Berlin. Die Impfkampagne lässt bei den Herstellern der Vakzine die Kassen klingeln: Biontech, Pfizer und Moderna vermelden Milliardengewinne.

An der Goldgrube 12, Mainz. So lautet die Adresse des Corona-Impfstoffherstellers Biontech. Jahrelang sah es so aus, als würden die Gründer Özlem Türeci (54) und Ugur Sahin (55) mit ihrer Forschung an mRNA-Technologie für Immuntherapien gegen Krebs aus geschäftlicher Sicht noch lange nach der Goldader suchen müssen. Noch vor einem Jahr verbrannte ihr Unternehmen innerhalb von drei Monaten 58 Millionen Euro. Dann kam die Corona-Pandemie. Und sie veränderte alles.

Die Mainzer entwickelten in kurzer Zeit einen der effektivsten Impfstoffe gegen das Virus. Der Start der Impfkampagnen, der in vielen Ländern rund um den Jahreswechsel erfolgte, spült viel Geld in die Kassen der Impfstoffhersteller. So auch bei Biontech, wie die am Montag (10.5.) veröffentlichten Quartalszahlen zeigen.

Von Januar bis Ende März kam das deutsche Vorzeigeunternehmen auf einen Umsatz von 2,05 Milliarden Euro. Das war 70-mal mehr als Anfang 2020. Bemerkenswert ist auch die Zahl unterm Strich: Biontech erzielte einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro.

Die Biontech-Gründer haben die Krise als Chance genutzt: Ihr Unternehmen hat einen Impfstoff entwickelt. Dafür wurde Özlem Türeci und ihrem Mann Ugur Sahin das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Die Biontech-Gründer haben die Krise als Chance genutzt: Ihr Unternehmen hat einen Impfstoff entwickelt. Dafür wurde Özlem Türeci und ihrem Mann Ugur Sahin das Bundesverdienstkreuz verliehen. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Jahresgewinn von bis zu sieben Milliarden Euro möglich

Auch der Ausblick liest sich imposant: Im gesamten Jahr 2021 will Biontech mindestens 1,8 Milliarden Impfstoffdosen verkaufen und damit 12,4 Milliarden Euro Umsatz erreichen. Dank zusätzlicher Lieferverträge ist das ein Viertel mehr als bislang angenommen. Bis zum 6. Mai hat das Unternehmen bereits 450 Millionen Dosen des Vakzins ausgeliefert.

Möglich ist damit ein Jahresgewinn von sechs bis sieben Milliarden Euro. Damit wäre das Mainzer Unternehmen innerhalb eines Jahres zum ertragsstärksten Pharmaunternehmen in Deutschland aufgestiegen.

Biontech arbeitet bei Produktion und Vertrieb mit dem US-Pharmakonzern Pfizer zusammen. Die Partner teilen sich Umsatz und Gewinn. Sie halten es für möglich, in diesem Jahr sogar bis zu drei Milliarden Impfdosen auszuliefern. Das lässt Spielraum für weitere Steigerungen von Umsatz und Gewinn.

Pfizer – bekannt durch die Potenzpille Viagra – machte in den ersten drei Monaten des Jahres 3,5 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro) Umsatz mit dem gemeinsam vertriebenen Impfstoff Comirnaty. Den Gewinn des Geschäftszweigs weist der Konzern nicht einzeln aus.

Biontech vervierfacht Unternehmenswert innerhalb eines Jahres

Die goldglänzenden Quartalszahlen aus Mainz lassen Anleger jubeln. Die Biontech-Aktie sprang nach der Bekanntgabe am frühen Nachmittag um zehn Prozent auf rund 165 Euro in die Höhe. Damit hat sich der Wert der Aktie und des Unternehmens innerhalb eines Jahres vervierfacht.

Biontech ist jetzt rund 36,5 Milliarden Euro wert – in etwa so viel wie der traditionsreiche Persil-Hersteller Henkel. Gründer Ugur Sahin gehören 18 Prozent der Aktien mit einem Wert von 6,6 Milliarden Euro.

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Die Geschäftserwartungen gelten jedoch alles andere als gesichert. Als US-Präsident Joe Biden in der vergangenen Woche über eine Freigabe der Impfstoff-Patente für einen schnelleren Kampf gegen die Pandemie sinnierte, stürzte die Biontech-Aktie auf 120 Euro ab.

Biontech-Gründer Sahin sagt am Montag dazu: „Zusammen mit anderen Impfstoff-Entwicklern wird in den nächsten neun bis zwölf Monaten mehr als genug Impfstoff hergestellt, und es gibt nicht die geringste Notwendigkeit, Patente aufzuheben.“ Über 40 Prozent der Einheiten seien für Länder mit geringen und mittleren Einkommen vorgesehen.

Moderna schrieb 2020 noch 750 Millionen Dollar Verlust

Eine ähnliche Entwicklung hat der US-Impfstoffhersteller Moderna hingelegt. Moderna setzt wie Biontech auf mRNA-Technologie. Das Unternehmen erzielte im ersten Quartal 2021 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Dollar (1,56 Milliarden Euro), davon 1,7 Milliarden Dollar mit dem Corona-Vakzin.

Unterm Strich blieb ein Gewinn von 1,2 Milliarden Dollar. Das Unternehmen aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts hatte im vergangenen Jahr fast 750 Millionen Dollar Verlust eingefahren.

Auch das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac hofft nach der Zulassung des eigenen mRNA-Impfstoffs auf den Durchbruch. Das Unternehmen hat 2020 vor Steuern 129,8 Millionen Euro verloren. Im Vorjahr lag das Minus bei 100,1 Millionen Euro. Die Zulassung des Vakzins wird für Juni erwartet.

Der Bund hatte für die Impfstoffentwicklung 750 Millionen Euro nicht zurückzuzahlende Fördermittel zur Verfügung gestellt: 375 Millionen Euro für Biontech, 252 Millionen für Curevac sowie 114 Millionen für IDT Biologika in Sachsen-Anhalt. Bis Ende Februar hatte Biontech hat fast die gesamte Summe abgerufen (326 Millionen Euro), Curevac (103) und IDT Biologika (20) deutlich weniger.

Astrazeneca verkauft Corona-Vakzin ohne Gewinn

Einen anderen Weg hatte von vornherein der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca eingeschlagen. Mit dem federführend von Forscherinnen und Forschern der Universität Oxford entwickelten Impfstoff will das Unternehmen keinen Gewinn machen.

Konzernchef Pascal Soriot vermeldete am Freitag vergangener Woche einen Quartalsumsatz von 275 Millionen Dollar mit dem Impfstoff Vaxzevria. Mit einem Preis von rund 3,40 Euro pro Dosis liegt das Präparat deutlich unter den anderen Anbietern. Eine Biontech-Dosis kostet Medienberichten zufolge 15,50 Euro.

Astrazeneca zahlt bei Vaxzevria offenbar sogar drauf. Ohne den Impfstoff wäre der Gewinn je Aktie, der im ersten Quartal bei 1,63 Dollar lag, um drei Cent höher ausgefallen.

Wie die Geschäfte des US-Pharma­giganten Johnson & Johnson mit dem Impfstoff seiner belgischen Tochter Janssen laufen, ist bislang nicht bekannt. Der Konzern weist die Zahlen nicht aus.