Hamburg. Erster Hamburger Vermittlungsdienst bietet Bescherung via Videokonferenz an. Buchungen für Hausbesuche brechen ein.

Ein kräftiges „Ho, ho, ho“ auf dem Weihnachtsmarkt, Kinderbescherung im Einkaufszentrum, der Auftritt im knöchellangen roten Mantel und hinter weißem Rauschebart im Seniorenheim – ist wegen Corona alles schon gestrichen. „Das machen wir dieses Jahr gar nicht, es gab ohnehin kaum Anfragen“, sagt Werner Kilian. Der passionierte Weihnachtsmanndarsteller, der vor 15 Jahren mit einem Geschäftspartner in Hamburg die Weihnachtsmannagentur gründete und ins Vermittlungsgeschäft einstieg, hat diesen Teil der sonst üblichen Aufträge bereits komplett abgeschrieben. Thilo Tamme vom WeihnachtsmannWerk Hamburg hält es ebenso. „Auftritte im Altenheim oder Kinderkrankenhaus kommen natürlich nicht infrage“, sagt er. So viel ist schon mal klar.

Was das Kerngeschäft angeht, die Kinderbescherung an Heiligabend in privaten Haushalten, bleibt den Vermittlern derzeit nur abzuwarten, welche Kontaktbeschränkungen an den Festtagen gelten und ob Santa Claus womöglich als unerwünschte Person aus einem Dritthaushaushalt unter dem geschmückten Baum gilt, wenn Oma und Opa bereits da sind. „Notfalls müssen wir in den sauren Apfel beißen und auch diese Aufträge absagen“, sagt Kilian. Weihnachtsmann-Veteran Willi Dahmen aus Celle hat die Saison 2020 bereits aufgegeben – und sich aus Gram darüber demonstrativ den echten Bart gestutzt.

November-Lockdown dämpft das Geschäft

Thilo Tamme hatte da eine ganz andere Idee: Er bietet in diesem Jahr erstmals den Online-Weihnachtsmann-Service an. An sich war das nur als Alternative für den schlimmsten Fall der Fälle geplant. Doch Tamme hat wohl das richtige Angebot zur richtigen Zeit. „Es gibt bereits Buchungen“, sagt der Mittzwanziger. Die Furcht der Kunden, sich mit dem Mann in Rot an den Festtagen einen Virenverbreiter in die Wohnung zu holen, ist offenbar ebenso ausgeprägt wie die Verunsicherung über die dann geltende Empfehlungs- und Verordnungslage.

Das belegen die bislang eingegangenen Buchungen für einen Live-Auftritt. Es sind „weniger als 50 Prozent“ der sonst üblichen Zahl, so die beiden Vermittler. Die Hamburger Promotion-Agentur Blank und Biehl, bei der Weihnachtsmänner bundesweit gebucht werden können, vermeldete kürzlich 25 Prozent weniger Nachfragen. Der November-Lockdown dämpft das Geschäft zusätzlich. „Seit Anfang des Monats sind praktisch gar keine Buchungen hereingekommen“, berichtet Tamme. Viele Familien warteten wohl erst mal die weitere Entwicklung ab. Das WeihnachtsmannWerk bietet nun eine kurzfristige Stornierung gebuchter Hausbesuch-Termine an.

Miet-Weihnachtsmänner ohne Job

Für Studierende und Rentner, die zum Fest das Kostüm überstreifen und sich was dazuverdienen, während die anderen besinnlich feiern, sieht es nicht gut aus. Hunderte Miet-Weihnachtsmänner dürften am ersten Corona-Weihnachten keinen Job haben. Manche stehen in der Pandemie aber auch nicht zur Verfügung. Bei Vermittler Kilian haben kürzlich zwei besorgte Darsteller abgesagt. „Die wollten lieber nicht an einem Tag viele Haushalte besuchen.“

Wer an Heiligabend losziehen darf zur Bescherungstour von Wohnzimmer zu Wohnzimmer, für den gilt ein umfangreiches Hygienekonzept: Abstand halten, Handschuhe tragen, Singen nicht erwünscht, aber kräftiges Stoßlüften durch den Kunden. Beim WeihnachtsmannWerk ist ein negativer Corona-Test für jeden Darsteller obligatorisch.

