Berlin. Waffenhandel, Drogengeld, Betrug: Ein Datenleak soll enthüllt haben, wie internationale Banken bei der Geldwäsche-Bekämpfung versagen.
Bei der internationalen Bekämpfung von Geldwäsche gibt es offenbar erhebliche Probleme. Das sollen geheime Dokumente aus dem Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) nahelegen, einer dem US-Finanzministerium unterstellten Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche, über die das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) berichtet.
Die über 2100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen aus den Jahren 2000 bis 2017 sollen belegen, dass internationale Großbanken pro Jahr Hunderte Milliarden Dollar überweisen, obwohl sie den Verdacht hegen, dass es sich um Geld aus krummen Geschäften, etwa aus Waffen- und Drogenhandel oder illegaler Prostitution, handeln könnte. Laut „Süddeutscher Zeitung“ gehe es um ein Volumen von mehr als zwei Billionen Dollar.
FinCEN Files: SPD-Chef Walter-Borjans will „Täter-Banken“ zur Rechenschaft ziehen
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans reagierte auf Enthüllungen mit der Forderung nach Strafverschärfung. „Wir brauchen ein Unternehmensstrafrecht, das nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern Täter-Banken im Fall von Rechtsverletzungen als Ganzes zur Rechenschaft zieht – bis hin zum Lizenzentzug“, sagte Walter-Borjans unserer Redaktion.
„Dass Moral in gewissen Kreisen der Wirtschaft ein störender Kostenfaktor ist, ist nicht neu“, fügte der SPD-Vorsitzende hinzu. Aber jetzt kämen immer mehr verstörende Auswüchse der Moralminimierung ans Tageslicht. „Wir brauchen endlich transparente Regeln und eine fühlbare Sanktionierung von Verstößen“, verlangte er. Die internationale Uneinigkeit spiele den gewissenlosen Akteuren in die Hände. Allerdings schöpfe Deutschland auch die nationalen Möglichkeiten nicht aus.
FinCen Files: Deutsche Bank und Commerzbank tauchen in Unterlagen auf
Zu den „Täter-Banken“, von den der SPD-Chef spricht, könnten auch zwei deutsche Geldhäuser gehören. Denn ins Visier der Enthüllungen sind auch die Commerzbank und die Deutsche Bank geraten. Vor allem für Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing könnten die Vorwürfe, die das Recherchebündnis erhebt, ungemütlich werden. Zu keiner anderen Bank fänden sich in den Unterlagen so viele verdächtige Überweisungen wie zur Deutschen Bank: 982 Überweisungen von dubiosen Personen oder Firmen sollen zwischen 2001 und 2017 über die Deutsche Bank getätigt worden sein. Die Bank mit den zweitmeisten verdächtigen Positionen, die Bank of New York Mellon, kommt auf 325 Fälle.
Das heißt aber nicht, dass die Deutsche Bank erste Anlaufstelle für dubiose Geschäfte sein könnte. Der Datensatz kann unvollständig sein, wie die Investigativ-Journalisten selbst feststellen. Die Zusammensetzung der geleakten Daten sei „womöglich nicht repräsentativ“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.
Deutsche Bank stand wegen fragwürdiger Geschäfte schon mal im Fokus
Unangenehm kann die Enthüllung für die Deutsche Bank aber auch deshalb werden, weil sie einen alten Vorwurf wieder in die Öffentlichkeit bringt: 2017 zahlte der Dax-Konzern in einem Vergleich 600 Millionen US-Dollar an US-amerikanische und britische Behörden.
Der Deutschen Bank wurde damals vorgeworfen, fragwürdige Geschäfte nicht unterbunden zu haben, mit denen offenbar Geld gewaschen worden sein soll. Von zehn Milliarden US-Dollar war bisher die Rede, die über sogenannte „Mirror Trades“ (übersetzt „Spiegelgeschäfte“) den Weg ins internationale Finanzsystem gefunden hätten.
Konkret betraf der damalige Vorwurf die Moskauer Filiale der Deutschen Bank. Dort sei „schmutziges“ Geld über ein einfaches System gewaschen worden: In Rubel sollen an der Moskauer Börse Aktien gekauft worden sein, die anschließend an anderen internationalen Handelsplätzen über die Deutsche Bank in US-Dollar direkt wieder verkauft worden sein sollen, so der Vorwurf.
Die nun geleakten Dokumente sollen den Investigativ-Medien zufolge nahelegen, dass die Praxis weiterging, als die Aufsichtsbehörden längst ermittelten. Auch ist nun von 16 Milliarden US-Dollar die Rede.
Schaute Deutsche-Bank-Chef Sewing nicht genau genug hin?
Pikant: Bevor Christian Sewing 2015 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank wurde, leitete er die Revision. In seinen Aufgabenbereich fiel also auch die Überprüfung der Moskauer Filiale. Trifft den 50-Jährigen also eine mögliche Mitschuld, nicht genau genug hingeschaut zu haben?
