Hamburg. Lichtblick-Manager erklärt, weshalb die Firma freistellt, wo die Beschäftigten arbeiten – und welche Gefahren er im Homeoffice sieht.
Die Homeoffice-Pflicht ist vorbei, aber Constantin Eis schaltet sich von zu Hause aus in das Videogespräch ein. Er ist einer der Geschäftsführer des Ökoenergie-Anbieters Lichtblick.
Im Abendblatt-Interview spricht er darüber, wie der Arbeitsalltag der gut 400 Beschäftigten des Hamburger Unternehmens künftig aussehen wird, welche Chancen, aber auch welche neuen Herausforderungen er im verstärkten mobilen Arbeiten nach der Corona-Pandemie sieht. Und er erzählt nebenbei von ungeplanten Auftritten seiner kleinen Tochter in dienstlichen Videokonferenzen. „Das ganze Unternehmen konnte ihr beim Aufwachsen zuschauen.“ Diesmal greift die Kleine nicht ein.
Hamburger Abendblatt: Herr Eis, wie oft waren Sie seit dem Frühjahr 2020, als die Corona-Pandemie auch in Deutschland ausbrach, im Büro?
Constantin Eis: Wir haben seit März 2020 im Homeoffice gearbeitet. Ich schätze, dass ich seitdem zu über 90 Prozent von zu Hause aus tätig war. Hin und wieder war es notwendig, dass ich etwas unterschreibe. Das war dann der Anlass für mich, kurz im Büro zu sein.
Waren Sie seit Ende der Homeofficepflicht schon dort?
Eis: Ich denke, ich werde in den nächsten Tagen mal hingehen, und ich freue mich auch drauf. Man merkt, dass es bei vielen Leuten das Bedürfnis gibt, sich wieder persönlich zu sehen. Mir geht es auch so.
Lichtblick stellt den Beschäftigten jetzt weitgehend frei, wo sie arbeiten. Warum?
Eis: Wir wissen, dass die Mitarbeitenden durchschnittlich 45 Minuten für einen Weg zwischen zu Hause und dem Arbeitsplatz brauchen. Wenn man das auf eine Woche hochrechnet, ist das ein ganzer Arbeitstag. Diese Zeit lässt sich besser nutzen. Flexibilität zu haben, ist für die Beschäftigten ein positives Gefühl. Wenn man sieht, dass etwas in der Krise funktioniert – und Lichtblick hatte 2020 ein sehr erfolgreiches Jahr – dann sollte man die Freiheiten für die Mitarbeitenden nicht wieder einschränken.
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Selbst große Projekte funktionieren aus dem Homeoffice sehr gut. Es gibt Gruppen, die deutlich fokussierter und effizienter von zu Hause aus arbeiten. Und nicht zuletzt: Wir haben die Beschäftigten befragt, und die überwiegende Mehrheit hat gesagt, sie wolle künftig häufiger mobil arbeiten als vor der Pandemie.
Warum ist es den Teams dann trotzdem freigestellt, zu entscheiden, dass sie sich an bis zu zwei Tage pro Woche doch im Büro treffen?
Eis: Wir mussten da eine gewisse Balance finden. Es gibt Tätigkeiten, die stärker als andere vom persönlichen Austausch leben. Und es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Kreativität im direkten Austausch mit anderen besser fließt. Mitarbeitergespräche zum Beispiel sind im persönlichen Gespräch sicher besser zu führen als in einer Videokonferenz. Und man darf ja nicht vergessen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und den Kontakt mit anderen braucht.
Sehen Sie auch Gefahren durch zu intensives mobiles Arbeiten?
Eis: Anfangs haben wir gesehen, dass viele Leute die eingesparte Zeit für den Arbeitsweg für das Unternehmen verwendet haben und früher am Tag mit der Arbeit begonnen haben. Das ist aus unserer Sicht die große Gefahr beim Homeoffice. Mittlerweile wird besser getrennt zwischen Arbeit und Freizeit. Videocalls sind zweifellos oft effizienter, aber wenn es zu viele am Tag sind, werden Sie zur Belastung.
Wir haben die Meetings insgesamt etwas verkürzt, damit man sich zwischendurch erholen kann. Mittags und nach 17 Uhr soll es gar keine geplanten Meetings mehr geben. Es gibt Leute, die arbeiten deutlich mehr. Und die muss man manchmal vor sich selbst schützen. Ich selbst war in der Anfangsphase nicht selten sechs Stunden pro Tag in Videokonferenzen. Mittlerweile achte ich darauf, dass es nicht mehr als viereinhalb Stunden am Tag sind.
Sie kommen gerade von einem zweitägigen Führungskräfte-Meeting. Gibt es so etwas künftig häufiger?
Eis: Die Resonanz war ganz überwiegend: Es ist schön, sich mal wieder zu sehen. Der persönliche Austausch gibt schon ein gewisses Wir-Gefühl. Und einige Kollegen, die während der Pandemie eingestellt wurden, habe ich überhaupt zum ersten Mal gesehen. Da merkt man dann, wo das sogenannte remote work an die Grenzen kommt. Es ist schon wichtig, auch die Körpersprache eines Menschen zu sehen.
