen eine enorme Knappheit bei hochwertigen und speziellen Produkten und Marken“, sagt der Handelsexperte. Das führt er darauf zurück, dass die Händler im vergangenen Jahr schon zurückhaltender bestellt hätten. Zudem gebe es erhebliche Probleme in den Lieferketten.

Handel in den Innenstadtlagen unter Druck

Beim Ausrüster Globetrotter macht sich das unter anderem im Schuhsortiment bemerkbar. „Wir warten noch auf Waren, die schon im Mai kommen sollten“, sagt Geschäftsführer Bartmann. Andere Bestellungen seien von den Herstellern storniert worden. Besonders bei der Fahrradausrüstung, etwa Taschen, gebe es Engpässe.

„Auch im Bereich Wassersport sind die Regale leer gekauft.“ Campingkocher, schon vorher sehr beliebt, sind seit der Hochwasser-Katastrophe im Westen Deutschlands kaum noch zu bekommen. Trotzdem sieht Bartmann besonders den Handel in den Innenstadtlagen weiter unter Druck. „Das normale Leben ist es noch nicht wieder.“

Am härtesten getroffen sind die großen Modeunternehmen

Am härtesten getroffen sind weiterhin die großen Modeunternehmen. Fehlende Touristen und Messegäste sowie Millionen Arbeitnehmer im Homeoffice haben die Kundenfrequenzen und damit die Umsätze extrem einbrechen lassen. „Zudem gab es für die Großbetriebe deutlich weniger staatliche Hilfen“, sagt BTE-Sprecher Axel Augustin. Eine Chance, dennoch Umsätze zu machen, sind die Rabattaktionen.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Andere, darunter viele kleine und mittlere Mode- und Schuhgeschäfte, versuchten dagegen, sich mit größeren Sale-Aktionen noch zurückzuhalten. „Die Unternehmen stecken in dem Dilemma, dass einerseits die Läger aktuell noch (zu) voll sind, man sich andererseits nach drei katastrophalen Saisons in Folge hohe Preisreduzierungen aus wirtschaftlichen Gründen aber kaum leisten kann“, so Augustin.

Sabine Falkenhagen hat noch nicht reduziert

Sabine Falkenhagen zum Beispiel hat noch nicht reduziert. „Wir fangen ganz klassisch nächsten Montag mit Beginn des Sommerschlussverkaufstermins in der letzten Juliwoche an“, sagt die Inhaberin des Hutgeschäfts Falkenhagen in der Schauenburgerstraße. Anfang August erwartet sie die erste Herbstware. Eine große Rabattaktion wird es bei ihr nicht geben.

Preisnachlässe gibt es auf modische Hüte, die im nächsten Jahr vielleicht nicht mehr aktuell sind, und auf Einzelstücke. „Das reicht bei uns, um das Lager zu klären. Wir haben gut eingekauft. Der Überhang ist nicht so groß“, sagt die Händlerin.