Jörg Eigendorf, Sprecher der Deutschen Bank, verneint das. Er sagte der „Tagesschau“: „Es wurde unabhängig extern untersucht und zu keinem Zeitpunkt gab es einen Anlass, davon auszugehen, dass man eine Verantwortung bis zum Leiter der Konzernrevision herleiten musste.“
Auf Anfrage unserer Redaktion teilte die Deutsche Bank mit, dass das internationale Recherchebündnis „über eine Reihe historischer Themen“ berichtet habe, die, soweit sie die Deutsche Bank betreffen, den Aufsichtsbehörden bekannt seien. „Wo nötig und angemessen, haben wir Konsequenzen gezogen“, teilte die Deutsche Bank mit. Die Verdachtsmeldungen seien gemäß der gesetzlichen Regelungen den Behörden mitgeteilt worden.
Deutsche Bank: Eine Verdachtsmeldung soll erst nach 15 Jahren erfolgt sein
Das stellen die Journalisten anders dar. Demnach liegt die Frist, in der verdächtige Überweisungen der FinCEN gemeldet werden müssen, bei 30 Tagen. Die Deutsche Bank habe bei einer Meldung 5678 Tage gebraucht – also über 15 Jahre.
Auch die Commerzbank tauche in den Dokumenten auf, allerdings in kleinerem Umfang. Einen Verdachtsfall, wo die Bank einen Zusammenhang mit den amerikanischen und europäischen Sanktionen gegen das syrische Regime vermutet haben soll, soll die Bank erst nach zehn Monaten eingereicht haben.
Auf Anfrage unserer Redaktion nimmt die Bank Bezug auf die Zeit nach 2015: „Seit 2015 haben wir unser globales Compliance Management gezielt verstärkt, mehr als 800 Millionen Euro investiert und die Zahl der Mitarbeiter deutlich erhöht“, schreibt der MDax-Konzern. „Heute“ werde fortlaufend sichergestellt, dass verdächtige Transaktionen den zuständigen Behörden gemeldet werden. Das Aufsichtssystem habe sich „erfolgreich und nachhaltig verbessert“.
Donald Trumps Ex-Wahlkampfmanager soll Geld der Steuerbehörde verheimlicht haben
Auf dem internationalen Parkett soll die Liste der Fehltaten lang sein, wie es in dem Bericht heißt. Banken und Behörden würden „bisweilen tatenlos zuschauen, wie Mafiosi, Despoten und andere Kriminelle weltweit Geld verschieben“. Namentlich erwähnt wird ein russischer Staatsbürger namens Semjon Mogilewitsch, der als ranghohes Mitglied der russischen Mafia vom FBI gesucht werde – die US-Großbank JP Morgan Chase habe mehr als eine Milliarde Dollar für zwei Firmen transferiert, die in Verbindung zu dem Mann stünden.
Auch in die geheimen Geschäfte von Paul Manafort, dem früheren Wahlkampfmanager von Donald Trump, sollen die Papiere neue Einblicke gewähren. Über Briefkastenfirmen soll er Geld aus dem Ausland erhalten und dies der US-Steuerbehörde verheimlicht haben. Manafort wurde 2019 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Deutsche Behörde zuletzt in die Kritik geraten
In Deutschland ist die „Financial Intelligence Unit“ (FIU) für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zuständig. Die Behörde, die dem Zoll unterstellt ist, ist zuletzt ebenfalls in die Kritik geraten: Die Anti-Geldwäsche-Einheit soll Verdachtsmeldungen zum Wirecard-Skandal übersehen haben. Nun soll Deutschlands größter Finanzskandal von einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden.
Die FIU allerdings sieht sich seit Jahren einem steigenden Aufkommen von Verdachtsmeldungen gegenüber. Nach Angaben der Zoll-Behörde soll es im vergangenen Jahr 114.914 Hinweise gegeben haben. Seit 2009 habe sich das „Meldeaufkommen“ fast verzwölffacht.
Deutschland spielt eine maßgebliche Rolle beim Kampf gegen Geldwäsche
Auch im internationalen Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung kommt Deutschland eine maßgebliche Rolle zu. Seit Juli hat das Bundesfinanzministerium die Präsidentschaft der Financial Action Task Forche (FATF) inne. Innerhalb der FATF arbeiten von Regierungen von 37 Staaten, die EU-Kommission und der Golf-Kooperationsrat, eine Organisation von sechs Staaten der Arabischen Halbinsel, zusammen.
Um innerhalb Deutschlands erfolgreicher gegen Geldwäsche vorgehen zu können, müsse die FIU schlagkräftiger werden, forderte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Auch müssten die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften von den Bundesländern gestärkt werden.
Giegold kündigte zudem an, dass sich auch das Europaparlaments mit den Enthüllungen auseinandersetzen wird. Er wolle im Steuer-Ausschuss eine Auswertung und eine Anhörung auf den Weg bringen, sagte der EU-Abgeordnete. „Interessant dürfte vor allem sein, wann genau welche der beteiligten Banken zuletzt fragwürdige Geschäfte gemacht hat“, sagte der Grünen-Finanzpolitiker der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach im Zusammenhang der FinCen-Files von einem „Staatsversagen im großen Stil“ und forderte eine Reaktion: „Mit einem erfolgreichen Kampf gegen Steuerdumping und Finanzkriminalität wären die öffentlichen Kassen voll statt leer.“
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