Hamburg . IG Metall befürchtet den Untergang der Branche wegen Corona, fordert schnell Staatshilfen und plant Demonstrationen der Beschäftigten.

Die Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG) hat 300 Arbeitsplätze abgebaut. Die Nobiskrug Werft kündigt 120 Mitarbeitern. Bei der German Naval Yards in Kiel stehen 200 der rund 500 Arbeitsplätze auf der Kippe. Die Meyer Werft in Papenburg sagt, alle Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, und der Eigentümer der MV Werften in Mecklenburg Vorpommern hat vorerst alle Zahlungen eingestellt.

Der Deutsche Schiffbau steckt in einer Krise, und die IG Metall Küste schlägt jetzt Alarm. Die Gewerkschaft sieht ein Drittel der Jobs auf den Werften im Norden in Gefahr. „6000 Jobs stehen im Feuer“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, am Freitag in Hamburg. „Und das ist nicht das Worst-Case-Szenario, sondern das ist die Zahl, über die bereits auf den Werften verhandelt wird. Die Corona-Krise geht an die Substanz des Schiffbaus in Deutschland.“

Deutscher Schiffbau steckt in der Krise

Friedrich beruft sich dabei auf die traditionelle Umfrage unter den 39 deutschen See-Werften, die in diesem Jahr zum 29. Mal stattgefunden hat. Demnach beläuft sich der bisherige Arbeitsplatzabbau im September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf ein Prozent. „Aber darin sind alle die neuen Ankündigungen noch gar nicht enthalten“, sagte Thorsten Ludwig von der Agentur für Struktur- und Personalentwicklung, die die Umfrage durchgeführt hat. „Wir sind in einer Situation, die wir so noch nicht hatten, nicht einmal in der Schifffahrtskrise 2008. Demnach geht rund die Hälfte der Betriebsräte davon aus, dass Stammarbeitsplätze in den Werften abgebaut werden.“

Die Betriebsräte von knapp einem Drittel aller Werften pro­gnostizierten eine sich verschlechternde Auftragslage. „Da könnte man noch sagen, nur 30 Prozent. Dazu muss man aber wissen, dass in diesen Betrieben mehr als 50 Prozent aller Werft-Beschäftigten tätig sind“, so Ludwig.

Insbesondere im Passagier- und Spezialschiffbau seien die Prognosen düster. Dort überwiegt die Befürchtung, dass sich die Auftragslage in den kommenden zwei Jahren deutlich verschlechtern wird. Der Passagierschiffbau sei auch am stärksten von der Kurzarbeit betroffen. Insgesamt befänden sich 40 Prozent aller Werft-Beschäftigten in Deutschland in Kurzarbeit.

Mehr Leiharbeiter auf den Werften

Ludwig betonte, dass die Leiharbeit auf den Werften zugenommen habe. „Offenbar erscheint es einigen Betreibern wirtschaftlicher, die Stammbelegschaft in Kurzarbeit zu schicken und stattdessen Leiharbeitskräfte zu engagieren.“ Für IG Metall-Bezirkschef Friedrich steht das Überleben der Branche auf dem Spiel. „Wird nicht gegengesteuert, sehe ich die Gefahr, dass es die Branche Schiffbau in ein paar Jahren gar nicht mehr gibt, sondern dass wir nur noch punktuell über Schiffbau im Norden reden können.“

Friedrich forderte die Politik in Bund und Ländern sowie Unternehmen zu einem schnellen und entschlossenen Handeln auf. Es gehe jetzt darum, die Strukturen zu sichern und dafür schnell Geld aus den Hilfsprogrammen der Bundesregierung bereitzustellen. Die Bundesregierung müsse zudem die angekündigten Aufträge für die Marine zügig vergeben.

Friedrich kritisiert auch die Papenburger Meyer Werft

Briefe und Papiere seien genug geschrieben, sagte Friedrich und kündigte Demonstrationen an. „Unsere Kollegen verlieren die Geduld. Wir werden jetzt für unsere Forderungen Druck machen, auch mit Aktionen auf der Straße.“ Diese würden derzeit vorbereitet. Unter anderem sei im kommenden Monat eine Protestkundgebung in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel geplant.

Dass öffentliche Aufträge, wie die zum Bau des neuen Forschungsschiffs „Polarstern“ oder zur Reparatur eines Tenders der Marine, öffentlich ausgeschrieben würden, sei der falsche Weg. „Es geht nicht um den Wahlspruch: Deutsches Geld für deutsche Werften, sondern um die Sicherung des Know-hows im Schiffbau.

Friedrich kritisierte auch die Papenburger Meyer Werft, die seit mehr als einem halben Jahr nur sage, wie schwierig alles sei. „Ich würde von der Meyer Werft gerne mal konkret wissen: Wie ist die finanzielle Lage? Wie konnten Aufträge gestreckt werden? Und welche Pläne gibt es tatsächlich für die Beschäftigung? Nur so können wir gemeinsam nach Lösungen suchen.“