Berlin. Immer neue Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie: Viele Deutsche legen sich erst kurz vor Abreise fest. Das muss aber nicht sein.

Eigentlich wollte Ariane H. im Oktober ihren Urlaub in Israel verbringen. Flug und Hotel sind gebucht. Wegen explodierender Infektionszahlen hat die Regierung jedoch einen neuen Lockdown beschlossen. Damit platzt ihr Reisewunsch. Eine Einreise wäre nur unter strenger Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen möglich – da kommt alles, aber kein Urlaubsgefühl auf.

Reisen birgt in Corona-Zeiten viele Risiken. Keiner weiß, ob das Urlaubsziel nicht plötzlich zum Risikogebiet wird, weil die Ansteckungszahlen in die Höhe schnellen. Die Bundesbürger handeln entsprechend vorsichtig.

„Die Deutschen buchen seit drei Monaten meistens sehr kurzfristig. Drei Viertel aller Neubuchungen Anfang September (KW 34) entfielen auf Reisen im September oder Oktober“, fasst der Sprecher des Deutschen Reiseverbands, Torsten Schäfer, das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Travel Data Analytics zusammen.

Urlaub in der Pandemie: Pauschalreisende sind gut vor Ausfällen geschützt

Da Spanien und Frankreich in vielen Landesteilen als Risikogebiete gelten, wählen zahlreiche Bürger für ihre Herbstferien verstärkt Ziele im östlichen Mittelmeer aus – wie Griechenland oder die Türkei. Aber auch Portugal, Italien sowie Österreich, die Schweiz und Deutschland seien bei Pauschalreisenden gefragt, so Schäfer. Gleichzeitig gibt es auch einige Reisefreunde, die schon Fernreisen für den nächsten Sommer 2021 buchen – in der Hoffnung, dass bis dahin die Pandemie im Griff ist.

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    Diesen Trend sieht auch Europas größter Reisekonzern TUI. Gebucht werde derzeit bis etwa eine Woche vor Abflug, sagt ein Sprecher. Im Trend liegen die Ziele, die derzeit ohne Einschränkungen erreichbar sind: Portugal, Italien, Griechenland. Im griechischen Mittelmeer gibt es sogar wieder Kreuzfahrten. Und die Buchungen für das Jahr 2021 lägen aktuell deutlich über dem Niveau des Vorjahres – zumindest für deutsche und europäische Ziele. Die Nachfrage nach interkontinentalen Reisen sei noch zurückhaltend.

    Grundsätzlich sind Pauschalreisende vor ausfallenden Reisen gut geschützt. Wird ein Land zum Krisengebiet erklärt, können Verbraucher ihre Pauschalreise kostenfrei stornieren oder umbuchen. Die meisten Anbieter nehmen Reisen dann sofort aus dem Programm, berichtet Schäfer. Einige Anbieter überlassen die Entscheidung wiederum den Kunden, ob sie trotz Warnung verreisen möchten – und etwa Quarantäne bei der Einreise in Kauf nehmen wollen.

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    Individualreisende tragen das Risiko selbst

    Kompliziert sind Rückerstattungen meist bei Individualreisenden, die Flug und Hotel getrennt gebucht haben. Da kann es passieren, dass der Flug gestrichen und erstattet wird – aber das Hotel nicht mehr storniert werden kann. Spätestens nachdem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte August gesagt hat, dass eine Reisewarnung kein Reiseverbot sei, herrscht jedoch keine wirkliche Klarheit mehr darüber, was eine Reisewarnung nun bedeutet.

    Klar ist nur so viel: Wer aus einem Risikogebiet zurückkehrt, muss mindestens so lange in Quarantäne, bis ein negativer Corona-Test vorliegt. Auch neu: Jeder muss den Test selbst bezahlen und bekommt in der Quarantäne ausgefallenen Lohn nicht mehr vom Staat bezahlt.

    Corona-Tests kosten etwa am Frankfurter Flughafen 35 bis 60 Euro. Die von den Reisebeschränkungen stark betroffene Fluggesellschaft Lufthansa spricht sich gegen pauschale Reiserestriktionen aus und fordert Regelungen, die verantwortungsbewusstes Reisen ermöglichen – dazu gehöre eine „gezielte Teststrategie“, sagt eine Sprecherin.

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    Reiseverband kritisiert unterschiedliche Maßstäbe für Deutschland und Ausland

    Der Reiseverband erwartet durch die geplante Aufhebung der pauschalen Reisewarnungen für mehr als 160 Länder weltweit zum 1. Oktober durch das Auswärtige Amt noch keine große Entspannung. „Das ist ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung, da die pauschale Warnung durch einzelne Reisehinweise ersetzt wird“, meint DRV-Präsident Norbert Fiebig. Er ist aber überzeugt, dass für einen Großteil der Länder die Reisewarnungen weiter bestehen bleiben und es fast keine Möglichkeit geben wird, außerhalb Europas zu reisen.

    Fiebig kritisiert zudem, dass Spahn aktuell unterschiedliche Maßstäbe für Deutschland sowie das Ausland anlege. „Spahns Rufe nach dem Herbst- und Winterurlaub in Deutschland haben nichts mit Infektionsschutz zu tun und sind in vielerlei Hinsicht schädlich.“ So gebe es in Bayern mehrere Hotspots, dennoch empfiehlt Spahn weiter Urlaub in Deutschland.

    In Spanien liegen dagegen Inseln wie Lanzarote, Formentera und Menorca, die keinen einzigen Hotspot hätten. Trotzdem gelte dort eine Reisewarnung. „Das ist absurd – und schadet nicht nur der deutschen Reisewirtschaft. Auch die Wirtschaft vor Ort hängt zu einem großen Teil vom Tourismus ab und wird durch solche undifferenzierten Entscheidungen enorm in Mitleidenschaft gezogen“, so Fiebig. Für den Winter gebe es fast nichts, was verkauft werden kann. „Damit ist die Reisewirtschaft eine Händlerin ohne Ware.“

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