Berlin. In den USA wird die Paketzustellung per Drohne bereits intensiv vorangetrieben. Deutschland will nun aufholen. Doch es gibt Bedenken.
Die Paketbranche ächzt derzeit unter den Folgen des Lockdowns. Allein der Marktführer hierzulande, die Deutsche Post DHL Group, hat in der vergangenen Woche 61 Millionen Pakete zugestellt – ein neuer Rekord.
110.000 Paket- und Postboten sind dabei bundesweit im Einsatz – per Auto, Transporter oder auch mit dem Fahrrad. In Zukunft aber könnten Drohnen den Briefträgern und Paketzustellern Konkurrenz machen. Denn der Boom des Pakethandels sorgt auch für eine Beschleunigung bei der Entwicklung von Lieferdrohnen.
Paketdrohnen: Amazon hat bereits die Zulassung erhalten
In den USA treibt vor allem der Handelsriese Amazon das Projekt mit seinem vor sechs Jahren gegründeten Ableger „Prime Air“ voran. Im Juni stellte Amazon eine Lieferdrohne vor, die bis zu 2,3 Kilogramm schwere Pakete in einer Entfernung von bis zu 24 Kilometern binnen 30 Minuten zustellen kann.
Von der US-Luftverkehrsbehörde FAA hat Amazon bereits grünes Licht für die unbemannte Paketzulieferung erhalten. Auch der Logistikkonzern UPS darf in den USA bereits Logistikdrohnen einsetzen, ebenso Googles Mutterkonzern Alphabet.
Scheuer: „Drohnen sind eine Riesenchance“
Deutschland soll ebenfalls weltweit ganz vorne mitspielen, wenn es um die Zukunft der Drohnen geht. Das ist zumindest der Wunsch von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Drohnen sind eine Riesenchance für Kommunen, Unternehmen und Start-ups. Damit können wir schnell und sauber Pakete oder lebenswichtige Medizingüter transportieren. Das wird die Versorgung des ländlichen Raums und von schwer erreichbaren Gebieten erleichtern“, sagte er unserer Redaktion.
Bereits im Mai hatte Scheuers Ministerium einen Aktionsplan für Drohnen und Flugtaxis vorgestellt. Jetzt legt der Minister nach.
Bund verdoppelt die Zuschüsse für die Forschung
Die Zuschüsse für die Forschung im Bereich Drohnen und Flugtaxis werden im kommenden Jahr fast verdoppelt: von derzeit vier Millionen Euro auf dann 7,8 Millionen Euro. Und pünktlich zum Jahreswechsel setzt die Bundesregierung die von der Europäischen Union beschlossenen neuen Regeln für Drohnenbesitzer um, wie aus einem Papier hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt.
Mit dem neuen Regelwerk sieht Scheuer Deutschland als „Vorreiter in Europa“. Er hofft, dass „Drohnen in den nächsten Jahren selbstverständlicher Teil innovativer Logistiklösungen werden“.
Paketzusteller reagieren zurückhaltend
Ob daraus allerdings etwas wird, ist fraglich. Ein Sprecher des zweitgrößten deutschen Paketdienstes Hermes teilte unserer Redaktion mit, dass man den Drohneneinsatz zwar für „realistisch“ halte, eine flächendeckende Haustürzustellung aber „noch weit entfernte Zukunftsmusik“ sei. Aktuelle Projekte habe man keine.
Auch die Deutsche Post ist zurückhaltend, schon im vergangenen Jahr sah Personalchef Thomas Ogilvie kaum Potential für Drohnentransporte. Dabei hatte das Bonner Unternehmen 2014 als einer der ersten Anbieter weltweit ein Drohnenprojekt gestartet. Zwischen dem Festland und einer Apotheke auf der Nordseeinsel Juist flog eine Drohne hin und her.
In China betreibt DHL eine innerstädtische Route
2019 aktivierte man zudem in China eine innerstädtische Route, auf der man täglich unterwegs ist. Doch im Gegensatz zum China-Projekt ist hierzulande eher Ernüchterung eingekehrt – obwohl der Konzern bis 2050 klimaneutral sein möchte.
„Ich glaube nicht, dass der Energieverbrauch bei einer Zustellung mit Drohnen geringer wäre“, sagte Tobias Meyer, Vorstand bei der Deutschen Post und zuständig für den Bereich Post & Paket, unserer Redaktion.
Elektrodreiräder statt Drohnenflotte
Man setze lieber auf andere Wege. Elektrodreiräder etwa, von denen die Post bis Jahresende 8.700 Stück im Einsatz haben möchte. „Diese emissionsfreie Zustellung in den Städten ist real, funktioniert und wird weiter ausgebaut“, sagt Meyer.
Anstatt in eine große Drohnenflotte zu investieren, legt die Post den Hebel bei der eigenen Infrastruktur an. Den Ausbau der Post- und Paketinfrastruktur lässt sich der Konzern im kommenden Jahr 300 Millionen Euro kosten. Zudem setzt man lieber auf die Schiene. So habe man eine Kooperation mit der Logistiktochter der Deutschen Bahn, DB Schenker, geschlossen.
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Schenker will schwere Lastdrohnen in Betrieb nehmen
Ausgerechnet Schenker kann sich hingegen eine Lieferung per Drohne sehr gut vorstellen und arbeitet dafür mit dem Start-up Volocopter an der Entwicklung einer Frachtdrohne. Das futuristische wirkende Gerät mit 18 kleinen Propellern wurde vor einem Jahr präsentiert.
Bei ihrem Einsatz geht es allerdings nicht um die Auslieferung von Päckchen und kleinen Paketen an Privatkunden. Geplant ist eine unbemannte Frachtdrohne für größere Transporte. Die sogenannte VoloDrone kann eine Last von rund 200 Kilogramm transportieren. Sie wird elektrisch angetrieben und kann bis zu 40 Kilometer weit fliegen.
Ersatzteile könnten ohne Staus geliefert werden
Mit diesen Drohnen könnten Lieferketten innerhalb von Städten neu überdacht werden, ist man bei DB Schenker überzeugt. Beispielsweise könnten Krankenhäuser, die sich auf Inseln sonst nur kompliziert per Lkw oder Schiene erreichen lassen, schneller über den Luftweg versorgt werden.
Ersatzteile könnten ohne Staus zügig geliefert werden. Der Drohneneinsatz wäre auch in der Katastrophenhilfe, bei der Luftrettung oder im Hochhausbau denkbar.
Binnen fünf Jahren will Volocopter in Serie produzieren
Noch gibt es keinen Kunden. Ziel von Volocopter und DB Schenker ist es, im nächsten Jahr den Nachweis über eine kommerzielle Nutzung in der Logistik zu erbringen. In der Landwirtschaft ist die Drohne bereits testweise bei der Aussaat und im Pflanzenschutz eingesetzt worden.
Die Drohnen lassen sich nach Unternehmensangaben ohne Expertenwissen steuern. Die Steuerung werde künftig so normal werden wie ein Führerschein, davon ist man bei Volocopter überzeugt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die VoloDrone eine Serienproduktion werden – und damit vielleicht auch für Pakethersteller interessant werden.
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