Hamburg . Blohm+Voss testet 1500 Arbeitnehmer zum zweiten Mal auf das Virus. IG Metall wird wegen des Hygienekonzepts bei der Werft vorstellig.

Es ist derzeit ungewöhnlich still auf dem Gelände der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss. Wo sonst bis zu 1500 Beschäftigte arbeiten, hält sich aktuell nur eine Notbesetzung von rund 30 Personen auf: Mitglieder der Geschäftsführung, der Betriebsrat und die Feuerwehr. Schweißer, Elektriker und Schiffbauer sucht man dagegen bei Blohm+Voss aktuell vergeblich. Der Grund dafür: Corona.

Bereits vor einer knappen Woche ging der Schiffbaubetrieb, der seit Ende 2016 zur Bremer Lürssen Gruppe gehört, mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, sechs Beschäftigte hätten sich mit Covid-19 angesteckt. Die Geschäftsführung ordnete umgehend einen Massentest aller Arbeitnehmer an, die in der Sektion gearbeitet hatten, wo die Corona-Fälle festgestellt worden waren. Am Dienstag kam dann das Ergebnis: 49 von rund 500 Tests waren positiv, also nahezu jeder zehnte. Überprüft wurden zunächst die Arbeitnehmer im Yachtbau, denn dort war der Ausbruchsherd.

Viele Beschäftigte aus anderen Firmen auf dem Gelände

Um sicher zu gehen, dass sich nicht noch andere Beschäftigte auf dem Werftgelände infiziert haben, folgte am Dienstag schließlich ein Kompletttest aller 1500 Personen, die auf dem Gelände arbeiten. Kein einfaches Unterfangen: Denn Blohm+Voss hat mit zahlreichen Firmen Werkverträge, deren Beschäftigte folglich nicht direkt bei der Werft angestellt sind. So werden zum Beispiel im Yachtbau Gewerke wie Tischler benötigt, die dauerhaft in einem Schiffbaubetrieb nicht zum Einsatz kommen. Bis zu zwölf Fremdfirmen können sich da schon mal auf dem Blohm+Voss-Gelände tummeln.

Nach der Häufung der Corona-Fälle stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie konnte es überhaupt zu den vergleichsweise vielen Infektionen unter den Arbeitern kommen? Offensichtlich sind mit einer Ausnahme bisher nur Beschäftigte positiv getestet worden, die nicht fest bei Blohm+Voss angestellt sind, also von Fremdfirmen kommen. Zudem handelt es sich auch um viele Personen, die ihren Wohnsitz im Umland haben, deshalb in der offiziellen Statistik nicht als Neuinfektionen für Hamburg gezählt werden. So meldete die Sozialbehörde für Dienstag „nur“ 25 neue Corona-Fälle bezogen auf die ganze Stadt – der zweithöchste Wert seit Mitte Mai, sicherlich auch getrieben von Blohm+Voss.

Keine Massenunterkünfte gemeldet

Sowohl von der Gesundheitsbehörde als auch von der Werft selbst hieß es am Mittwoch auf Abendblatt-Nachfrage, dass es keine Massenunterkünfte für Arbeitnehmer von Fremdfirmen gegeben hat. Vergleiche mit dem Fall des Fleischkonzerns Tönnies wurden von beiden Seiten zurückgewiesen. Hier hatten sich vor allem zahlreiche Leiharbeiter aus Osteuropa, die in zum Teil äußerst beengten Unterkünften leben mussten, mit Covid-19 angesteckt und eine Infektionswelle in Gang gesetzt.

Offensichtlich haben bei Blohm+Voss Urlaubsrückkehrer von externen Firmen, die auf dem Werftgelände Arbeiten ausführen, das Virus dort verbreitet. Wie dies geschehen konnte, ist allerdings weiterhin offen. Denn eigentlich gibt es ein mit der IG Metall abgestimmtes Sicherheitskonzept, das Mindestabstände bzw. Mund- und Nasenschutz vorsieht. „Das Hygienekonzept las sich auf dem Papier gut, nun wollen wir von der Geschäftsführung wissen, was schief gelaufen ist“, sagt Emanuel Glass, Geschäftsführer der IG Metall in Hamburg, dem Abendblatt.

Abstimmung mit dem Gesundheitsamt

Die Werftleitung ist derweil auf der Suche nach Schwachstellen ihres Hygienekonzepts. Man werde alle Maßnahmen nochmals überprüfen und in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt – wenn notwendig – weitere Verschärfungen vornehmen, hieß es. Um sicher zu gehen, dass man keinen Corona-Fall auf der Werft übersieht, werden nach Abendblatt-Informationen in der kommenden Woche erneut alle 1500 Arbeitnehmer getestet.

Schließlich muss die Inkubationszeit berücksichtigt werden. Erst nach Auswertung dieser Ergebnisse dürfte auf der Werft an eine langsame Rückkehr zu Normalität zu denken sein. Möglich wäre beispielsweise, dass zunächst nur einzelne Gruppen mit großzügigen Abstandsregeln auf das weitläufige Gelände im Hafen zurückkehren. Wann genau das sein wird und welche Arbeiten dann konkret ausgeführt werden dürfen, darüber wird das Gesundheitsamt mitentscheiden.

Der wirtschaftliche Schaden für die Werft dürfte sich bisher noch im Rahmen halten. Allerdings ist es bei einigen Arbeiten nun zu Verzögerungen gekommen, bei denen unklar ist, ob Stammbelegschaft und Beschäftigte von außerhalb diese in den kommenden Wochen aufholen können. Der Gewerkschaft ist zunächst einmal wichtig, dass die Arbeitnehmer ihren Lohn erhalten. IG-Metall-Geschäftsführer Glass: „Die Kollegen müssen weiter bezahlt werden, auch wenn sie nun zu Hause bleiben.“