Den digitalen Weihnachtsmann gibt es ab 29 Euro

Unterschiedlich gehandhabt wird die Sache mit der Maske. Bei Blank und Biehl heißt es, unter dem Bart könne problemlos und unauffällig ein FFP2-Modell getragen werden. Tamme und Kilian wollen ihren Darstellern einen noch größeren Hitzestau unter der Mantelkapuze hingegen nicht zumuten. Der Kunstbart sei Schutz genug, sind sie überzeugt. Und sowohl das WeihnachtsmannWerk als auch die Weihnachtsmannagentur bieten eine risikoreduzierte Bescherung unter freiem Himmel vor der Haustür oder auf der Terrasse an.

Gänzlich kontaktlos tritt der Online-Weihnachtsmann in Erscheinung. Sein digitaler Auftritt kann in drei Varianten zu Preisen zwischen 29 und 69 Euro gebucht werden. Zum Grundpreis schickt er eine eher allgemein gehaltene Video-Botschaft, spricht seine Zuschauer aber namentlich an.

Notfalls bleibt den Anbietern noch der Kostümverleih

In der Premiumvariante meldet Santa Claus zu Heiligabend zur Wunschzeit zu einer – mit dem Kunden ausführlich vorbereiteten – Videokonferenz via Zoom, kann kenntnisreich über Familiäres und Persönliches plaudern, lobt die vertrauensseligen Lütten ausführlich und macht „Vorschläge, was künftig besser laufen könnte“, wie Tamme sagt. Sanfte Pädagogik ist obligatorisch. „Bei uns hat der Weihnachtsmann natürlich keine Rute.“ Und die Geschenke? Der digitale Gast ist auf misstrauische Kinderfragen vorbereitet. Er weiß deshalb ganz genau, wo die Präsente liegen, weil er sie schließlich in der Nacht zuvor dort selbst versteckt hat. Und die Rentiere müssen sich gerade ausruhen.

Corona-Krise: Experten sagen, wie es in Hamburg weitergeht

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„Ich glaube, wir sind die Ersten, die so etwas anbieten. Ich kenne jedenfalls niemand anderen“, sagt Tamme. Er sei aber trotz allem ein Anhänger des Hausbesuchs. Der kostet beim WeihnachtsmannWerk zwischen 99 und 189 Euro für etwa 20 Minuten. Gestartet hat er die Vermittlung in Hamburg. Seitdem der Gründer in Berlin hauptberuflich bei einer Unternehmensberatung arbeitet, organisiert er den Hausbesuch-Service auch in der Hauptstadt. Expansionsversuche nach Nordrhein-Westfalen und München waren zuvor schon im Ansatz gescheitert. „Dort bringt das Christkind heimlich die Geschenke, das war mir gar nicht so klar.“

Der von der Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub im Weihnachtswesen macht nun auf einen Schlag ganz Deutschland zum Geschäftsgebiet des WeihnachtsmannWerks. Dass die meisten von Tammes Darstellern in Hamburg leben, spielt für die Onlinebescherung schließlich keine Rolle. „Da ergeben sich natürlich ganz neue Chancen“, sagt er mit Blick auf die Corona-Krise.

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Auch Werner Kilian muss mit den Einnahmen aus der nur wenige Tage kurzen Saison nicht seinen Lebensunterhalt erwirtschaften. Und ein bisschen Geld wird wohl selbst dann bei der Agentur reinkommen, wenn die Hausbesuche des Weihnachtsmanns komplett ausfallen müssen. „Dann bleibt immer noch unser Kostümverleih.“

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