Neumünster. Wie die bei Hamburgern beliebte „Einkaufsstadt“ durch die Krise kommt und was künftig angedacht ist. Ein Besuch vor Ort.

Die Türen des Geschäfts stehen weit offen. Das kurbelt den in Corona-Zeiten so wichtigen Luftaustausch an. 14 Personen dürfen sich maximal im Laden aufhalten, zeigt ein Plakat am Fenster. Am Eingang steht ein Desinfektionsmittelspender. Hände drunterhalten, die Flüssigkeit fällt herab und kann verrieben werden.
Hygienemaßnahmen sind auch im Designer Outlet Center (DOC) in Neumünster angesagt. Innen riecht es nach frischem Holz – für ein Modelabel ungewöhnlich. Aber Woolrich hat erst vor wenigen Tagen die Filiale eröffnet. Die Holz-Metall-Kleiderständer dünsten noch ein wenig aus.

Ein paar Meter weiter im nächsten Geschäft sticht zunächst das weiß-schwarze Schachbrettmuster auf dem Fußboden ins Auge. Danach fallen die Blicke auf die Portemonnaies, Handtaschen und kleinen Rucksäcke, die ausgestellt sind. Im Sommer machte das italienische Luxuslabel Prada den Laden neu auf.

Auch die als Tennisausstatter gestartete Modemarke Fred Perry und das für den Spielwarenkonzern Lego Kinderkleidung herstellende und vertreibende Unternehmen Kabooki gehören erst seit einigen Wochen zu den Mietern. „Mit den Neuzugängen haben wir das Port­folio unserer Luxusmarken nochmals gesteigert“, sagt Center-Direktor Petr Proy. „Das ist besonders wichtig für unsere Hamburger Kunden.“

Knapp 20 Prozent der Kunden sind Hamburger

Nur wenige Kilometer von der Autobahn 7 entfernt liegt die kleine Einkaufsstadt. Gute 30 Minuten fährt man aus dem Norden der Hansestadt zum DOC. Daher erfreut es sich bei deren Bewohnern offenbar großer Beliebtheit. „An die 20 Prozent unserer Kunden sind Hamburger“, sagt Proy, der die Centerführung 2018 übernahm und seitdem ebenfalls Hamburger ist. Der Österreicher wohnt mit seiner Familie im Westen der Stadt.

„Die Hamburger sind eine wichtige Zielgruppe: modeaffin, qualitätsori­entiert und markenbewusst – und sie möchten einen guten Preis. Das finden sie hier“, sagt der 42-Jährige. Mit Rabatten von bis zu 70 Prozent wird ganzjährig geworben. Dafür werden zumeist Artikel aus älteren Kollektionen angeboten. Rund die Hälfte der Besucher kommt aus der Region, also Schleswig-Holstein – etwa jeder fünfte wohnt in anderen Bundesländern und nutzt vor allem den Strandurlaub im Sommer, um in Neumünster zu shoppen und etwa jeder zehnte Kunde ist Däne.

Die Mieten im Center wurden reduziert

Die Pandemie hinterlässt natürlich auch in den Büchern des Outlet-Centers Spuren. Von Mitte März bis Ende April war es komplett geschlossen. Man habe daraufhin auf Mietzahlung in diesem Zeitraum verzichtet, für den Rest des Jahres seien die Mieten reduziert worden, sagt Proy. Denn zwangsläufig sanken Kundenzahl und Umsatz. Beziffern möchte Proy die Rückgänge nicht. „Es lief in unseren Outlet-Centern in Europa aber besser als im normalen Einzelhandel“, sagt der studierte Wirtschaftswissenschaftler. Der Sommer sei gut, aber nicht so gut wie im Vorjahr gelaufen.

Das Center gehört zu McArthurGlen. Das in London sitzende Unternehmen bezeichnet sich als Europas führender Betreiber von Outlet-Centern. In zehn Ländern werden 25 dieser Anlagen betrieben, in Deutschland gibt es zwei weitere in Berlin und Ochtrup bei Münster. „Wir sind sehr gesund in die Pandemie gegangen, haben natürlich zu kämpfen, sind aber insgesamt gut unterwegs“, sagt Proy. Es werde Gewinn erzielt, mehr Details gibt es nicht.

Im Jahr 2012 wurde das Center eröffnet

Das Virus platzte mitten in die Inbetriebnahme der letzten Erweiterung hinein. 2012 wurde die Einkaufsstadt mit einer Verkaufs- und Gastronomiefläche von 12.000 Quadratmetern eröffnet. Zuvor war über die Einkaufsstadt im Süden Neumünsters kontrovers diskutiert worden. Kritiker befürchteten heftige Einbußen für die lokalen Händler.

