Hamburg. Nach acht Wochen Corona-Pause kommen die Hamburger Elektrobusse langsam in Fahrt. Eine Kooperation mit Supermärkten soll helfen.

May Kähler ist bei Moia eine Frau der ersten Stunde. Schon als der Fahrdienst Mitte April 2019 in Hamburg startete, saß sie hinter dem Steuer eines der Elektro-Kleinbusse, die bis zu sechs Passagiere durch die Stadt chauffieren. An diesem Tag ist sie mit einem der Fahrzeuge unterwegs, auf denen für das Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ im Mehr! Theater geworben wird. Dessen Premiere aber musste wegen der Ausbreitung des Coronavirus verschoben werden.

Auch für May Kähler hat Corona vieles verändert: Zwischen dem 1. April und dem 25. Mai war sie gar nicht im Einsatz. Moia hatte den Service eingestellt, fuhr im Auftrag der Stadt nur nachts ein paar Stunden, um den öffentlichen Nahverkehr zu unterstützen. Seit gut vier Wochen sind die Sammeltaxis wieder in Hamburg unterwegs, doch die Corona-Folgen sind weiter deutlich spürbar.

Im Juli erste Haltepunkte bei Lidl- und Kaufland-Filialen

Nun soll unter anderem eine Kooperation mit den Supermarktketten Lidl und Kaufland helfen, die Fahrgastzahlen wieder nach oben zu treiben. Moia wird dabei zu einer Art Zubringerdienst für Kunden, die ihre Einkäufe nicht weit schleppen möchten. Noch im Juli sollen auf den Parkplätzen von zunächst fünf Märkten in Hamburg Haltepunkte des Fahrdienstes eingerichtet werden. Welche Märkte das sein werden, steht noch nicht fest. Der Fahrdienst und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, sind aber bereits einig: „Weitere Märkte sollen im Laufe des Jahres folgen.“ Moia-Chef Robert Henrich sieht in der Kooperation nur einen Anfang: „Wir sind mit weiteren Filialunternehmen in Gesprächen über eine Zusammenarbeit.“

Im Alltagsgeschäft registriert Fahrerin Kähler einen Stimmungswandel im Kleinbus: „Es ist jetzt meistens ziemlich still im Wagen. Vor Corona gab es häufig Gespräche zwischen den Fahrgästen oder mit mir. Jetzt sind die meisten sehr auf sich fixiert“, sagt sie. Das hat wohl nicht allein damit zu tun, dass zwischen Fahrerin und Passagiersitzen eine dicke, transparente Schutzfolie hängt. Kähler muss keine Maske tragen. Für die Fahrgäste aber gilt Maskenpflicht.

Es ist eine von zahlreichen Hygienemaßnahmen: Statt sechs dürfen nur fünf Passagiersitze genutzt werden. Kähler desinfiziert mehrmals täglich den Haltegriff zum Einsteigen und die Schlösser der Sicherheitsgurte. Wenn einer der Fahrgäste die Maske vergessen hat, reicht sie eine aus dem Handschuhfach.

„Wir sind bei 40 Prozent“

Eine Schicht dauert für Kähler jetzt meist sechs Stunden. Das gesamte operative Personal bei Moia, Fahrer und Betriebshof-Mitarbeiter, gut 800 Mitarbeiter, ist noch in Kurzarbeit. Sie arbeiten nur die Hälfte der üblichen Zeit. In den Wochen der Betriebseinstellung waren sie in voller Kurzarbeit. Die Firma stockte das Gehalt auf 80 Prozent auf.

„Alle Fahrer haben erheblich Lohneinbußen hinnehmen müssen. Deshalb haben wir entschieden, dass alle jetzt wieder zumindest reduziert arbeiten können“, sagt Moia-Chef Henrich. Gemessen an den Fahrgastzahlen ist sogar weniger als die Hälfte zu tun als vor Corona. „Wir sind im Hochlauf und derzeit bei etwa 40 Prozent“, sagt Henrich über die Passagierzahl in den ersten Wochen. Das bedeutet: Moia hat in dieser Zeit etwa 100.000 Menschen befördert.

Im Februar, dem letzten Monat ohne Corona-Effekt, waren es gut 260.000 gewesen. „Es gibt einen kontinuierlichen Zuwachs“, sagt Henrich. Gleichwohl kann es Monate dauern, bis Moia das alte Fahrgastniveau erreicht. „Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt und nichts Gravierendes passiert, könnten wir zum Jahresende auf dem schon einmal erreichten Stand sein“, erwartet der Moia-Chef.

Derzeit sind bis zu 100 der 330 Kleinbusse im Einsatz

Waren vor Corona zu den Spitzenzeiten in den Wochenendnächten fast alle der 330 Kleinbusse im Einsatz, seien es jetzt je nach Buchungslage zwischen 70 und 100. Das Buchungsverhalten der Fahrgäste hat sich verändert. „Tagsüber gibt es jetzt mehr längere Fahrten“, sagt May Kähler. Offenbar wird Moia jetzt häufiger von Pendlern genutzt, die die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz nicht gern in Bus und Bahn zurücklegen.

Dafür spricht auch die Auslastung der Kleinbusse über die Woche. „Bei Fahrten tagsüber liegen wir derzeit bei über 40 Prozent, bei Fahrten abends und nachts darunter“, sagt Henrich. Das Nacht- und Partyleben in der Stadt, das Moia viele Fahrgäste beschert, läuft erst langsam wieder an. In einem Punkt sei schon jetzt das alte Niveau erreicht. „Die Poolingquote liegt bei 60 Prozent.“ Das heißt: Bei mehr als der Hälfte der Fahrten mit Passagieren sitzt mehr als ein Fahrgast im Kleinbus. Für Moia, das in Hamburg mit einer bis Ende 2022 gültigen Sondergenehmigung fährt, ist das ein wichtiger Punkt.

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Wenn das Unternehmen nachweisen kann, dass sein Service die Stadt von individuellem Autoverkehr entlastet, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrdienst eine langfristige Zukunft hat. Henrich betont immer wieder: „Wir sind nach Hamburg gekommen, um zu bleiben.“ Die Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur laufen trotz des schweren Corona-Rückschlags weiter. Auf dem Betriebshof in Wandsbek werden derzeit die Ladesäulen für die Elektrobusse installiert.

Feilen an der Buchungs-App

Und die IT-Mitarbeiter haben in der Corona-Pause am Algorithmus gefeilt, der mehrere Passagiere gemeinsam in einen Kleinbus bucht. „Bisher wurde bei einer Anfrage nur der nächstgelegene Haltepunkt berücksichtigt. Wir haben diese Auswahl erweitert, sodass auch die nächsten, ein bisschen entfernteren Haltepunkte einbezogen werden. Der Vorteil ist, dass wir dadurch mehr Fahrten vermitteln können.“ Für Moia bedeutet es mehr Effizienz, für Kunden eine bessere Verfügbarkeit der Wagen.