Soltau. Viele Besucher im Heide Park bleiben weg. Hansa-Park stoppt Investitionsprogramm. Gäste brauchen in Corona-Zeiten Disziplin.
Svenja Heuer steht auf der Brücke über der Raftingbahn. Im schäumenden Wasser rauscht ein rotes rundes Boot den Wasserlauf hinab, die drei Jungen, die jetzt von der nächsten Welle durchgeschaukelt werden, vergnügen sich bestens. Svenja Heuer ist allerdings nicht so recht zum Lachen zumute. „Hey“, ruft die Pressereferentin des Heide Parks zu dem Grüppchen in der Gischt, „bitte Maske aufsetzen“. Schnell zieht einer der Schüler den Schutz wieder über die Nase, dann ist das Boot auch schon hinter der nächsten Biegung verschwunden.
Ein Besuch des Freizeitparks ist in Zeiten von Corona ein Erlebnis zwischen Pflicht und Vergnügen. Überall stehen Hinweisschilder, die an den Aufgängen zu den Achterbahnen zum Abstandhalten mahnen. Die Masken dürfen selbst in den schnellsten Fahrgeschäften, die in einigen Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer beschleunigen, nicht abgesetzt werden. Das erfordert schon etwas Disziplin von den Gästen. Die manche nicht aufbringen. „Wir haben einigen Leuten schon ein Hausverbot erteilen müssen“, sagt Parkchefin Sabrina de Carvalho über ihre Erfahrungen in den vergangenen Tagen. Ansonsten aber verhielten sich die Besucher meistens vorbildlich, setzt die Geschäftsführerin schnell hinterher.
Freizeitparks im Norden in der Corona-Krise
Auch am Tag des Abendblatt-Besuchs halten sich die allermeisten Familien und Jugendlichen, die hier die Mehrheit der Gäste ausmachen, an die Bestimmungen. Sie tragen Mundschutz, nutzen die überall aufgehängten Desinfektionsspender und halten Abstand, wenn sie darauf warten, bis die nächste Fahrt beginnt.
Seit dem 25. Mai hat die Anlage – eine Autostunde von Hamburg entfernt – wieder geöffnet. Niedersachsen hatte am 22. Mai entschieden, dass Freizeitparks wieder loslegen dürfen. „Die Landesregierung hat über die Pläne, dass am Montag geöffnet werden darf, am Freitag Nachmittag informiert“, berichtet Sabrina de Carvalho über die mit Spannung erwartete Entscheidung. Auch im Heide Park, einem der größten Arbeitgeber der Region, wurde das Management nicht früher über die Lockerungen aufgeklärt.
Manche Indoor-Abenteuer sind geschlossen
Über das Wochenende musste also jeder verfügbare Mitarbeiter, auch die Geschäftsleitung, Hinweisschilder aufkleben, Sicherheitsbänder anbringen, die Homepage aktualisieren. Die Mitarbeiter, vorher waren mehr als 300 von ihnen in Kurzarbeit, mussten geschult werden. Die Aufforderung an die Gäste, die Maske stets zu tragen, gehört dazu.
Auch andere Dinge im Alltag zwischen Mountain-Rafting, Fallturm oder Loopingbahn haben sich geändert. Manche Indoor-Abenteuer sind geschlossen, auch einige Snackstationen haben noch nicht wieder geöffnet. „Und der Einlass ist bei uns nur noch mit zuvor reservierten Onlinetickets möglich“, sagt Svenja Heuer. Wer spontan an der Kasse ankomme, müsse wieder umkehren. Wenn er nicht noch schnell per Smartphone bucht.
Erzwungener Einbruch bei den Kundenzahlen hat die Erlöse gemindert
Anfangs durften pro Tag nur 2000 Besucher in den Park, damit es nicht zu voll wird. Daher die Kontrolle über den Online-Einlass. An Wochenendtagen in „normalen“ Zeiten, also vor Corona, strömten mindestens 13.000 Besucher nach Soltau. Jetzt muss die Anlage, nach dem Europa Park und dem Phantasialand Land die drittgrößte bundesweit, mit einem Bruchteil der Gäste auskommen. Der erzwungene Einbruch bei den Kundenzahlen hat die Erlöse gemindert, und auch in den vergangenen Tagen, als die Einlassgrenzen gelockert wurden, sind noch lange nicht so viele Familien gekommen wie sonst im Frühjahr. „Wir müssen mit weniger als der Hälfte der üblichen Umsätze auskommen“, rechnet Sabrina de Carvalho vor. Offenbar trauten sich viele Menschen nach dem Lockdown noch nicht wieder ins volle Freizeitvergnügen oder hätten momentan auch nicht so viel Geld. Immerhin kostet ein Ticket, auch zu derzeit reduzierten Preisen, 38 Euro.
Weniger Besucher, aber mehr Aufwand: „Wir haben deutlich erhöhte Kosten, um unser Sicherheitskonzept umsetzen zu können“, sagt die 54-Jährige, an deren Bürofenster in regelmäßigem Abstand kreischende Gäste in den Bahnen vorbeifliegen. Die Zusatzmaßnahmen umfassten die Bereiche Hygienemittel, Masken und Reinigung.
