Berlin. Die Sondersitzung des Finanzausschusses zum Wirecard-Skandal konnte die Opposition nicht überzeugen. Kommt ein Untersuchungsausschuss?
Für zweieinhalb Stunden war die Sondersitzung des Finanzausschusses zum Wirecard-Skandal am Mittwoch angesetzt. Am Ende nahmen die Abgeordneten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und den Präsidenten der Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Edgar Ernst, bis kurz vor Mitternacht ins Kreuzverhör.
Siebeneinhalb Stunden ging es darum, wie ein Dax-Konzern wie Wirecard offenbar ein Viertel seiner Bilanzsumme mit Luftbuchungen erfinden konnte, ohne dass es jemandem auffiel.
Wirecard-Skandal: Scholz und Altmaier weisen Schuld von sich
Olaf Scholz (SPD) stellte sich Teilnehmern der nichtöffentlichen Sitzung zufolge vor die in die Kritik geratene Finanzaufsicht Bafin. Die Schuld sah er vor allem bei den Wirtschaftsprüfern – deren Aufsicht wiederum in den Zuständigkeitsbereich von Peter Altmaier (CDU) fällt.
Doch auch Altmaier sah am Abend keine Fehler. Soweit er das nachvollziehen könne, seien zu jedem Zeitpunkt die notwendigen und die richtigen Schritte ergriffen worden, sagte Altmaier.
FDP, Linke und AfD wollen einen Untersuchungsausschuss
„Der große Befreiungsschlag für Herrn Scholz und Herrn Altmaier war das ganz sicher nicht“, sagte Lisa Paus, Grünen-Sprecherin für Finanzpolitik am Donnerstag. Die Grünen wollen noch in der Parlamentarischen Sommerpause eine weitere Sondersitzung erwirken.
Schon einen Schritt weiter sind FDP, Linke und AfD. Sie fordern einen Untersuchungsausschuss – der vor allem für Scholz als möglichen Kanzlerkandidaten der SPD im kommenden Wahljahr zur Belastung werden könnte. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte unserer Redaktion, dass bei der SPD der Wille zur Aufklärung fehle. Dies unterstreiche „die Notwendigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses“.
Grüne werden zum Zünglein an der Waage
Zwar hätten FDP, Linke und AfD die nötige Mehrheit, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen, mit der AfD wollen FDP und Linke aber keine gemeinsame Sache machen.
Daher werden die Grünen nun zum Zünglein an der Waage. Sie haben der Bundesregierung eine Frist bis zum 10. August gesetzt, um in der Sitzung offen gebliebene Fragen schriftlich zu beantworten. „Wenn die Bundesregierung die Fehleranalyse nicht glaubwürdig und konsequent vorantreibt, braucht es einen Untersuchungsausschuss. Die Wahrscheinlichkeit spricht aktuell eher dafür als dagegen“, sagte der Leiter des Grünen-Wirtschaftsbeirats, Danyal Bayaz.
Mehr zum Wirecard-Skandal:
Der gigantische Skandal um den mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard ist zum Politikum geworden – und kann einigen Politikern gefährlich werden. Insbesondere Olaf Scholz steht unter Druck. Der Skandal kommt für ihn zur Unzeit, liegt er doch als möglicher Kanzlerkandidat der SPD vorne. Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin Malu Dreyer stärkte Scholz im Interview mit unserer Redaktion den Rücken. Olaf Scholz wusste seit 2019 von dem Manipulationsverdacht gegen Wirecard. 2019 stellte die Wirtschaftsprüfgesellschaft EY dennoch ein uneingeschränktes Testat für das Geschäftsjahr 2018 aus. Im Interview mit unserer Redaktion forderte zuletzt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann eine verschärfte Bilanzprüfung.