Hamburg. Die Corona-Krise bremst die Produktion in den Autofabriken. Abendblattleser berichten von langen Lieferzeiten.

Als Ulrich Stückler im Januar seinen Opel Astra ST bestellt, ahnt er noch nichts von dem Aufwand, den er betreiben muss, bis er endlich in sein neues Auto einsteigen kann. Nur so viel: Er entschied sich letztlich um, stornierte die Order und bestellte einen Mazda. Denn der Opel sollte frühestens Ende September beim Händler ankommen und Stückler erst Anfang Oktober zur Verfügung stehen – also nach einer Lieferzeit von neun Monaten. Der Hamburger, dessen Nerven bei dem Fahrzeugkauf arg strapaziert wurden, ist kein Einzelfall. Corona hat dazu geführt und trägt zum Teil auch weiterhin dazu bei, dass Kunden viel Geduld benötigen, bis sie endlich das erste Mal mit ihrem neuen Auto durch Hamburg fahren können.

Auch bei Neuwagen etwa von Porsche oder VW und vor allem bei Elektro- und Hybridfahrzeugen behindern derzeit lange Lieferzeiten den Vertrieb. „Die Corona-Krise fordert uns massiv“, so eine Porsche-Sprecherin. Die Produktion habe insgesamt sechs Wochen lang stillgestanden und sei im Mai kontinuierlich wieder hochgefahren worden. „Wir arbeiten seitdem die offenen Bestellungen nach und nach ab“, ergänzt sie „Vor diesem Hintergrund kann es nach wie vor zu längeren Wartezeiten kommen.“

Bei Skoda waren die Werke in Tschechien sechs Wochen lang geschlossen

Bei Skoda waren die Werke in Tschechien sechs Wochen lang geschlossen. „Um die Ausfälle nachzuarbeiten und weil Sicherheitsmaßnahmen wie Abstandsregeln die Prozesse verlangsamen, kommt es zu längeren Lieferzeiten“, sagt ein Sprecher von Skoda. Bei der Marke Volkswagen gehören derzeit die Interessenten von Kleinwagen zu den Verlierern. Auf den kompakten Up! müssten die Kunden sechs Monate warten, heißt es vom Wolfsburger Konzern.

Im Fall des Wunschautos von Ulrich Stückler, dem Opel Astra ST, führt der anhaltende Produktionsstopp des Vauxhall-Autowerks in Ellesmere Port dazu, dass dieses Modell schlecht verfügbar ist. Seit März – und noch bis Mitte August – wird in der britischen Fabrik kein Auto vom Band rollen. 2019 hatte das Werk noch 62.000 Astra-Fahrzeuge gebaut und damit erheblich zur Produktion des Mittelklassewagens beigetragen. Im stark von der Pandemie betroffenen Großbritannien müssen die Mitarbeiter nun mehr als 100 Sicherheitsmaßnahmen umsetzen, um die Hygieneregeln einzuhalten, daher die lange Schließung.

Verkaufsleiter wirbt für Verständnis der Verbraucher

„Wir setzen alles daran, die Kundenbestellungen schnellstmöglich zu bearbeiten“, heißt es von einem Opel-Vauxhall-Sprecher zur Lage bei den Verkäufen. „Im Urlaub auf der französischen Autobahn im Leihwagen erreichte mich Ende Juni aus Rüsselsheim die mittlerweile eingeschaltete Opel-Zentrale“, schildert Ulrich Stückler das Hin und Her. Die Lieferung sei nun erst für die KW 40 geplant, hieß es plötzlich zu der im Januar getätigten Bestellung. „Dann habe ich einen Mazda CX-30 aus dem Hamburger Neuwagen-Bestand von Dello übernommen und werde nun die nächsten vier Jahre keinen Opel fahren“, bilanziert der frustrierte Kunde.

