Hamburg. Vor allem Schiff- und Flugzeugbau sind in Not, zeigt eine Umfrage des Arbeitgeberverbands Nordmetall.
Airbus hat Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, die kleine Werft Pella Sietas auch. Die beiden Hamburger Unternehmen stehen nur exemplarisch für die tiefen Spuren, die die Corona-Pandemie in der Metall- und Elektroindustrie im Norden hinterlassen hat. Zum fünften Mal seit Beginn der Krise hat der für die Branche in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und dem nordwestlichen Niedersachsen zuständige Arbeitgeberverband Nordmetall seine 67o angeschlossenen Betriebe, zu ihrer geschäftlichen Entwicklung befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: 44 Prozent sprechen von akuten Auftragsmängeln, in Hamburg sind es sogar 47 Prozent. 55 Prozent der befragten Unternehmen erleiden mittlere bis sehr starke Produktionseinschränkungen. Spitzenwerte mit 68 Prozent kommen aus Niedersachsen, in Hamburg sind es 57 Prozent.
Wann wieder das vor Corona-Niveau in der Produktion erreicht wird, ist unklar. Viele Betriebe scheuen eine Prognose. „Die Krisen-Talsohle seit dem betrieblichen Lockdown im Frühjahr 2020 ist längst noch nicht durchschritten, unsere Unternehmen rechnen auch in Hamburg nicht vor Mitte 2022 mit der Rückkehr zum Vorkrisenniveau“, sagt der Hamburger Vizepräsident von Nordmetall Thomas Piehler.
Kündigungen bereits bei 38 Prozent der Betriebe
Ein solch langer Produktionsrückgang bleibt nicht ohne Folgen: „Besonders im Schiff- und Flugzeugbau aber auch bei Gießereien droht angesichts weggebrochener Aufträge ein spürbarer Arbeitsplatzverlust, auch die Autohersteller und -Zulieferer stehen weiter unter schwerem Druck“, so Piehler, der Arbeitsdirektor bei Philips ist. Der Umfrage zufolge sagt jedes fünfte Unternehmen, es sehe sich gezwungen, die Zahl seiner Mitarbeiter zu verringern. Rund 4000 Arbeitsplätze sind in den kommenden Monaten konkret bedroht. Bei den Metallerzeugungs- und -verarbeitungsbetrieben haben 38 Prozent angegeben, dass sie bereits betriebsbedingte Kündigungen infolge der Corona-Krise ausgesprochen haben.
42 Prozent der Branche nutzen weiter das Instrument der Kurzarbeit, um die auftragsschwache Zeit zu überbrücken. Das sind zwar fünf Prozent weniger als im Oktober, aber sieben Prozent mehr als zum Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020. Spitzenreiter sind hier der Straßenfahrzeugbau (71 Prozent), gefolgt von Luft- und Raumfahrzeugbau (67 Prozent) und dem Schiffbau (58 Prozent). Bei den betroffenen Betrieben sind im Durchschnitt 56 Prozent und damit mehr als die Hälfte der Belegschaft in Kurzarbeit. Durchschnittlich werden in diesen Unternehmen noch weitere acht Monate mit der geförderten Beschäftigtenreduzierung erwartet, was in der Summe eineinhalb Jahre ausmachen würde.
Weniger als zehn Prozent der befragten Firmen sagen, keine Kostensteigerungen zu verspüren. Bei dem Rest gibt fast die Hälfte an, dass es ihnen nicht gelingt, die Kostensteigerungen durch höhere Preise aufzufangen.
Nur 13 Prozent planen Neueinstellungen
Mit Blick auf die kommenden Monate planen nur 13 Prozent aller Unternehmen Neueinstellungen bis zum Frühjahr und weitere 21 Prozent im Laufe des Jahres. Der Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der industrienahen Dienstleitungen. 34 Prozent der Betriebe wollen ihre Investitionen im Vergleich zum Vorjahr zurückfahren, 42 Prozent stabil halten und nur 24 Prozent erhöhen. Das rundet einen insgesamt negativen Ausblick ab.
Mit Blick auf die am heutigen Montag in Bremen startende dritte Runde der Tarifverhandlungen für die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie warnt Piehler vor zu hohen Forderungen: „Schon jetzt sind die hohen Arbeitskosten für drei von vier Mitgliedsfirmen der größte Standortnachteil im internationalen Wettbewerb. Wenn die Tarifparteien einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen im Norden und in Hamburg verhindern wollen, dürfen sie den Betrieben keine zusätzlichen Kosten aufbürden, sondern müssen ihnen mehr Flexibilität im Personaleinsatz und in der Arbeitszeitgestaltung ermöglichen.“ Die zweite Verhandlungsrunde war Mitte Januar ohne Ergebnis geblieben. Die IG Metall fordert Garantien zur Beschäftigungssicherung und vier Prozent mehr Lohn.
Der Verband Nordmetall vertritt 670 Unternehmen mit 170.000 Beschäftigten. 174 Firmen mit rund 94.000 Beschäftigten nahmen an der aktuellen Befragung teil.