Hamburg/Bargteheide. Corona-Folgen: Die Porzellanmanufaktur hat Probleme im Geschäft mit Luxushotels. Warum die Privatkunden Hoffnung bringen.

Als Bernd T. Dibbern vor gut 20 Jahren so mutig war, in Bayern die von Carolus Magnus Hutschenreuther gegründete Porzellanfabrik zu kaufen, ahnte wohl niemand, dass sich ein Nordlicht schon bald einen so bekannten Namen in der Branche machen würde.

Der Visionär, der seine Karriere in den 60er-Jahren als Importeur für skandinavische Designermarken begonnen hatte, trug den guten Ruf des traditionell im Südosten der Republik beheimateten Handwerks hinaus in die Welt: Heute tafeln die Menschen im New Yorker Luxushotel Park Hyatt von Dibbern-Tellern, speisen die Gäste auf der MS „Europa“ von seinem Geschirr oder trinken Chinesen in Shanghai aus Tassen von Dibbern ihren Tee. Der Hamburger hat eine eigene, international geschätzte Porzellanmarke erschaffen.

500 Tonnen Porzellan pro Jahr

500 Tonnen Porzellan produziert Dibbern heute pro Jahr, den Großteil in der damals erworbenen Fabrik an der Porzellanstraße im Fichtelgebirge, wo sich international bekannte Hersteller wie Rosenthal, Seltmann, Arzberg, Bauscher und eben Dibbern aneinanderreihen. Nicht nur eine stabile Geschäftsentwicklung hat das Unternehmen nach der viel beachteten Übernahme hinter sich, sondern auch einen Generationswechsel. Denn inzwischen sind die beiden Söhne des Unternehmers mit in die Firma eingestiegen, die Geschäftsleitung teilen sich heute Senior Bernd T. Dibbern (79), Jan Dibbern (37) und Ben Dibbern (33).

Die Corona-Krise bremst die weitere Internationalisierung des Unternehmens mit seiner 30 Mitarbeiter zählenden Verwaltung in Bargteheide allerdings deutlich aus. Bisher liegt der Exportanteil bei 40 Prozent. Dass während der Pandemie das Geschäft nicht zum wirtschaftlichen Scherbenhaufen verkommt, ist allein der Besinnung der Privatkunden auf das Zuhause und auf schönes Wohnen zu verdanken.

In Zeiten des Coronavirus ist das Geschäft enger geworden

„Wir haben gleich eine Videokonferenz mit einer Hotelkette in Kanada“, sagt Ben Dibbern über den Firmenalltag in Zeiten von Covid-19. Wegen der Pandemie fallen Geschäftsreisen weitgehend aus, selbst den Kaufhaus-Kunden KaDeWe in Berlin besuchen die Dibberns nicht mehr persönlich. „Zuletzt waren wir am Anfang des Jahres auf einer Messe in Stuttgart, nun liegen die Ausstellungen alle auf Eis, eine wichtige Messe etwa in Singapur ist auf 2022 verschoben“, sagt Jan Dibbern.

Das coronabedingt schleppende Geschäft mit Großkunden wie Restaurants, Kreuzfahrtschiffen oder Hotels, die schnell einmal 500 Teller in einer Bestellung ordern für ihre Restaurants und Veranstaltungsräume, trifft den Porzellanhersteller hart. Auch die Lufthansa, die ihre Passagiere in der First Class auf Dibbern-Geschirr bedient, gehört bekanntlich zu den Verlierern der Krise. Dass viele Hotels in Städten geschlossen sind und Tagungen ausfallen, lässt die Nachfrage auch dieser wichtigen Klientel einbrechen.

Schnörkelloser Dibbern-Stil überzeugte selbst das Bundeskanzleramt

Als der Seniorchef einst die schnörkellose, am Bauhausstil orientierte Serie Dibbern Fine Bone China aus feinem Knochenporzellan einführte, konnte er damit das Hotel Vier Jahreszeiten überzeugen, das Landhaus Scherrer – und sogar das Bundeskanzleramt. Die feinen Adressen auf der Welt bedient nun die nächste Generation, während sich der Firmengründer vornehmlich um die Kollektion kümmert.

Im vergangenen Jahr erlöste das Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag, genauere Zahlen will die Eigentümerfamilie nicht nennen. Nun, in Zeiten des Virus, ist das Geschäft schwieriger geworden. „Wir waren in Gesprächen mit einem Hotel in Paris, das bald eröffnen sollte, doch nun ist das Projekt erst einmal gestoppt“, sagt Jan Dibbern über die mühselige Akquise in der Krise. Das Auslandsgeschäft wollen die Junioren in den kommenden Jahren weiter ausbauen, bisher konnten sie Kunden in Südkorea und in den USA gewinnen. Zuletzt musste die Firma allerdings auch dort einen Rückschlag verkraften, denn einer der größten Handelskunden, das renommierte Kaufhaus Barney‘s in New York, musste Insolvenz anmelden.

