Hamburg. Bezirksleiter Daniel Friedrich drängt Management auf schnelle Gespräche über geplanten Konzernumbau – sonst drohe ein „heißer Herbst“.
Im April kündigte Airbus überraschend einen Konzernumbau an. Im Bereich der Flugzeugfertigung sollen drei neue Unternehmenstöchter (zwei deutsche, eine französische) gegründet werden. Das Hamburger Werk mit rund 15.000 Beschäftigten wäre massiv betroffen. Etwa 4000 Beschäftigte sollen in die geplante Aerostructures-Einheit wechseln, die Rumpfschalen fertigen und montieren soll. Die von Airbus einst ausgegliederte Tochter Premium Aerotec Group (PAG) soll zum Großteil in die Tochter integriert werden. Das Abendblatt sprach mit Daniel Friedrich, dem Bezirksleiter der IG Metall Küste, über die Pläne des Flugzeugbauers.
Hamburger Abendblatt: Herr Friedrich, die IG Metall wehrt sich massiv gegen die Umbaupläne von Airbus. Warum?
Daniel Friedrich: Wir erkennen in der vorgeschlagenen Struktur keine Zukunftsfähigkeit. Es werden nur neue Schnittstellen geschaffen, indem neue Töchter gegründet werden. Diese werden sich verstärkt am Weltmarkt behaupten müssen. Wie lange dort angesiedelte Arbeitspakete in den Werken verbleiben, ist offen. Insbesondere an den PAG-Standorten Varel und Augsburg – dort soll eine separate Tochter für die Einzelteilfertigung entstehen – befürchten wir den Verkauf von Werken. Wir bezweifeln, dass Airbus durch die neue Struktur tatsächlich stärker wird. Die Pläne werden die Luftfahrtindustrie in Norddeutschland schwächen.
Welche Verschlechterungen für die Beschäftigten befürchten Sie?
Friedrich: Im ersten Schritt wird es keine Verschlechterungen geben, weil wir starke Tarifverträge und gesetzliche Regelungen haben. Aber schauen wir auf Ausgliederung der PAG vor zehn Jahren: Dort bekommen die Beschäftigten zwar weiterhin ihren Tariflohn. Aber zusätzlich werden sie nach Leistung bezahlt. Und dieses Prämienentgelt ist dort wesentlich geringer als bei Airbus. Auch die Ausruhzeiten sind kürzer. Es gab immer wieder Druck auf die Arbeitsbedingungen, damit die Fertigung von Teilen im Werk bleibt. Je weiter man von der Airbus-Familie entfernt ist, desto mehr Druck wird bei jeder Standortentscheidung weitergegeben. Das Problem: Airbus ist bei PAG Gesellschafter und Kunde in einem. Während der Gesellschafter Profit anstrebt, will der Kunde die Ware so günstig wie möglich. Aus diesem Teufelskreis kam PAG nie heraus – das befürchten wir für die Zukunft auch bei der Aerostructures-Einheit. Der geplante Verkauf kam nie zustande, trotzdem wurde ein Überbau geschaffen, der natürlich Kosten und Bürokratie mit sich gebracht hat. PAG ist trotz der tollen Arbeit der Beschäftigten keine Erfolgsgeschichte, die nach Wiederholung schreit.
Befürchten Sie bei der geplanten Aerostructures-Einheit einen Verkauf?
Friedrich: Bei der Einzelteilfertigung in Varel und Augsburg besteht die Gefahr. Bei der Aerostructures-Einheit befürchten wir derzeit keinen Verkauf, aber eine extreme Wettbewerbssituation. Wenn eine eigene Struktur gebildet wird mit separater Gewinn- und Verlustrechnung, werden diese Bereiche noch stärker als bisher in den Wettbewerb mit anderen Unternehmen gestellt, die ebenfalls Rumpfschalen anbieten. Perspektivisch befürchten wir, dass gerade beim Nachfolger des A320-Fliegers neue Teile nicht mehr in Deutschland und Europa gefertigt werden, sondern im günstigeren Ausland.
Rechtlich haben Sie bei einer Ausgliederung von Unternehmensteilen keine Mitsprache …
Friedrich: Stimmt, eine rechtliche Teilhabe haben wir nicht. Wir können es nur sehr intensiv und lange prüfen. Wir werden versuchen, unsere Mitglieder in Sozialtarifverträgen so weit wie möglich abzusichern. Für solche Themen sind wir mobilisierungsfähig. In allen betroffenen Bereichen – also in Augsburg, Varel, Nordenham, Stade und Hamburg – sind 90 bis 98 Prozent der Belegschaft Mitglied der IG Metall. Wir werden nicht zuschauen, wie die Kolleginnen und Kollegen in eine unsichere Zukunft geschickt werden.