Der Handelsverband Nord zieht mittlerweile ein gemischtes Fazit der Ansiedlung. „Wer einen ausgiebigen Bummel durch das Designer Outlet Center gemacht hat, muss nicht mehr durch die Innenstadt von Neumünster gehen“, sagt Hauptgeschäftsführer Dierk Böckenholt. Die Stadt stecke aber auch wegen hausgemachter Probleme in einem Dilemma.

Auch Hamburger Unternehmen ECE ist in Neumünster aktiv

Der zentrale Platz Großflecken – an dem vor wenigen Wochen Karstadt für immer die Türen schloss – habe durch die Eröffnung des DOC an Bedeutung verloren. Im Jahr 2015 verschärfte sich die Situation, weil das Poppenbütteler Unternehmen ECE das Einkaufszentrum Holsten-Galerie für rund 90 Geschäfte auf 22.800 Quadratmetern auf der an­deren Seite des aufgestauten Flusses Schwale eröffnete – und das DOC die Verkaufsfläche um 50 Prozent auf 18.000 Quadratmeter vergrößerte.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Die Stadt müsse sich daher mehr als andere Städte Gedanken darum machen, was mit der Innenstadt passieren soll, sagt Böckenholt. Es müsse mehr Bildung und mehr Wohnen in die City, damit sie belebt wird. Denn die Pandemie verlieh dem Onlinehandel weiteren Schub und schwächte das stationäre Geschäft.

Das DOC bringe aber auch positive Effekte für die Stadt. Es gebe ein gutes Angebot und werde gut gemanagt, sagt Böckenholt: „Es hat Neumünster überregional mehr Aufmerksamkeit und Kunden gebracht, die sonst nicht in die Stadt gekommen wären.“ Auch Proy verweist auf diesen Punkt. Menschen würden in die Region gelangen, „die später in Neumünster ein Restaurant oder eine kulturelle Veranstaltung besuchen. Es ist ein gutes Miteinander.“ Zumal man mit mehr als 50 lokalen Kleinunternehmen wie Handwerkern zusammenarbeite.

Ausbau des Centers um knapp 2000 Quadratmeter

In diesem Jahr folgte die letzte Stufe des Ausbaus um knapp 2000 Quadratmeter. Mehr als 1200 Beschäftigte sind nun auf dem Gelände beschäftigt, knapp 50 weitere Stellen sind offen. „Von der Fläche her sind wir mit 20.000 Quadratmetern an unserem Limit. Einen weiteren Ausbau wird es nicht geben“, sagt Proy. „Jetzt werden wir unser Angebot optimieren.“

In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise Kosmetikmarken wie Rituals und Kneipp gelockt. Manche Geschäfte würden vergrößert, verkleinert oder könnten umziehen, um Cluster zu bilden. So befinden sich zum Beispiel die Haushaltswarenanbieter Tefal, Villeroy & Boch sowie WMF auf einer Ecke.

Derzeit stehen nur wenige, kleine Flächen leer

In der Regel laufen die Mietverträge über fünf oder zehn Jahre. Wenn man feststelle, dass eine Marke mal nicht so gut ankomme wie erwartet, setze man sich zusammen und überlege, wie es weitergeht. Man brauche die Marken, die aktuell stark nachgefragt würden. Derzeit stehen nur sehr wenige, kleine Flächen leer. 133 Betriebe sind im DOC untergebracht.

„Unser Plan ist, im Dezember voll vermietet zu sein“, sagt Proy. Mit welchen Unternehmen Gespräche liefen, wollte er nicht sagen. McArthurGlen arbeite international mit mehr als 1000 Marken zusammen. Aufgrund dieser Kontakte habe man es auch während der Pandemie geschafft, neue Mieter zu finden – siehe Woolrich, Prada und Co.

Adidas und Nike sind Ankermieter

Während Einkaufszentren das Warenhaus Galeria Karstadt Kaufhof oder Elektronikfachmärkte wie Saturn und Media Markt gerne als Ankermieter sehen, ist das in den Centern des britischen Unternehmens anders. Wer in Neumünster auf den Parkplatz einbiegt, sieht links das Adidas- und rechts das Nike-Logo. Die beiden Sportartikelhersteller vergrößerten ihre Flächen und eröffneten nun Flagship-Stores, also Vorzeigeläden. „Nike und Adidas, aber auch Hugo Boss sind internationale Marken, die bei uns als Ankermieter gefragt sind und von den Kunden gut nachgefragt werden“, so Proy.

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Im Sommer machte zudem die Burgerkette Five Guys auf. Zurzeit kann sie wegen der Corona-Einschränkungen nur einen Außer-Haus-Verkauf anbieten. Die Pommesmanufaktur Frittenwerk ist seit Oktober vor Ort. Die Auswirkungen des DOC auf den Handel in Hamburg hält Böckenholt übrigens für überschaubar. Wenn die Hansestädter in Neumünster einkaufen, drücke das zwar auch mögliche Umsätze an der Mönckeberg- oder Spitalerstraße, sagt er. „Aber es gerät kein Hamburger Händler dadurch in Existenznot.“

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