Berlin. Nächste Runde im Dieselskandal: Jetzt wollen Verbraucherschützer Schadenersatz von Daimler einfordern. Wie stehen ihre Chancen dabei?

Im Schatten des Dieselskandals bei Volkswagen musste auch der Rivale Daimler Zigtausende Fahrzeuge zurück in die Werkstätten rufen. Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete Rückrufe für rund 254.000 Fahrzeuge an – auch hier ging es um Abschalteinrichtungen, mit denen der Schadstoff-Ausstoß nur auf dem Prüfstand die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Absichtliche Manipulationen bestreitet Daimler bis heute. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen Schadenersatz bislang mühsam erstreiten. Eine Klage der obersten Verbraucherschützer soll das ändern.

Mittwochfrüh hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) eine Musterfeststellungsklage die Daimler AG beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereicht. „Wir wollen mit einer weiteren Musterfeststellungsklage ein weiteres Kapitel im Dieselskandal schreiben“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller.

Durch eine Beteiligung können Daimler-Kunden die Verjährung zum Jahresende verhindern – und bei einem positiven Ausgang anschließend Schadenersatz von dem Stuttgarter Hersteller einfordern.

Lage bei Mercedes-Modellen komplizierter als bei VW

Im Fall von VW hatten die Verbraucherschützer und der Konzern Anfang 2020 einen Vergleich geschlossen. 260.000 Betroffene erhielten Angebote für Entschädigungssummen von 1350 bis 6257 Euro von dem Hersteller. Zuvor musste VW bereits im September 2015 die Manipulationen bei der Abgasreinigung von elf Millionen Autos eingestehen. Mehr zum Thema: VW steigt aus – ist der Verbrennungsmotor jetzt am Ende?

Bei Daimler ist die Lage ungleich komplizierter, erklärt Müller. Der Premiumhersteller hat gegen die Anordnungen des Kraftfahrt-Bundesamtes Rechtsmittel eingelegt und wehrt sich gegen die Vorwürfe der vorsätzlichen Täuschung und des sittenwidrigen Verhaltens. Hinzu kommt: Die Fälle sind nicht pauschal verallgemeinerungsfähig, wie es beim Skandalmotor EA189 von VW war.

Ein großes VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen Werk.
Ein großes VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen Werk. © dpa

Konkret geht es in der Klage gegen Daimler um die Modelle Mercedes GLC und GLK mit der Motor-Baureihe OM651. Ohne Software-Update drohte diesen Fahrzeugen die Stilllegung. Es geht bei der Klage zunächst um rund 50.000 Fahrzeuge in Deutschland mit Kaufpreisen von rund 40.000 Euro und mehr. Besitzer können unter www.musterfeststellungsklagen.de prüfen, ob auch ihr Fahrzeug betroffen ist. Die Anmeldung zum Klageregister ist für Verbraucher kostenlos.

Müller: Jederzeit bereit für Vergleichsverhandlungen mit Daimler

Rechtsanwalt Christian Grotz, Geschäftsführer der Kanzlei Stoll&Sauer, schätzt, dass es bislang eine vierstellige Zahl an Einzelverfahren gegen Daimler in Deutschland gibt. Ausgang: oft ungewiss. „Der Klageerfolg hängt bei Daimler ganz entscheidend vom jeweiligen Sachvortrag ab“, sagt er. Immer öfter landen die Fälle jetzt auch vorm Oberlandesgericht.

Gerade in der ersten Instanz an Landgerichten könnten sich die Richter oft nur schwer mit den komplexen Sachverhalten auseinandersetzen. Die Musterfeststellungsklage soll nun ein für alle mal Klarheit bringen. „Wir können sehr dezidiert vortragen, auf welcher Grundlage das Kraftfahrt-Bundesamt die Rückrufe erlassen hat“, betont Grotz.

Verbraucherschützer Müller will mit der Klage gegen Daimler gegebenenfalls bis vor den Bundesgerichtshof ziehen. „Natürlich sind wir bereit, bis zum Ende durchzuklagen“, sagt er. „Wir sind jederzeit bereit, auch mit Daimler in Vergleichsverhandlungen einzutreten.“

Der Autohersteller Daimler hält die Forderungen nach Schadenersatz für „unbegründet“, wie der Konzern mitteilt. Die Stuttgarter wollen sich dagegen zur Wehr setzen.