Peking. Nicht einmal die Corona-Krise kann die chinesischen Investitionen stoppen. „Made in China“ soll zum Gütesiegel werden.

„Made in China“ stand bis vor Kurzem noch für Ramschprodukte, Billigtechnik und mindere Qualität. Doch die Regierung in Peking hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die Herkunftsbezeichnung als weltweites Gü­tesiegel zu etablieren.

Bis 2025 möchte man die Führung in zehn wichtigen Zukunftstechnologien erreichen – darunter Elektromobilität, Robotik und Biomedizin. Im ganzen Land sprießen Techno­logieparks aus dem Boden, werden Pilotprojekte zu künstlicher Intelligenz (KI) durchgeführt und erfolgreiche Start-ups mit massiven Investitionen gefördert.

China macht die Tech-Vision zur Staatssache

Es ist wenig überraschend, dass die Tech-Vision in China vor allem Staats­sache ist: 2015 hat die Volksrepublik ihre „Made in China 2025“-Strategie vor­gestellt. Sie wurde maßgeblich von der deutschen Plattform „Industrie 4.0“ inspiriert, geht aber über das reine Streben nach technologischem Fortschritt hinaus: China möchte der gesamten Industrie des Landes eine Aufwertung verpassen, heimische Produkte sollen weltweit wettbewerbsfähig werden.

Der Staat tritt dabei primär als Geldgeber auf, weiß jedoch genau, dass die Innovation für die Wirtschaft vor allem von den Privatbetrieben kommt – allen voran Huawei, Tencent und Alibaba.

China will sich wirtschaftlich unabhängig vom Ausland machen

Ein Ziel der Strategie ist auch die Autarkie: Bei heimische Technologieprodukten sollen sukzessive importierte Komponenten aus dem Ausland durch lokal produzierte Teile aus dem Inland ersetzt werden. In den nächsten fünf Jahren soll so eine Selbstversorgungsrate von 70 Prozent erreicht werden.

Derzeit ist man weit davon entfernt, was das Beispiel der Halbleiterindustrie verdeutlicht: Während die Volksrepublik 60 Prozent des globalen Bedarfs für Halbleiter generiert, produziert es nur 13 Prozent.

Corona-Krise stoppt chinesische Investitionen nicht

Während in anderen Nationen die Corona-Krise eine heftige Debatte über Wirtschaftsinvestitionen auslösen würde, kann das autoritär regierte Land seine Strategie unbeirrt fortsetzen: Seit 2020 haben über ein Dutzend Lokalregierungen, darunter auch die Verwaltungen von Peking und Shanghai, umgerechnet fast 900 Milliarden Euro an Investitionen für Zukunftstechnologien zugesagt.

Beim Nationalen Volkskongress, dem wohl wichtigsten politischen Ereignis des Kalenderjahrs, sprach Premierminister Li Keqiang davon, dem Land eine „Infrastruktur neuen Stils“ verpassen zu wollen. Es geht um Schnellzugstrecken, Smart Factorys und Ladestationen für Elektroautos.

China ist in immer mehr Bereichen führend

Vor allem investiert man in 5G-Netzwerke: Bis Jahresende will China insgesamt 600.000 5G-Basisstationen landesweit errichtet haben – in den Vereinigten Staaten wird man zum selben Zeitpunkt nur ein Sechzigstel davon erreichen.

Tatsächlich sind die Chinesen bereits in einigen Bereichen international führend – etwa im Bereich der Spracherkennungssoftware. Auch Tik-Tok gilt als Erfolgsbeispiel. Insbesondere wegen des Algorithmus: Die eingebaute künstliche Intelligenz sorgt für eine ungemein hohe Verweildauer bei der Nutzung der App, indem die Software scheinbar immer genau das passende nächste Kurzvideo vorschlägt.

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    Ebenfalls ist der absolute Großteil an führenden Batterieherstellern für Elektroautos in China ansässig. Nicht zuletzt hat China vor wenigen Wochen seine erste Weltallmission in Richtung Mars geschickt – auch das eine klare Botschaft an die USA und Europa, im Bereich der Raumfahrt aufholen zu wollen.

    Washington ist „Made in China 2025“ ein Dorn im Auge – auch weil US-Präsident Donald Trump darin vor allem den Versuch Chinas sieht, wichtige Technologien aus dem Westen illegal abzuschöpfen. Die größte Sorge der US-Wirtschaft – aber auch von Firmen in Europa – bezieht sich zudem auf die ungleichen Startbedingungen, die Peking durch die starke Subventionierung der eigenen Champions setzt.

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    „Solche unfairen Wettbewerbsbedingungen könnten den gegenwärtigen Trend der globalen Entkopplung von Lieferketten verschärfen und den Protektionismus verstärken“, heißt es in einer Stellungnahme der Europäischen Handelskammer in Peking.

    Fehlendes technologisches Know-how ist die Achillesferse

    In einer Publikation der Berliner Denkfabrik Merics vom Juli 2019 beschreiben die Autoren: „Die Blaupause für Chinas Weg zur Industriesupermacht hat aufseiten ausländischer Unternehmen, Verbände und Regierungen die Sicht auf China verändert. Die Volksrepublik gilt seitdem als systemischer Wettbewerber und nicht länger nur als Partner.“

    Deutschland hingegen würde noch zu naiv bei der Kollaboration in Bezug auf Technologie und Forschung mit China agieren. Südkorea und Taiwan hingegen hätten sich viel besser – sprich restriktiver – auf Chinas „2025“-Plan eingestellt.

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    Huawei durch Sanktionen in der Existenz bedroht?

    Die Parteikader in Peking sehen jedoch in Zeiten des eskalierenden Handelskriegs mit den USA die Notwendigkeit ihrer „Made in China 2025“-Strategie: Fehlendes technologisches Know-how ist die Achillesferse der chinesischen Wirtschaft.

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    Das Unternehmen Huawei etwa ist durch die US-Sanktionen praktisch von der Technologie aus den Vereinigten Staaten abgeschnitten, was die Tech-Firma aus Shenzhen wiederum in ihrer Existenz bedrohen könnte.

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