Berlin. Der Bitcoin erlebt derzeit einen Höhenflug, viele Privatanleger investieren in das digitale Gold. Das freut auch Betrüger und Erpresser.

Im Juli 2019 kommt es zu Aufruhr beim Deutschen Roten Kreuz in Mainz. Cyberkriminelle greifen die dortige Trägergesellschaft der Organisation an. Die Hacker verschlüsseln mit Hilfe einer Schadsoftware die IT-Systeme in mehreren Einrichtungen, viele Helfer sind vom einen auf den nächsten Moment arbeitsunfähig, mehrere Krankenhäuser betroffen. Im Internet betreiben die Erpresser eine eigene Webseite, auf der sie das Lösegeld fordern. Zahlung: in Bitcoins – der bekanntesten verschlüsselten Kryptowährung.

Es ist ein Fall von vielen, in denen Cyberkriminelle ihre Geschäfte per Bitcoin abwickeln. Und es sind Fälle, die viele Investoren und Anhänger von Kryptowährungen nicht gerne wahrnehmen. Denn eigentlich wollen sie wegkommen vom Schmuddelimage der digitalen Währung, berühmt berüchtigt für ihre Popularität in den verschlüsselten hintersten Ecken des Internets, dem Darknet.

Bitcoin hat sich während Corona-Krise verzehnfacht

Zwölf Jahre ist der Bitcoin bereits im Umlauf, erfunden von Satoshi Nakamoto, ein Pseudonym, bei dem niemand weiß, wer sich dahinter verbirgt. Vor drei Jahren erlebte der Bitcoin schon einmal einen Rausch, stieg über die Marke von 20.000 Dollar, ehe er krachend in sich zusammenstürzte und ein Jahr später nur noch ein Sechstel wert war.

Bitcoin kostet erstmals mehr als 40.000 Dollar
Bitcoin kostet erstmals mehr als 40.000 Dollar

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    Doch mit der Corona-Krise nehmen die digitalen Währungen einen neuen Anlauf. Der Bitcoin hat sich binnen eines Jahres fast verzehnfacht, stieg erstmals über die Marke von 42.000 Dollar. Eine digitale Goldgräberstimmung macht sich breit, erstmals in ihrer Geschichte sind die Kryptowährungen, die neben Bitcoin Namen wie Ether oder Tether oder Ripple tragen, zusammengenommen über eine Billion Dollar wert.

    Kryptowährung erhält "Ritterschlag" von Paypal

    Die als Zockerwährung verschrienen digitalen Münzen werden wieder ans Licht geholt – und dieses Mal mit prominenter Unterstützung. PayPal etwa will Bitcoin als Finanzierungsmittel zulassen, ein „Ritterschlag für die Branche“, wie Finanzexperte Timo Emden findet. „Das schafft Vertrauen. Es ist ein Schlüsselmoment, durch den sich andere Unternehmen jetzt auch trauen und folgen“, sagte der Blockchain-Experte der Frankfurt School of Finance and Management unserer Redaktion.

    Und mit dem Vertrauen springen immer mehr professionelle Großinvestoren auf den Zug auf und investieren. Das hat Folgen.

    "Gold und Bitcoin vergleichbar"

    Während die klassischen Krisenwährungen Gold und Silber zwar bis August eine Rallye hinlegen, danach aber wieder etwas zurückfielen, legten die Kryptowährungen mit der zweiten Corona-Welle im Herbst erst richtig los. Bitcoin scheint zur neuen Krisenwährung zu werden. Aber ist er schon das neue Gold?

    „Gold und Bitcoin sind zumindest vergleichbar“, sagte Thu Lan Nguyen, Senior-Devisenstrategin bei der Commerzbank, unserer Redaktion. „Beides sind knappe Güter und erfüllen nicht die klassische Definition von Geld, sie werden beispielsweise kaum für reale Transaktionen verwendet. Und beide werden von den derzeitigen Inflationsängsten, insbesondere aus den USA, befeuert.“

    Die expansive Geldpolitik wiederum befeuere die Inflationsängste weiter und auch eine anziehende Konjunktur könne die Sorgen vor einer Geldentwertung schüren. Rosige Zeiten also für Edelmetalle – und auch für ihre digitalen Pendants.

    Alles auf Bitcoin - eher Casino als sichere Wette

    Während die Notenbanken immer mehr Geld drucken, ist der Bitcoin limitiert, wirkt also deflationär. Es wird nie mehr als 21 Millionen Stück Bitcoin geben, so sieht es der Code von Satoshi Nakamoto vor. 18,8 Millionen Bitcoin sind bereits auf dem Markt. Diese zwei Säulen – Sorgen vor der Inflation auf der einen Seite und auf der anderen eine Währung mit „deflationärem Gedanken“, wie Emden den Bitcoin bezeichnet, lassen die Fantasie sprießen.

    Der leitende Analyst der Citibank, Thomas Fitzpatrick, ließ im vergangenen November verlautbaren, der Bitcoin-Preis könne auf bis zu 318.000 Dollar pro digitaler Münze steigen. Emden warnt: „Das ist irreführend. Es suggeriert, dass es eine sichere Wette ist. Das hat aber eher was mit Casino zu tun.“

    Videografik: Der Bitcoin
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      Kryptowährungen: 70 Prozent kriminelle Geschäfte

      Und doch scheinen in diesem Casino derzeit viele mitspielen zu wollen. Das freut auch die einstige Kernklientel des Bitcoin, dubiose Gestalten in der Unterwelt. Sicherheitsexperten sprechen schon von einer ganz eigenen „Branche“, der Bitcrime. Ermittler sehen einen regelrechten Konkurrenzkampf der Kriminellen, um schneller als andere Gruppen ihre Erpresser-Software zu installieren.

