Hamburg. Hamburg rüstet auf: Bis Ende 2022 sind bis zu 7400 weitere Ladepunkte im halböffentlichen und privaten Bereich geplant.

Bei der Elektromobilität hat Hamburg im Vergleich der Bundesländer die Nase vorn: Jedes 55. Auto in der Hansestadt hat nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts entweder einen reinen Elektro- oder einen von außen aufladbaren Hybridantrieb. Im deutschlandweiten Schnitt gilt dies erst für jeden 83. Pkw. In den nächsten Jahren wird sich die Verbreitung der E-Fahrzeuge erheblich erhöhen, denn in Hamburg gehörte zuletzt schon etwa jedes zehnte neu zugelassene Auto zu dieser Kategorie.

Voraussetzung für ihren Betrieb ist jedoch eine ausreichende Versorgung mit Stromtankstellen. Im Hinblick auf die Zahl der Ladesäulen im öffentlichen Raum hat sich in den vergangenen Jahren ein regelrechter Wettbewerb unter den größten Städten in Deutschland entwickelt: Lange rangierte Hamburg hierbei auf dem ersten Platz, aktuell liegt die Elbmetropole mit 1161 Ladestationen jedoch hinter Berlin (1355) und München (1286). Nach den Plänen des Senats sollen jährlich weitere 200 hinzukommen.

Mehrheit der Ladevorgänge an privaten Stellplätzen oder bei der Arbeit

Allerdings kommt eine vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2030 weniger als ein Viertel aller Ladevorgänge an öffentlich zugänglichen Säulen erfolgen werden, die deutliche Mehrheit aber entweder am privaten Stellplatz oder während der Arbeit auf Firmenparkplätzen.

Vor diesem Hintergrund hat man in Hamburg bereits im Jahr 2019 unter der Regie der Wirtschaftsbehörde das Projekt ELBE gestartet. Es ist das größte deutsche Förderprogramm für den Aufbau von Ladestationen an und in Wohn- oder Gewerbeimmobilien sowie auf Firmengeländen.

Das Projekt – der Name ist eine Kurzform von „Electrify Buildings for EVs“, was „Elektrifizierung von Gebäuden für Elektromobile“ bedeutet – läuft bis Ende September 2022. Das Ziel ist es, durch Zuschüsse maximal 7400 weitere Ladepunkte im halböffentlichen und privaten Bereich zu ermöglichen.

IFB übernimmt bis zu 60 Prozent der Kosten für Ladesäulen

Damit übernimmt die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) bis zu 60 Prozent der Kosten, die einschließlich Installation bei knapp 3000 Euro je Stromtankstelle liegen können. Andreas Räber, Chef der Firma Räber Kommunikationstechnik in Groß Borstel, hat mit der Förderung elf Ladepunkte vor dem Firmengebäude eingerichtet.

Das Besondere dabei: Außerhalb der Geschäftszeiten können sie auch von Privatpersonen genutzt werden. „Dies ist eigentlich ein reines Gewerbegebiet, aber dennoch kommen recht viele Menschen, um am Wochenende ihr Auto hier bei uns aufzuladen“, sagt Räber.

Zur Firmenflotte gehören inzwischen sieben Elektro- und zwei „Plug-In-Hybrid“-Fahrzeuge, vier weitere E-Autos sind bestellt. Schon 2012 hatte Räber mit der Elektrifizierung der Flotte begonnen und zunächst fünf Ladepunkte hinter dem Gebäude errichten lassen. „Ich bin einfach auf dem Umwelt-Trip und habe mich bemüht, einer der ersten zu sein, die auch bei Firmenwagen auf Elektromobilität setzen“, so Räber, „denn ich möchte zu einer Enkel-tauglichen Zukunft beitragen.“

Es gibt noch einige Hürden bei der E-Mobilität

Seine neuen Ladesäulen sind sogar mit einer Photovoltaikanlage und einem Batteriespeicher verbunden. Räber fährt selbst ein E-Auto und mehrere seiner 38 Beschäftigten nutzen ihren Firmenwagen mit Elektroantrieb auch privat.