Kaffeetasse von Dibbern – „to go“ und aus Porzellan

Beim Gespräch mit dem Abendblatt sitzen Jan und Ben Dibbern im Showroom des Dibbern-Geschäfts in der Hamburger City. Zu den neuen Kollektionen, die hier ausgestellt sind, gehören Schalen, die für Müsli oder Bowls genutzt werden können. „Wir stellen uns auf die veränderten Essgewohnheiten ein“, sagt Jan Dibbern. Auch eine Kaffeetasse „to go“ aus Porzellan mit verschließbarem Deckel bieten die Norddeutschen inzwischen an.

Früher hätten die Kunden Terrinen oder Saucieren gekauft, heute sind es eher die flexibel einzusetzenden Teile eines Service, zu denen die Verbraucher gerne greifen. Beliebt sind auch nach wie vor die Teller und Tassen der Kollektion Solid Color, die mit den verschnörkelten Designs aus früheren Zeiten brach und heute in 50 Farbvarianten erhältlich ist.

CO2-Steuer verteuert die Produktion in Deutschland

In Zeiten von Corona ordern die Privatkunden immer häufiger im Internet. Von bisher fünf Prozent ist der Anteil des Umsatzes im Onlineshop auf 18 Prozent gestiegen. „Das hat uns in Zeiten des Lockdowns geholfen“, sagt Ben Dibbern. Befördert wurde das Geschäft bei den Privatkunden auch dadurch, dass die Menschen jetzt eher Geld fürs Wohnen ausgeben wollen anstatt beispielsweise fürs Reisen. Insgesamt, schätzen die Dibberns, müssen sie bis Ende August wohl noch mit einem Minus von zehn Prozent beim Umsatz im Einzelhandel mit den Privatkunden rechnen.

Dibbern hat seine Position in den vergangenen Jahren auch durch die Kontaktpflege zu großen Kunden aus der Hotellerie stärken können, die das besonders stabile Fine Bone China zu schätzen wissen. Das Geschirr wird in der eigenen Manufaktur – anders als bei anderen Herstellern – von Hand gedreht anstatt gepresst. So entsteht das feine, aber feste Material des Klassikers in der Dibbern-Kollektion, das mit Preisen von 36 Euro für einen Teller oder 24 Euro für eine Tasse auch nicht ganz billig ist.

Porzellan stammt ursprünglich aus China

Ursprünglich stammt das Porzellan aus China. Und auch heute noch leidet die Branche unter der Konkurrenz aus Fernost. Viele Unternehmen kämpfen bis zum bitteren Ende um die Produktion des sogenannten weißen Goldes in Deutschland. In diesem Jahr musste die Porzellanfabrik Kahla in Thüringen Insolvenz anmelden, hier ist inzwischen ein Investor gefunden. Weniger gut ist das Insolvenzverfahren bei der Porzellanfabrik Walküre in Bayreuth gelaufen. Das Werk wurde geschlossen.

Die Hürden am Standort Deutschland sind nach Aussagen der Branche hoch. „Neben den Herausforderungen durch die Pandemie belastet die Bundesregierung mit der beschlossenen rein nationalen CO2-Bepreisung die Betriebe erheblich“, sagt Christoph René Holler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Keramischen Industrie. Schon ohne diesen zusätzlichen Kostenblock seien die Energiepreise in Deutschland derart hoch, dass große Wettbewerbsnachteile bestünden.

Manufaktur Dibbern beschäftigt 90 Mitarbeiter

Bei der Porzellanherstellung werde die Energiequelle Gas beim Glattbrand für eine physikochemische Reaktion zwingend benötigt. Ohne Gas kann kein schneeweißes Porzellan produziert werden, betonte Holler. „Wenn die Bundesregierung und die EU-Kommission beim Green Deal branchenspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigen, werden beispielsweise keramische Betriebe in China gestärkt und die heimischen Unternehmen geschwächt.“

Die Dibberns sitzen mit ihrer Produktion im oberfränkischen Hohenberg ebenfalls mit im Boot, wenn es um die Herausforderungen in deutschen Fabriken geht. 90 Mitarbeiter beschäftigen sie in der Manufaktur. Sie wünschen sich, dass die Rückbesinnung der Kunden auf ein schönes Zuhause, auf gepflegtes Essen mit Freunden noch lange anhalten wird. „Und es würde uns helfen, wenn sie dabei Produkte aus nachhaltiger, deutscher Produktion zu schätzen wüssten“, sagt Jan Dibbern.