      Ein Forscherteam der Universität von Sydney hat 2018 geschätzt, dass knapp 80 Milliarden US-Dollar an Bitcoins in kriminellen Aktivitäten umgesetzt werden, jedes Jahr. Und die IT-Analysten von „Cybersecurity Ventures“ rechnen damit, dass 2021 rund 70 Prozent aller Krypto-Münzen durch kriminelle Geschäfte erwirtschaftet werden.

      Hackerangriffe als Dienstleistung

      Allein in der Asservatenkammer des Bundeskriminalamts landeten 2019 knapp 12,5 Millionen Euro beschlagnahmter Kryptowährung. 2018 waren es noch 5,5 Millionen. Die Ermittler gehen davon aus, „dass die Attraktivität von Kryptowährungen für Cyberkriminelle auch in Zukunft weiter ansteigen dürfte“, teilt das BKA auf Nachfrage unserer Redaktion mit.

      Dies liege nicht nur an der Identitätsverschleierung, die bei Kryptogeld leicht möglich ist. „Vor allem in Zeiten der COVID-19-Pandemie könnten Cyberkriminelle vermehrt Online-Geschäfte und diesbezügliche Zahlungssysteme attackieren", sagt das BKA.

      Einige Cyberkriminelle bieten bereits ihre Software für einen Hackerangriff als eine Art „Dienstleistung“ auf dem illegalen Markt an — für andere Hacker, die damit Geld erpressen wollen.

      BKA warnt vor weitreichenden Angriffen

      „Bitcoin“ ist mittlerweile bei Alltagsbetrügern der Online-Welt so beliebt, dass professionelle Cyberbanden schon umsteigen. Die IT-Fachleute vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erkennen, dass Kriminelle zunehmend auf weniger bekannte Kryptowährungen setzen wie „Monero“.

      Mit Hilfe von „Monero“ seien Transaktionen noch besser zu verschleiern. Manche Erpresser würden von ihren Opfern schon „Risikogebühren“ verlangen, wenn diese doch noch in Bitcoin zahlen wollen, erklärt das BSI.

      Betroffen von Erpressungen sind zahlreiche Unternehmen in Deutschland. Das BKA warnt davor, dass Cyberangriffe auf öffentliche Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Kraftwerke, aber auf einzelne Unternehmen, „innerhalb kurzer Zeit große wirtschaftliche und soziale Schäden verursachen“.

      Vermehrt auch Privatleute Opfer von Erpressung

      Das gilt in Zeiten der Pandemie umso mehr. Die Täter passen sich an — und zielen mit ihren Erpresser-Methoden stärker auf das Homeoffice ab. Manche private Nutzer zahlen lieber schnell auch relativ geringe Mengen an Bitcoins. Sicherheitsbehörden raten in jedem Fall davon ab, Erpressern Kryptogeld zu überweisen. Stattdessen: Polizei einschalten.

      Doch für die Ermittler ist die Jagd auf Bitcoin-Erpresser schwierig. Denn: Die Transaktion ist verschlüsselt, der Empfänger durch ein Pseudonym unkenntlich. Anders als bei gewöhnlichen Finanzermittlungen kann die Polizei nicht auf Bankkonten zugreifen, es gibt keine nationale Aufsichtsbehörde, die Krypto-Handel kontrolliert. Zumeist sitzen die Täter im Ausland, das erschwert die Suche.

      Werden Kryptowährungen zur Gefahr für echtes Geld?

      Auf längere Sicht sind Sicherheitsbehörden besorgt, dass eine stabile Währung wie der Euro von Kryptogeld wie Bitcoin oder Ethereum unterwandert wird. Schon jetzt basiert ein riesiger Bereich im Darknet fast ausschließlich auf dem Handel mit diesen Währungen. Lesen Sie hier: Libra und Co.: EU will strenge Regeln für Digital-Währungen

      Zu kaufen gibt es dort vieles: Drogen, Waffen, aber auch Dienstleistungen – nicht nur illegale, sondern auch ganz legale Geschäfte wickeln Nutzer mittlerweile mit Kryptogeld ab. Genau lässt sich nicht sagen, wie viele es schon sind. Experten schätzen: mehrere Millionen. Sicher ist nur: die Zahl steigt.

      Und je stärker die Währung boomt, desto lukrativer wird unter Cyberkriminellen ein ganz eigenes Deliktsfeld: das Kyoto-Mining.

      Hacker schürfen digitales Gold auf PCs von Privatleuten

      Mit viel Rechenleistung und spezieller Hardware am PC kann Kryptogeld selbst generiert, also digital „geschürft“, werden, wie bei Goldgräbern. Kriminelle Hacker nutzen dabei eine Schadsoftware, um gleichzeitig auf etliche Computer von Privatleuten zugreifen zu können – und verbinden die Rechenleistung zu einer großen „Bitcoin-Mine“.

      Laut einer Analyse der IT-Experten von Kaspersky ist die Zahl der illegalen Krypto-Mining-Software bereits 2018 um 83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In den ersten Quartalen des Jahres zählte die IT-Firma mehr als fünf Millionen Attacken gegen fremde Computer.

      Der Trend dürfte seitdem weiter gestiegen sein. Die Nutzer merken meist nichts von der Schadsoftware auf ihrem Rechner. Oder erst, wenn sie sich über die hohe Stromrechnung wundern.