Bei dem Hamburger Büroimmobilienvermieter Alstria Office REIT liegen die Dinge anders. Zwar hat die Firma ebenfalls mit der ELBE-Förderung acht Ladepunkte geschaffen, sie sind aber nur den Mietern vorbehalten. Ausgangspunkt war hier auch nicht ein persönliches Motiv. „Wir beschäftigen uns seit etwa vier Jahren mit dem Thema Elektromobilität, weil wir davon ausgegangen sind, dass das Interesse unserer Mieter daran steigen wird“, sagt Tristan Holtkamp, Nachhaltigkeitsmanager bei Alstria.

„Es war aber gar nicht so leicht, einen Ladesäulenbetreiber zu finden, der die besonderen steuerrechtlichen Anforderungen in der Immobilienwirtschaft versteht, bis wir auf Ubitricity gestoßen sind“, so Holtkamp. Das Berliner Unternehmen ist einer der fünf Ladepunktbetreiber, die Partner des Projekts ELBE sind: „Dies ist nach meiner Kenntnis das erste Förderprogramm, bei dem es auch Geld für Ladepunkte außerhalb des öffentlichen Raums gibt.“

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Bei Alstria sieht man nicht nur finanzielle Vorteile: Alle mit Fördermitteln errichteten Stromtankstellen sind mit Datenleitungen vernetzt und können intelligent gesteuert werden – das ist Gegenstand von Forschungen an der Helmut-Schmidt-Universität.

„Durch ein dynamisches Lastmanagement können wir die doppelte oder sogar dreifache Zahl von Ladepunkten in einem Gebäude einbauen, denn ab 20 elektrifizierten Stellplätzen kommen die meisten Bestandsgebäude an ihre Stromlastgrenzen“, erklärt Holtkamp.

Tatsächlich plant er schon weitere 17 Ladepunkte für ein Objekt in der Steinstraße, wo Alstria auch selber den Firmensitz hat und sie somit auch von den eigenen Beschäftigten genutzt werden können, und sogar 30 an einem anderen, noch nicht genannten Standort in Hamburg. Sie alle sollen ebenfalls eine ELBE-Förderung erhalten, zumal Holtkamp mit der Abwicklung gute Erfahrungen gemacht hat: „Das läuft sehr entspannt.“

Firmen skeptisch bei Investition in Ladeinfrastruktur

Räber klingt nicht ganz so begeistert: „Man braucht einen langen Atem und eine Vorfinanzierung, außerdem müssen im laufenden Betrieb jährliche Berichte erstellt werden.“ Nach Angaben der Wirtschaftsbehörde sind inzwischen 83 Anträge für 642 Ladepunkte bewilligt worden. Neben Räber Kommunikationstechnik und Alstria haben unter anderem das Softwarehaus Dakosy, Pflegepartner Hamburg und das Best Western Plus Hotel Böttcherhof eine Förderung erhalten.

Gemessen am Ziel von 7400 Ladepunkten wirkt die bisher erreichte Zahl mager. Von der Wirtschaftsbehörde heißt es dazu, es sei schwieriger als gedacht, Firmen von der Investition in Ladeinfrastruktur zu überzeugen, weil aus deren Sicht der Bedarf noch nicht da sei: „Hier versuchen wir, weiter Überzeugungsarbeit zu leisten.“

​Dass die Firmen bisher nicht noch mehr Stromtankstellen errichtet haben, könnte auch an den beschränkten Einsatzmöglichkeiten von E-Autos für gewerbliche Zwecke liegen. „Die Nutzlast ist meist zu gering, um einen Anhänger zu ziehen“, sagt Räber. Zudem seien die Firmenwagen häufig in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein unterwegs, aber abseits großer Städte seien Schnelllademöglichkeiten noch rar: „Ich bin war zwar mit einem E-Golf auch schon in Dresden gewesen, aber für einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern habe ich dann doch den alten Verbrenner wieder aus der Tiefgarage geholt.“