Hamburg. Beschäftigte können Angebot zweimal pro Woche nutzen. Umsatz und Gewinn sollen 2021 steigen. Aktienkurs legt deutlich zu.
Mit virtuellen Bilanz-Pressekonferenzen kennt man sich bei Jungheinrich aus. Bereits zum vierten Mal präsentierte der Hamburger Gabelstaplerbauer Jahreszahlen per Videostream. Denn im Gegensatz zu anderen Unternehmen hatte man sich schon vor Corona für dieses Format entschieden. Doch am Freitag gab es eine Premiere. Erstmals sendete das Unternehmen aus dem neuen digitalen Media-Studio im Foyer der Zentrale in Wandsbek.
Dafür hatten sich am Morgen der Vorstandsvorsitzende Lars Brzoska, Finanzchef Volker Hues und die weiteren an der Produktion des Streams Beteiligten auf Corona testen lassen – ein Angebot, das es seit wenigen Tagen für alle 990 Mitarbeiter in der Konzernzentrale gebe.
Medizinisches Fachpersonal nimmt die Tests vor
Einem wohl bevorstehenden Beschluss der Politik dazu ist die Firma damit zuvorkommen. „Die Bundesregierung braucht uns hier gar nicht zu verpflichten. Wir gehen solche Themen proaktiv an“, sagte Brzoska dem Abendblatt.
Zweimal die Woche hätten die Beschäftigten auf Eigeninitiative die Möglichkeit zu einem Antigen-Schnelltest, den medizinisches Fachpersonal vornehme. Die Kosten dafür übernehme die Firma. Die Einführung des Angebots sei an allen deutschen Standorten schon erfolgt oder stehe in Kürze bevor. „Für uns ist das eine moralische Verpflichtung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Deshalb machen wir das aus freien Stücken“, sagte Brzoska.
In einigen Ländern würden die Impfkosten übernommen
Zudem könnten künftig Betriebsärzte die Mitarbeiter impfen – wenn ausreichend Impfstoff da sei. In Ländern, in denen zum Beispiel die Krankenkassen die Impfung nicht bezahlen, werden die Kosten laut Vorstandsbeschluss übernommen.
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Das gelte auch, wenn durch die Kostenübernahme die Impfung beschleunigt werden könne, so Brzoska. „Für uns hat der Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höchste Priorität. Das hat natürlich auch einen wirtschaftlichen Aspekt, denn wenn die Kolleginnen und Kollegen krank sind, dann schadet das auch uns.“
Im Jahr 2020 verdiente Jungheinrich 218 Millionen Euro
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist Jungheinrich recht ordentlich durch das Pandemie-Jahr gekommen. Im Oktober hatte der Konzern seine Prognose für 2020 erhöht – und diese nun mindestens erfüllt. Der Umsatz lag mit 3,81 Milliarden Euro höher als in der Spanne von 3,5 bis 3,7 Milliarden erwartet. Das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) mit 218 Millionen Euro im oberen Bereich der avisierten 180 bis 230 Millionen Euro.
Nichtsdestotrotz bedeutet dies gegenüber dem Jahr 2019 Einbußen von sieben Prozent beim Umsatz und 17 Prozent beim Ebit. Die Gründe: die Pandemie, eine geringere Auslastung und eine Corona-Prämie für die Beschäftigten. Sie belaste das Ergebnis mit 13 Millionen Euro, so Hues.
Für die Metropolregion werden Mitarbeiter gesucht
Das Personal schrumpfte weltweit um zwei Prozent auf 18.103 Mitarbeiter. Dies sei durch natürliche Fluktuation geschehen, indem frei werdende Stellen nicht wiederbesetzt wurden, und durch den Abbau von Leiharbeit. Auf betriebsbedingte Kündigungen wurde weltweit verzichtet, so Brzoska. „In Hamburg und Umgebung haben wir die Mitarbeiterzahl nicht abgebaut.“
Nun sollen sogar wieder Stellen aufgebaut werden. „In der Metropolregion suchen wir eine gute zweistellige Zahl an neuen Mitarbeitern, vor allem IT-Experten wie Software-Ingenieure und Fachleute für Cybersecurity, aber auch Servicetechniker.“ Insgesamt sind in Hamburg, Lüneburg, Kaltenkirchen und Norderstedt rund 3500 Mitarbeiter bei Jungheinrich beschäftigt.
Im vierten Quartal stieg das Auftragsvolumen deutlich an
Für 2021 ist der Vorstand trotz der bestehenden Unsicherheiten optimistisch. Vor allem auch, weil bereits im vierten Quartal die Geschäfte spürbar anzogen. Der Wert der Auftragseingänge stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 15 Prozent, auch der Gewinn legte zu. Für Europa soll das Marktvolumen im Gesamtjahr im mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen.
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Der Umsatz soll auf 3,9 bis 4,1 Milliarden Euro steigen, der operative Gewinn auf 260 bis 310 Millionen Euro und das Nettoguthaben von derzeit 194 Millionen auf deutlich mehr als 200 Millionen Euro. Covid-19 sollte durch Impfungen und weniger Lockdowns einen deutlichen geringen Einfluss auf das wirtschaftliche Handeln haben. „Sollten wir es schaffen, genauso gut wie 2020 unsere Lieferketten stabil zu halten, trauen wir uns diese Ergebnisse wirklich zu“, so Brzoska.
Trotz niedriger Dividende legt die Aktie zu
An der Börse kam die Prognose des Vorstandes gut an – obwohl die Dividende je Vorzugsaktie von 48 auf 43 Cent sinken soll. Die Titel legten bis zum Nachmittag rund acht Prozent auf mehr als 38 Euro zu. In einer aktuellen Studie stufte das Bankhaus Warburg Research die Anteilsscheine von „Halten“ auf „Kaufen“ hoch. Das Kursziel wurde leicht von 39 auf 40 Euro erhöht. Begründet wurde dies mit der stärker als erwarteten Marktentwicklung in Europa im ersten Quartal.
Die Baader Bank beließ die Titel auf „Aufstocken“ und das Kursziel bei 35 Euro. Auftragseingang und Umsatz 2020 hätten die Erwartungen übertroffen, hieß es. Der Ausblick auf das laufende Jahr sei sehr optimistisch.
Anteilsscheine notieren zeitweise nahe des Rekordniveaus
In den vergangenen Jahren war das Papier allerdings auch lange Zeit im Sinkflug. Anfang 2018 notierte es bei 41,60 Euro. In der Corona-Krise sackte der Kurs im März 2020 auf gut zehn Euro ab. Doch seitdem klettern die Titel wieder in die Höhe, teilweise waren sie nahe des Rekordkurses. „Es zeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten Leistung bringen, profitabel sind – und das wird vom Kapitalmarkt wertgeschätzt“, sagte Hues und ergänzte: „Wir sind mit der Kursentwicklung sehr zufrieden und positiv für 2021 gestimmt.“