Ich habe mir den einen neuen Kollegen immer anders vorgestellt, dass der viel kleiner ist. Und er hat sich mich wahrscheinlich auch ganz anders vorgestellt. Die Teams haben virtuell gemeinsam sehr viel zusammen erlebt in der vergangenen Zeit: virtuelle Weihnachtsfeiern, virtuelles gemeinsames Kochen. Aber Momente des physischen Beisammenseins kann das dann doch nicht voll ersetzen. Die einzelnen Teams hatten schon vor der Pandemie ihren eigenen Etat für solche Treffen, da müssen wir auch jetzt nicht nachsteuern.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Manche Firmen haben Bedenken, dass es schwer ist, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren, wenn die Teams sich fast nie treffen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Eis: Das geht schon, ist aber sehr aufwendig und erfordert viel Disziplin von allen Beteiligten. Für die neuen Kollegen mit Personalverantwortung haben wir unter anderem virtuelle Kennenlern-Cafés mit den Beschäftigten organisiert. Die haben also anfangs ziemlich viel Kaffee oder Tee getrunken. Eine gute Möglichkeit, sich außerhalb des Büros kennenzulernen, ist ein Spaziergang zu zweit. Auch das wurde häufig gemacht.
Wie wichtig ist eine gute Regelung zum mobilen Arbeiten für die Gewinnung neuer Beschäftigter?
Eis: Wenn Sie zum Beispiel IT-Talente suchen, ist das inzwischen einfach eine Voraussetzung. Es ist Marktstandard, dass die Leute arbeiten können, wo sie wollen und nicht in ein Büro kommen müssen. Wir profitieren davon, weil der Talentpool größer ist. Es ist ja egal, ob die Leute in München oder in Hamburg sitzen und arbeiten. Wenn ein Arbeitgeber so etwas heute nicht anbietet, dann bekommt er die Top-Talente einfach nicht.
Lichtblick hat die Bürofläche in der Zentrale am Zirkusweg bereits reduziert und untervermietet. In welchem Umfang?
Eis: Alles in allem waren es 11.000 Quadratmeter, davon sind etwa 650 Quadratmeter jetzt untervermietet. Ich bin überzeugt, dass sehr viele Unternehmen nach den positiven Erfahrungen in der Corona-Krise das Homeoffice nicht total zurückdrehen werden, sondern ähnlich vorgehen werden, wie wir es tun. Das wird die Innenstädte und den Büro-Immobilienmarkt stark verändern.
2022 zieht die Zentrale um ins neue Connexion nahe des Hauptbahnhofs. Wie viel Fläche haben sie dort, und für wie viele Prozent der Beschäftigten wird es dort noch einen Schreibtisch geben?
Eis: Es sind etwa 8000 Quadratmeter. Weil wir schon vor der Pandemie bis zu drei Tagen Homeoffice angeboten haben, hatten wir zunächst mit 70 Prozent Schreibtischen kalkuliert. Mittlerweile gehen wir eher von etwa 50 Prozent aus. Die Möglichkeit zur Untervermietung war von Anfang an auch dort vereinbart.
Corona: Diese Testverfahren gibt es
- PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
- PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
- Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
- Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
- Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
- Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft
Wie stark sinken dann die Mietkosten?
Eis: Das ist eine heikle Frage, und ich kann hier keine Zahlen nennen. Wir sind da bei unseren Vermietern im Wort. Aber wir haben unsere Mietfläche im Connexion nicht nachträglich reduziert, allerdings im Gebäude noch einmal Flächen getauscht. Man muss als Arbeitgeber auch erkennen, dass es schwierig ist, die Leute von zu Hause wieder ins Büro zu locken. Da muss man schon was bieten. Es ist unsere Verantwortung, eine attraktive Umgebung zu schaffen, in der die Beschäftigten gern arbeiten.
Welche Ideen haben Sie da?
Eis: Wir haben zum Beispiel eine große Dachterrasse, es gibt ein Fitnessangebot für die Mitarbeitenden. Es wird eine sehr offene und flexible Arbeitsplatzgestaltung geben, man kann zum Beispiel wählen, ob man am Schreibtisch oder auch mal an der Bar arbeitet. Und es wird sehr viel mit Pflanzen gearbeitet. Ich glaube, da müssen wir uns als Arbeitgeber nicht verstecken.
Und diejenigen, die trotzdem nicht ins Büro kommen wollen, bekommen dann einen Zuschuss für die Kosten daheim?
Eis: Wir stellen die gesamte Arbeitsplatzausstattung für das Arbeiten daheim zur Verfügung. Die Mitarbeitenden können zum Beispiel ihren Bürostuhl oder den Monitor mit nach Hause nehmen. Wir wollen diese Beschäftigten weiterhin zu Hause genauso ausstatten wie im Büro. Was zum Beispiel erhöhte Wasserkosten angeht, sind wir noch in Gesprächen mit dem Betriebsrat, es gibt keine finale Entscheidung. Denn auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Ausgaben, die man sich spart, wenn man nicht ins Büro fährt.
Wie häufig wird man Sie dort künftig wieder sehen?
Eis: Ich bin immer ein großer Verfechter dieser Flexibilität gewesen und freue mich, sehr spontan entscheiden zu können, wo ich arbeite. Ich selber werde nicht jeden Tag ins Office gehen, sondern an gewissen Tagen von zu Hause aus arbeiten.