Was sind Ihre Kernforderungen?
Friedrich: Wir brauchen Zukunftsperspektiven für alle Standorte. Die Abspaltung und der geplante Verkauf der Einzelteilefertigung in Deutschland darf nicht erfolgen. Es muss eine gute tarifliche Regelung geben. Wir brauchen eine feste Zusage für Aufträge – für jetzt und langfristig. Wenn man die Aerostructures-Einheit richtig machen will, muss PAG mit in die Struktur genommen werden. Aber für den Bereich muss es auch kräftige Investitionszusagen geben. Denn beim künftigen, zum Beispiel mit Wasserstoff angetriebenen Flugzeug wird es erhebliche Veränderungen am Rumpf geben – und diese kosten viel Geld. Wenn wir den Schritt des Konzernumbaus mitgehen sollen, brauchen wir eine langfristige Beschäftigungs- und Standortsicherung bis 2035.
Das ist sehr lange ...
Friedrich: Wir haben 2011 eine Beschäftigungssicherung für zehn Jahre vereinbart. Trotz Corona und der intensiven Klimadiskussion hat der Flugzeugmarkt weiterhin eine gute Perspektive. Bei Airbus wird am Flieger der Zukunft mit null Emissionen gearbeitet. Wenn der Arbeitgeber mit dem Konzernumbau einen so radikalen Schritt geht und erwartet, dass die Beschäftigten und Arbeitnehmervertreter diesen mitgehen, muss das mit einer verbindlichen langfristigen Zusage verbunden sein – wenn das Management an seine Pläne glaubt, dann können sie eine solche Zusage geben. Wenn nötig, werden wir viel Druck machen.
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Das heißt, Sie planen Aktionen ...
Friedrich: Es könnte im Herbst Warnstreiks und andere Aktionen geben. Beispielsweise halte ich es für vermessen, die Kolleginnen und Kollegen in eine unsichere Zukunft zu schicken und zu erwarten, dass sie Extraschichten machen. Die Beschäftigten sind für das Thema sensibilisiert.
Wie ist die Stimmung im Betrieb?
Friedrich: Angespannt. Schauen wir auf Hamburg: Hier soll eine künstliche Grenze durch das Werk gezogen werden. Wer heute mein Kollege ist, soll morgen aus einer anderen Firma kommen. Einige sind wütend, weil im vergangenen Jahr wegen der Branchenkrise massiv Stellen abgebaut wurden. 2300 Beschäftigte auf Finkenwerder nahmen ein Abfindungsangebot an und verließen den Konzern. Statt jetzt wieder in Ruhe Flugzeuge zu bauen, wird vom Management ein neues Fass aufgemacht. Das sorgt für große Unruhe.
Erhalten Sie Unterstützung aus der Politik?
Friedrich: Die Politik in den Ländern ist sehr an der Seite der Beschäftigten, wir haben dort große Unterstützung. Die deutschen Standorte dürfen nicht schlechter als die französischen gestellt werden. In Frankreich soll die Einzelfertigung ja nicht verkauft werden. Es gibt großen Druck aus den Landeshauptstädten auf Berlin, aktiv zu werden. Auch die Bundeskanzlerin erwartet einen Kompromiss des Managements mit den Sozialpartnern. Airbus ist und bleibt ein politisches Unternehmen, das Steuergelder und Aufträge aus dem Militärbereich braucht. Bei allen gewährten staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld und Luftfahrtforschungsmitteln muss man doch erwarten, dass das zu Wertschöpfung und Beschäftigungssicherung in Deutschland führt.
Was sind die nächsten Schritte?
Friedrich: Wir sind auf das Unternehmen zugegangen und haben gesagt, dass wir uns die neue Struktur grundsätzlich vorstellen können, wenn sie zukunftsfähig gemacht wird und sie unsere Themen akzeptieren. Wir warten auf die Rückmeldung des Managements. Es muss jetzt schnell gehen, damit wir vor Beginn der französischen Sommerferien Anfang August Eckpunkte festzurren. Ansonsten laufen wir in einen heißen Herbst hinein.