Hamburg. Immer mehr Reisewarnungen für Ziele im Süden. Veranstalter fahren Angebot zurück, Hamburger Reisebüros fürchten Stornowelle.

Noch einmal die Sonne genießen an den Stränden von Fuerteventura, durch die Mondlandschaften am Fuße des Vulkans Teide auf Teneriffa wandern – viele Hamburger müssen diesen Traum vom verlängerten Sommer auf den Kanaren begraben. Für die beliebte Inselgruppe im Atlantik ist kürzlich eine Reisewarnung ausgesprochen worden. Und nicht nur das: Derzeit werden die Ziele für einen Herbsturlaub von Tag zu Tag rarer.

Das Coronavirus breitet sich wieder schneller aus, das Risiko einer Ansteckung in vielen Regionen steigt: Mit der Verschärfung der Situation auf den Kanaren gilt jetzt für ganz Spanien eine Reisewarnung, wie auch für Teile Frankreichs und Kroatiens.

Corona: Kein Urlaub im Ausland in den Hamburger Herbstferien

Und am Mittwochabend hat das Auswärtige Amt die Warn-Gebiete noch einmal ausgeweitet für Ziele wie die Insel Korsika, Genf, Prag und Dubrovnik. Für die Reisebüros, die im Sommer bereits den Wegfall Tausender Buchungen in die Türkei, nach Ägypten und nach Mallorca zu verkraften hatten, sind die vielen neuen Einschränkungen kaum zu verkraften.

„Das ist ein schwerer Schlag für uns“, sagt Andreas Preuß, Geschäftsführer des Menzell Reisebüros. Die Verunsicherung der Kunden steige. Schließlich seien die Kanaren das „wichtigste Ziel für den Herbst und Winter“. Sollte die Reisewarnung bis in den Oktober hinein anhalten, würde das Herbstferiengeschäft wegbrechen, sagt der Chef des Reisebüros in der Nähe des Rathauses. „Dann sind massenhafte Stornierungen zu befürchten“, bilanziert Preuß.

Branchenverband fürchtet Pleiten bei Reisebüros

Viele Agenturen dürften die anhaltenden Beschränkungen bei den Urlaubszielen nicht überleben, fürchtet der Branchenverband DRV. Laut einer Umfrage unter fast 650 Unternehmen sehen sich mehr als 60 Prozent der Reisebüros unmittelbar von der Insolvenz bedroht. Bei den Reiseveranstaltern sind es gut die Hälfte.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

„So langsam stumpfen wir ab“, beschreibt Florian Kruse von Adventure Tours die Lage. „Wenn wir denn mal die eine oder die andere Reise verkaufen, dann Griechenland. Ob Rhodos, Kos, Kreta oder Korfu. Hauptsache noch mal Sonne tanken“, sagt Kruse über die Vorlieben der Hamburger. „Außerdem helfen wir immer noch den Kunden, die bei den Onlineportalen gebucht haben und nicht weiterkommen“, ergänzt der Inhaber des Büros in Barmbek. Schon vor der Reisewarnung war Griechenland in diesem Sommer das beliebteste Ziel der Deutschen, bestätigt auch die Fluggesellschaft Condor. „Insbesondere nach der Reisewarnung für Spanien steht Griechenland auch für die Herbstferien hoch im Kurs“, sagt Magdalena Hauser von Condor, die dort 14 Ziele ansteuern. „Alternativen sind aber auch Funchal auf Madeira oder Zypern.“

Menschen auf den Kanaren stark vom Tourismus abhängig

Für Fans von gutem Essen hatte sich für den Herbsturlaub zudem Frankreich angeboten. Doch inzwischen fallen etliche Destinationen in dem Land der Genießer weg. Wegen der hohen Infektionszahlen warnt das Auswärtige Amt vor Reisen nach Korsika sowie in die Regionen Île-de-France mit der Hauptstadt Paris, Provence-Alpes-Côte-d’Azur am Mittelmeer, Auvergne-Rhônes-Alpes, Occitanie und Nouvelle-Aquitaine.

Viel stärker als die Franzosen sind die Menschen auf den Kanaren vom Tourismus abhängig. Auf den Inseln, die bereits im Juni eine Arbeitslosenquote von 21 Prozent zu beklagen hatten, ist die Sorge mit Blick auf leere Hotels im Herbst groß. Und auch die deutschen Reisebüros beklagen, dass es „nicht verhältnismäßig ist, die gesamten Kanaren unter die Reisewarnung zu stellen, obwohl sich die Infektionszahlen nur auf einige wenige Gebiete beschränken“, kritisiert der DRV das Vorgehen des Auswärtigen Amtes. Betroffen seien nur die Städte auf Gran Canaria und Teneriffa.

Kleiner Hoffnungsschimmer

„Risikogebiete sollten möglichst zielgenau und differenziert ausgewiesen werden – ähnlich wie dies in Deutschland bereits auf Landkreisebene geschieht“, fordert der Verband. „Wir führen aber auch nach der Reisewarnung Flüge auf die Kanaren durch“, sagt Florian Gränzdörffer von Eurowings. Allerdings mache sich die Reisewarnung „in einer deutlich geringeren Nachfrage der Pauschalanbieter nach Flügen auf die Kanaren“ bemerkbar, beschreibt der Sprecher der Fluggesellschaft die Lage. Große Veranstalter wie Tui und DER Touristik haben Reisen auf die Kanaren bis vorerst Mitte oder Ende September abgesagt.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist für die Branche dennoch in Sicht: Die pauschale Reisewarnung für fast alle gut 160 Länder außerhalb der EU und des Schengen-Raums wird am 30. September enden. Danach soll es nach einem Beschluss des Bundeskabinetts auf die Lage in den einzelnen Staaten zugeschnittene Bewertungen geben. „Ab Oktober kehren wir zu einem individuellen System für jedes Land zurück,“ sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Reisewarnungen für Länder mit Risikogebieten werde es weiter geben. Diese könnten auch aufgehoben werden, wenn es beispielsweise Quarantänebestimmungen gebe. Allerdings könne in einem solchen Fall dringend von Reisen abgeraten werden. An der Möglichkeit zu reisen, werde sich damit aber praktisch wohl wenig ändern, sagte die Sprecherin.

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Eine Reisewarnung ist kein Verbot, soll aber eine erheblich abschreckende Wirkung haben. Allerdings hat sie auch eine positive Seite für Verbraucher: Sie ermöglicht es Reisenden, Buchungen für Pauschalreisen kostenlos zu stornieren. Die Reisewarnung erfolgt dabei unabhängig von der Einstufung von Ländern als Risikogebiet.