Verkaufsleiter Rainer Stanek vom Autohaus Dello in Norderstedt, wo sich der Fall abgespielt hat, wirbt allerdings auch für Verständnis der Verbraucher. Corona habe eine „nie dagewesene Situation“ gebracht, für die gesamte Indus­trie. „Wenn Teile fehlten, etwa Sitze oder Reifen, weil von Zulieferern etwas nicht beschafft werden konnte, hat das die Produktion behindert“, so Stanek. Schließlich hielten die Fabriken die Einzelteile heute nicht mehr im Lager vor, sondern produzierten just-in-time.

Noch länger als der Kunde bei Opel müssen die Verbraucher derzeit bei Volkswagen warten, wenn sie die elektrische Version des kleinen Up! bestellen. Hier erreicht die Lieferzeit mehr als 14 Monate. „Bei allen anderen Modellen liegen wir aber im normalen Bereich“, teilte VW mit. Die Verfügbarkeit bei klimaverträglicheren Modellen ist momentan grundsätzlich eingeschränkt.

Bis Ende 2021 verdoppelt der Bund seinen Anteil am bestehenden Umweltbonus

Ein Hamburger, der Anfang Juli einen Mini Hy­brid geordert hat, wird auf das Auto bis zum Winter warten müssen. „Ich soll den Wagen Ende November bekommen“, sagte der Familienvater aus Winterhude. Bei Mercedes war der A 250 e Plug-in-Hybrid zwischenzeitlich gar nicht mehr zu bestellen. Jetzt ist die klimaschonende A-Klasse wieder erhältlich, teilte Mercedes mit. Daimler war offensichtlich selbst von der hohen Nachfrage überrascht worden, die zusätzlich durch die unlängst erhöhte E-Autoprämie angeheizt wurde.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Denn bis Ende 2021 verdoppelt der Bund seinen Anteil am bestehenden Umweltbonus, der eigentlich zur Hälfte aus Steuergeldern und zur Hälfte von den Herstellern gezahlt wird: Wer ein reines E-Auto kauft, kann bis zu 9000 Euro Prämie bekommen, für Plug-in-Hybride sind es bis zu 6750 Euro. Die Förderung wirkt sich bei vielen Fabrikaten auf das Kaufinteresse aus. So erreichte der Anteil elektrifizierter Fahrzeuge an der Gesamtzahl der Neuzulassungen hierzulande im ersten Halbjahr 2020 mit 16,7 Prozent einen neuen Rekord. Besonders ins Gewicht fielen dabei die Plug-in-Hybride mit einem massiven Zuwachs von 257 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Reine Elektrofahrzeuge legten immerhin um 23 Prozent zu, ergab eine Studie der Strategieberatung von PwC.

Fahrzeugmarkt hat in der Corona-Krise stark gelitten

Ansonsten hat der Fahrzeugmarkt in der Corona-Krise bisher stark gelitten. Auch noch im Juni, als die Autohäuser wieder geöffnet hatten, waren deutliche Rückgänge spürbar. So verzeichnete die Branche in Deutschland Einbußen von 32 Prozent bei den Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahresmonat. Für die gebeutelten Autohersteller soll nun auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 Prozent Erleichterung bringen. Der verringerte Satz gilt seit dem 1. Juli 2020 und noch bis zum 31. Dezember 2020.

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Die Interessenten, die mit einem neuen Fahrzeug liebäugeln, werden indes nicht nur von langen Lieferzeiten, Kurzarbeit oder Angst vor Jobverlust ausgebremst, sondern am Ende auch noch von den Behörden. Auch wer bereits Monate auf seinen neuen fahrbaren Untersatz gewartet hat, muss sich kurz vor der ersten Ausfahrt an Alster oder Elbe noch einmal in Geduld üben. Bis das neue Auto zugelassen ist, vergehen bei einem privaten Käufer in Zeiten von Corona schnell einige Wochen. Das betrifft die Behörden in Hamburg, aber auch im Umland. So beträgt die Wartezeit auf den nächsten freien Termin beim Straßenverkehrsamt in Elmshorn momentan zum Beispiel vier Wochen.