Zugehörigkeit zur Merlin-Gruppe ermöglicht dem Heide Park Unterstützung durch Kredite
„Wir sind dennoch sehr froh, dass wir wieder öffnen konnten“, freut sich Svenja Heuer. Den Tag, an dem die riesige hölzerne Achterbahn Colossos zum ersten Mal wieder gefahren sei, vergisst die Mitarbeiterin wohl nie: „Es war ein ganz tolles Gefühl, nach der langen Schließung“, sagt die Pressereferentin. Auch wirtschaftlich soll die Bahn, ein Muss für Adrenalinfans, nun wieder Erfolge zeigen. Erst 2019 war sie nach einer Erweiterung für immerhin zwölf Millionen Euro wieder eröffnet worden. Ein Drache, in dessen rauchspeiendem Maul die Bahn verschwindet, war angebaut worden und einige neue, atemberaubende Strecken wurden ausgebaut.
Der Heide Park gehört zur weltweit agierenden Merlin-Gruppe, dem zweitgrößten Betreiber von Freizeitattraktionen hinter Disney. Von Merlin fließt auch das Geld für solche Investitionen nach Soltau. Projekte, die allerdings jetzt erst einmal zurückgestellt werden, sagt Sabrina de Carvalho. Die Diplomkauffrau arbeitet schon seit Jahren für den Freizeitkonzern mit Sitz in England und genießt trotz ihrer Höhenangst immer mal wieder die Fahrt in den Loopingbahnen. In der Corona-Krise hätten sich die zur Gruppe gehörenden mehr als 100 Attraktionen wie Freizeitparks (Legoland, Gardaland), das Sealife, Tussauds oder das Dungeon auch gegenseitig bei den Maßnahmen unterstützen können. So hätten die Merlin-Einrichtungen in China wegen der Pandemie als Erstes schließen, aber auch früh wieder öffnen und die Hygieneregeln erproben können. Die Zugehörigkeit zur Merlin-Gruppe ermöglicht dem Heide Park zudem Unterstützung durch Kredite der Muttergesellschaft, eine Erleichterung in der gegenwärtigen Krise.
Hansa-Park startete erst Ende Juni in die Saison
Anders ist die Lage beim Hansa-Park in Sierksdorf. Denn dieses Ausflugsziel an der Ostsee ist ein reiner Familienbetrieb. Am 14./15. März sei die Verordnung bekannt gemacht worden, nach der nicht wie geplant am 28. März geöffnet werden durfte. Der Umsatz lag daher bei null, sagt Geschäftsführerin Claudia Leicht. „Wie viel am Ende fehlt, wird sich erst am Ende des Jahres zeigen.“ Der Park wird von dem Ehepaar Leicht gemeinsam geführt, die Betreiber äußern sich nicht über konkrete Umsätze.
Nur so viel: „Uns war von vornherein klar, dass uns nachhaltig unbeschwerte Ferien vom Alltag mit der ganzen Familie wichtiger sind als kurzfristiger Umsatz.“ Daher habe man sich entschieden, erst zu öffnen, wenn die Kindergärten und Schulen im Wesentlichen wieder in den Regelbetrieb gestartet seien. Für Claudia Leicht stand damit fest: Erst am 30. Juni ist wieder Einlass in dem Park mit Blick aufs Meer.
Das bedeutet: 200 Mitarbeiter waren bisher in Kurzarbeit. Allerdings führt der Hansa-Park trotz der Krise einige geplante Investitionen fort, etwa die Erweiterung der Themenwelt „Hanse in Europa“. Geplant sind jeweils bis zu 15 Meter hohe Bauten von Städten wie Helsinki, Stockholm, Riga und Stralsund. „Die umfangreiche Felsen-Thematisierung unser beider neuen Fahrattraktionen in Awildas Welt – beide schon TÜV abgenommen – mussten wir leider einstellen“, berichtet Claudia Leicht. Ein Stillstand als Folge der Pandemie: „Die französische Firma hat ihre Mitarbeiter gerade noch rechtzeitig vor der Grenzschließung nach Frankreich gebracht.“
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Grundsätzlich gelte, so die Chefin, dass das Investitionsprogramm der nächsten Jahre in einem Wert von etwa 25 Millionen Euro gestoppt sei. In absehbarer Zukunft müssten erst einmal die Staatshilfen zurückgezahlt werden. „Wir haben ein KfW-Darlehen beantragt, das auch bewilligt wurde. Das müssen wir aber auch zurückzahlen, also wieder erwirtschaften“, erklärt Claudia Leicht. „Das geht natürlich zulasten der Investitionen“.
Im Hansa-Park starten die Besucher jetzt erst wieder in die neue Saison, ein paar Autostunden weiter südlich haben sie dagegen schon länger wieder Spaß – selbst mit den neuen Hygieneregeln. In den Shops des Heide Parks, wo Drachenshirts, Mützen und Becher als Souvenir angeboten werden, ist mittlerweile ein Andenken besonders beliebt: Masken mit lustigen Motiven.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden