Hamburg. Die Energie für die Fahrgastschiffe gibt es im ersten Jahr gratis. Demnächst sollen in Hamburg auch Containerfrachter versorgt werden.
Es ist ein ehrgeiziges Ziel: Der Hamburger Hafen will vom Jahr 2040 an klimaneutral arbeiten. Zu den Bausteinen der entsprechenden Strategie gehört der Bau von Landstromanschlüssen für Schiffe, damit diese während der Liegezeiten ihre Verbrennungsmotoren abschalten und klimaschonend mit Energie versorgt werden können.
Am Mittwoch haben Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und der Chef der Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA), Jens Meier, eine neue Landstromanlage an den Landungsbrücken eingeweiht. Sie ist für Binnenschiffe gedacht, vor allem für die Hafenrundfahrt-Barkassen.
„Aufbruchsstimmung“ bei Hamburgs Wirtschaftssenator
„Fahrgastschifffahrt an den Landungsbrücken gehört zu Hamburg“, sagte Westhagemann. Für ihn war die Einweihung mit „Aufbruchsstimmung“ verbunden: „Die touristische Fahrgastschifffahrt läuft wieder an und das auch nachhaltig.“ Durch die Nutzung von Landstromanlagen könnten während der Liegezeit die Dieselgeneratoren abgeschaltet werden, der Strom komme ausschließlich aus erneuerbaren Energien: „Ich bin sehr froh, dass das zu einer deutlichen Reduzierung von Lärm und Schadstoffen führt.“
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Hamburg reihe sich damit als einer der drei größten deutschen Binnenhäfen in die bundesweiten Aktivitäten ein und behaupte auch im Vergleich mit Duisburg und Köln seine Stellung als ein „moderner und nachhaltiger Binnenhafen“, heißt es von der Wirtschaftsbehörde. Allerdings gibt es am Duisburger Hafen nach Angaben des Energieunternehmens Innogy bereits seit dem Frühjahr 2019 sechs Ladepunkte, im Bereich des Kölner Rheinauhafens stehen laut RheinEnergie elf mit Landstrom ausgerüstete Anlegestellen für Frachtschiffe zur Verfügung – die ersten schon seit 2015.
25 Barkassen sind laut Wirtschaftsbehörde „landstromfähig“
Zwar existierten an den Landungsbrücken schon bisher Stromanschlüsse für Barkassen, sie sind aber veraltet und wurden offenbar praktisch nicht genutzt. Die neue Anlage, die drei Liegeplätze versorgen kann, kostet 225.000 Euro, wobei der Bund 75 Prozent des Betrages als Förderung zuschießt.
25 Barkassen sind laut Wirtschaftsbehörde „landstromfähig“. Im Rahmen einer einjährigen „Projektphase“ wird der Strom durch die HPA „unentgeltlich zur Verfügung gestellt“. In dieser Zeit will man Erfahrungen im Echtbetrieb sammeln und ein nutzerfreundliches Abrechnungssystem entwickeln. Durch die Gratis-Abgabe des Stroms will man offenbar die Fahrgastschifffahrt, die sehr hart durch die Corona-Einschränkungen getroffen worden ist, entlasten.
Landstrom im Hamburger Hafen ist nicht gerade ein Erfolgsmodell
Ein erheblicher Ausbau der Landstromversorgung im Hafen ist Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages zwischen der SPD und den Grünen in Hamburg. Den Plänen des Senats zufolge sollen bis zum Jahr 2030 rund 30 Liegeplätze für Seeschiffe mit der entsprechenden Technik versehen werden, acht Anlagen will man bereits bis Ende 2022 errichten. Versorgt werden sollen der Burchardkai, der Europakai, der Predöhlkai sowie alle drei Kreuzfahrtterminals. Nach Angaben des Senats soll das rund 98 Millionen Euro kosten, wovon die Bundesregierung etwa 61 Millionen Euro übernehme.
Nach den bisherigen Erfahrungen ist Landstrom im Hamburger Hafen allerdings nicht gerade ein Erfolgsmodell: Die bereits 2016 für zehn Millionen Euro errichtete Anlage am Kreuzfahrtterminal Altona wird kaum genutzt, schon weil die meisten Kreuzfahrtschiffe bordseitig noch nicht mit der erforderlichen Technik ausgestattet sind. Doch auch die damit versehene „Europa 2“ der Reederei Hapag-Lloyd Cruises hat den Anschluss zuletzt nicht verwendet.
Senator warnt vor Risiken einer Landstrom-Pflicht
Zwar wurden technische Gründe dafür angeführt. Doch der klimaschädliche Strom aus Dieselaggregaten ist eben auch wesentlich billiger als der klimaneutral erzeugte Landstrom – und es geht um immense Größenordnungen: Der Stromverbrauch eines großen Container- oder Kreuzfahrtschiffs im Hafen entspricht dem einer kleineren Stadt.
In einem Interview mit der Hamburger „Morgenpost“ hatte Westhagemann kürzlich gesagt, er schließe nicht aus, künftig eine Landstrompflicht für Containerschiffe einzuführen. Der Senator warnte aber gleichzeitig davor, zu viel Druck auf die Reedereien auszuüben. Denn diese könnten dann entscheiden, Hamburg nicht mehr anzulaufen.
Vorreiter der Technik waren Amerikaner und Kanadier
„Man hofft auf das gute Gewissen der Reeder“, sagt dazu Stephan Jersch, Fachsprecher Umwelt und Energie der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft. Seine Partei hatte dem Landstrom-Ausbauprogramm nicht zugestimmt, denn: „Ohne eine Anschlusspflicht ist das eine wackelige Investition.“
Außer in Hamburg stehen in Deutschland weitere Landstrom-Einrichtungen für die Hochseeschifffahrt in Cuxhaven, Kiel, Lübeck und Rostock zur Verfügung. Die Vorreiter dieser Technik waren allerdings nicht die Deutschen, sondern Amerikaner und Kanadier. So verfügen die Häfen von Juneau (Alaska), Seattle und Vancouver schon seit mehr als zehn Jahren über Landstromanlagen. In Kalifornien ist die Nutzung solcher Anschlüsse verpflichtend.
Und sogar China will eine solche Pflicht für Schiffe, die über die nötige Technik verfügen, einführen. Die Zahl der Landstromanschlüsse in chinesischen Häfen sollte im Jahr 2020 auf knapp 500 Anlagen steigen.