Berlin. Volkswagen und sein ehemaliger Zulieferer Prevent gehen mit allen Mitteln gegeneinander vor. Nun muss VW eine Niederlage einstecken.
Lieferstopps, Abhöraffäre und mutmaßliche Erpressung: Seit Jahren gehen der Wolfsburger Autobauer Volkswagen und sein ehemaliger Zulieferer Prevent mit allen Mitteln gegeneinander vor. Es ist der Stoff für einem Wirtschaftskrimi: Erst ließ Prevent seinen wichtigsten Kunden derart auflaufen, dass sechs VW-Werke stillstanden. Dann wurden vertrauliche Strategie-Sitzungen von VW aufgezeichnet und weitergegeben, bei denen es darum ging, wie VW Prevent loswerden könne.
Der Manager, der der Weitergabe dieser Tonaufnahmen bezichtigt worden war, starb in diesem Sommer in einem verbrannten Auto, die Staatsanwaltschaft geht von einem Suizid aus. Vor zwei Jahren kündigte VW schließlich Prevent außerordentlich – mit der Begründung, Prevent habe eine 25-prozentige Preiserhöhung mittels Erpressung durchsetzen wollen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) folgte im Februar dieser Argumentation.
Doch nun gibt es eine neue Wendung. Denn durchaus überraschend sind die Richter des Oberlandesgerichts Celle anderer Auffassung als die Kollegen aus Düsseldorf. Das geht aus einem Urteil hervor, dass die Richter am Dienstag verkündeten und das unserer Redaktion vorliegt.
VW und Prevent: Ein Kampf auf vielen kleinen Schauplätzen
VW und die von der bosnischen Hastor-Familie geführte Prevent-Gruppe führen ihren Konflikt in zahlreichen Nebenschauplätzen aus, derzeit laufen Klagen im zweistelligen Bereich verschiedener VW- gegen Prevent-Gesellschaften, VW selbst reichte unter anderem im Januar eine Millionenklage gegen Prevent ein.
Im Februar urteilte das Düsseldorfer OLG, dass eine ordentliche Kündigung der VW-Tochter Audi gegenüber der Prevent-Tochter TWB unrechtmäßig gewesen sei.
Und auch bei dem Fall, den die Celler Richter nun auf dem Tisch hatten, ging es um TWB, einem auf Rückenlehnen spezialisierten Zulieferer aus Hagen, der die VW-Töchter Audi, Skoda Seat und VW selbst mit rund 2,2 Millionen Rückenlehnen pro Jahr belieferte. Auch Skoda kündigte TWB nach dem verlangten Preisanstieg im Jahr 2018.
- Lesen Sie hier: VW-Abhöraffäre – Verdächtiger tot im Auto aufgefunden
Celler Richter sehen keine Erpressung
Aber war die geforderte 25-prozentige Preiserhöhung wirklich eine Drohung, gar Erpressung? Volkswagen wollte von Prevent wissen, ob erneut ein Lieferstopp drohe, wenn man der Forderung nicht nachkomme. Prevent schwieg.
„Dieses bewusste Schweigen von TWB hat VW seinerzeit angesichts der Erfahrungen aus den Vorjahren als Drohung mit einem Lieferstopp verstanden“, sagte ein VW-Sprecher unserer Redaktion. Dieser Argumentation folgte das Oberlandesgericht Düsseldorf, das eine „stillschweigende Drohung“ im Verhalten Prevents sah.
Im Gegensatz zu den Kollegen aus Celle. Denn die niedersächsischen Richter legen den Fall anders aus. Selbst wenn TWB laut dem Urteil „nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre“, die Fragen nach einem drohenden Lieferstopp zu beantworten, so stehe dennoch nicht fest, dass TWB Skoda „tatsächlich mit einem Lieferstoff drohen wollte“.
- Lesen Sie hier: Wie der Streit mit Zulieferern jetzt Volkswagen ausbremst
TWB ist mittlerweile insolvent
Das Urteil fällt daher eindeutig aus: Skoda muss TWB Schadenersatz zahlen, die ordentliche Kündigung sei rechtswidrig gewesen und auch für eine außerordentliche Kündigung sei somit keine Rechtfertigung gegeben gewesen.
Prevent bejubelt das Urteil als Signalwirkung für andere Prozesse und hofft auf eine letztinstanzliche Rechtssprechung vor dem Bundesgerichtshof. Zugleich übt der Zulieferer scharfe Kritik an VW. „Durch die unter Vorschiebung unzutreffender Behauptungen ausgesprochenen Kündigungen haben bereits rund 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren“, sagte ein Prevent-Sprecher unserer Redaktion.
- Lesen Sie auch: Autogipfel: Wie es hierzulande um die Elektromobilität steht
TWB sperrte vor einem Jahr seine eigenen Mitarbeiter aus
Denn Prevent hat mittlerweile sein TWB-Werk in Hagen geschlossen, ein vorläufiger Insolvenzverwalter wurde eingesetzt, der einstige Spezialist wird abgewickelt. TWB erzielte drei Viertel seiner Umsätze mit Lieferungen an den VW-Konzern. „Das unfaire Ausnutzen der eigenen Marktmacht ist gerade in diesen schweren Umbruchzeiten für die Autoindustrie genau das falsche Signal“, sagte der Prevent-Sprecher.
Doch auch Prevent übte seine Macht mit teils fragwürdigen Mitteln aus. So wurden im September 2019 die Mitarbeiter von TWB vom eigenen Werksgelände ausgesperrt, ohne über die Gründe informiert worden zu sein. Im Februar dieses Jahres wurde dann das endgültige Aus bekannt.
VW erwägt rechtliche Schritte gegen das Urteil
Deutliche Kritik an dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle kommt nun von VW. „Wir halten das Urteil des Oberlandesgerichts Celle für falsch“, sagte der Sprecher. Warum das Gericht in dem Schweigen der TWB-Verantwortlichen keine Drohung erkannt habe, sei nicht nachvollziehbar.
„In der Konsequenz mutet das OLG Celle damit einem Betroffenen zu, erst abzuwarten, ob ein Erpresser seine Drohung auch tatsächlich in die Tat umsetzt. Das kann nicht richtig sein“, sagte der VW-Sprecher. VW werde nun Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Celler Richter prüfen.