Hamburg. Kosten für die Pannenbrücke über die Rethe sind deutlich höher als angenommen – und die Reparatur verzögert sich weiter.
Die neue Rethe-Klappbrücke ist ein herausragendes Bauwerk. Die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) bezeichnet sie gar als „Meilenstein im Hamburger Hafen“. Mit einer Spannweite von 104 Metern ist sie Europas größte Klappbrücke.
Rethe-Klappbrücke im Hafen verbindet B1 und A7
Sie gilt als eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte im Hafen, da sie eine wichtige Funktion als Hauptstraßenverbindung nach Süden in Richtung Harburg zur Bundesautobahn 1 und zur zweiten Süderelbquerung über die Kattwykbrücke zur A7 hat.
Im aufgeklappten Zustand gibt sie der Schifffahrt den Weg zu den zahlreichen Firmen am Reiherstieg frei. Die Brücke hat nur ein Problem: Ihre Klappe funktioniert nicht. Sie ist seit zwei Wochen kaputt – und wohl auch noch länger. Nicht das erste Mal.
Klappe beeinträchtigte 2020 mehrfach Schiffsverkehr
Allein in diesem Jahr hat es laut HPA zehn Vorfälle gegeben. Dem Abendblatt sind allerdings zwei weitere von Schiffsagenten gemeldete Störungen bekannt, infolge derer der Schiffsverkehr behindert wurde. Dabei ist die Brücke gerade erst seit drei Jahren in Betrieb.
Sie ersetzte 2017 die 1934 gebaute alte Rethe-Hubbrücke, die ihre Lebensdauer erreicht hatte und zudem ein echtes Nadelöhr war. So mussten sich Autos und Bahnverkehr die alte Brücke teilen, was in der Vergangenheit dazu führte, dass die Brücke für den Straßenverkehr bis zu 40-mal am Tag gesperrt werden musste, weil Güterzüge sie querten.
Jetzt haben beide Verkehrsträger ihren eigenen Brückenteil. Die Bahnbrücke verläuft neben der Straßenbrücke. Zudem soll die Schifffahrt mehr Raum erhalten. Die Durchfahrtsbreite soll künftig 64 Meter betragen anstatt 44 Meter wie bisher. Doch zur Nutzung dieser Vorzüge müsste der Betrieb reibungslos laufen.
Brücke kostet 46 Millionen Euro mehr als angenommen
Die HPA verweist darauf, dass die Störungen zum Teil durch äußere Einflüsse hervorgerufen worden seien, wie etwa Anfang Januar, als ein Schwimmkran eine Hochspannungsleitung neben der Brücke abriss. Zudem hätten sie häufig nur wenige Minuten gedauert.
Für die Hafenfirmen ist die Rethe-Klappbrücke aber inzwischen ein Unsicherheitsfaktor. „Wir verlieren hier wegen der Einschränkungen den Anschluss“, sagte unlängst der kaufmännische Leiter des Futtermittelherstellers Habema, Jes-Christian Hansen, dem Abendblatt.
Keine Probleme? "Das Gegenteil ist der Fall"
Die HPA habe versprochen, dass die Hafenwirtschaft mit der neuen Brücke keine Probleme mehr haben werde. „Das Gegenteil ist der Fall.“ Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, spricht gar von einer „Blamage auf ganzer Linie“.
Und zwar eine ziemlich teure Blamage: Ursprünglich sollte der Neubau 95 Millionen Euro kosten. Dann wurden aufgrund von Bauverzögerungen 173 Millionen Euro angegeben. Zusätzlich wurden in einem Nachtrag acht Millionen Euro für den Rückbau der alten Brücke gefordert. Doch auch damit kommt die HPA nicht aus.
194,6 Millionen kostet die neue Rethe-Klappbrücke
Wie die Hafenverwaltung dem Abendblatt jetzt mitteilte, geht sie von 194,6 Millionen Euro für die neue und 32,5 Millionen für den Abbruch der alten Brücke aus. Damit liegen die Gesamtkosten jetzt bei 227,1 Millionen Euro – 46 Millionen Euro jenseits des zuletzt geplanten Volumens.
Dem Vernehmen nach soll die HPA die letzte Rate an die Baufirmen noch nicht überwiesen haben. Doch das will die Hafenverwaltung nicht bestätigen. „Grundsätzlich handelt es sich bei Verhandlungen mit den Baufirmen um laufende Verfahren, zu denen wir uns nicht äußern“, teilte die HPA schriftlich mit.
Notbetrieb der schadhaften Brücke vorbereitet
Nicht eingerechnet sind natürlich die Kosten für den jetzigen Schaden. Am 20. August hat sich einer von zwei Hydraulikzylindern beim Klappvorgang verbogen. Zunächst musste die Brücke für einen Tag gesperrt werden.
Für Autofahrer, Lkw- und Fahrradfahrer wurde extra eine Umleitung eingerichtet. Noch bei genauerer Begutachtung des Schadens in der Nacht stellte sich heraus,, dass der Schaden noch größer ist.
Rethe-Brücke bereits zwei Wochen gesperrt
Daraufhin kündigte die HPA an, die Sperrung dauere eine Woche. Daraus sind inzwischen zwei geworden. Die Brücke befindet sich seitdem im aufgeklappten Zustand, damit wenigstens die Schifffahrt nicht behindert wird. Am kommenden Freitag müsste die Brücke der HPA zufolge wieder betriebsbereit sein.
Doch nach Informationen des Abendblatts wird die Reparatur viel länger dauern – und zwar Monate. Grund ist, dass ein neuer Hydraulikkolben eingebaut werden muss. Und da die Brücke ein Unikat ist, gibt es Ersatzteile nicht in der Werkstatt zu kaufen.
Zeitpunkt der Schadensbehebung nicht absehbar
Sie müssen extra hergestellt werden. Das kann dauern. Von der HPA heißt es dazu: „Mitarbeiter der HPA und externe Kräfte arbeiten mit Hochdruck an einer Behebung des Schadens. Wann dieser endgültig beseitigt ist, kann derzeit noch nicht abgesehen werden, da dies von vielen Faktoren abhängt.“
Parallel bereite die HPA aber einen planbaren Sonderbetrieb mit einem Hydraulikzylinder vor, um eine Nutzung der Brücke für Schifffahrt und Straßenverkehr wieder möglich zu machen. Der Bahnverkehr ist von dem aktuellen Schaden nicht betroffen.
CDU fordert Eingreifen des Wirtschaftssenators
Die Opposition in der Bürgerschaft sieht Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) in der Pflicht, schnell für die volle Inbetriebnahme der Brücke zu sorgen. „Schon die Bauphase war ein Drama, dann die Kostenexplosion, dann die vielen Störungen und jetzt die Sperrung. Besonders unverständlich ist, dass niemand Verantwortung übernimmt“, sagte der CDU-Abgeordnete Wiese.
Wiese fragt: „Wo ist Senator Westhagemann? Er kam erst 2018 an Bord, als die Brücke längst stand, daher könnte er jetzt unbelastet für Ordnung sorgen. Aber der Senator duckt sich weg.“
Eines stellt die HPA aber klar: „Bei der Rethebrücke handelt es sich keinesfalls um eine Fehlkonstruktion.“ Zur Erinnerung: Die HPA hatte 2007 die Entscheidung für den Bau der Brücke selbst getroffen.