Hamburg. Betreiber dürfen Trampolinhallen wieder öffnen. Aber die Kunden nehmen das Angebot bisher noch sehr verhalten an.

Beim Rundgang durch das Jump House in Poppenbüttel hält Till Walz vor einer Absperrung an. Eine Art Schwebebalken befindet sich dahinter, unter dem zig lila- und orangefarbene Schaumstoffwürfel in einer Grube liegen. Normalerweise duellieren sich die Sportler dort balancierend und versuchen sich gegenseitig mit langen Schaumstoffrollen von dem schmalen Steg herunterzuschieben. „Die Battle Box haben wir derzeit aus dem Angebot genommen“, sagt der Gründer und Geschäftsführer von mittlerweile sieben Trampolinparks in Deutschland und nennt dafür zwei Gründe. Erstens soll in Corona-Zeiten Körperkontakt verhindert werden. Zweitens gelten Schmier­infektionen bei der Übertragung des Virus zwar als unwahrscheinlich, aber man wolle kein Risiko eingehen.

Seit dem 29. Mai haben die beiden Trampolinhallen in der Hansestadt wieder geöffnet. Wie früher ist allerdings nichts bei dem Hamburger Start-up, das Ende 2014 seine erste Halle in Stellingen aufmachte. Bisher stand für die Firma stets die Expansion im Vordergrund. Auch derzeit sei man noch an zwei Standorten interessiert, sagt Walz. Die Gespräche liegen aber mehr oder weniger auf Eis – wegen Corona und den damit verbundenen Unsicherheiten auf Mieter- und Vermieterseite. Stattdessen schlägt die Krise auch im Jump House durch. Es gibt deutlich weniger Kunden als in der Vor-Corona-Zeit. „Wir machen je nach Standort etwa 60 bis 80 Prozent weniger Umsatz“, sagt Christoph Ahmadi, der zweite Geschäftsführer.

In fünf Ländern gibt es vier verschiedene Abstandsregeln

Dabei gebe es starke regionale Unterschiede in Deutschland. In Köln durfte man schon zwei Wochen früher öffnen, Leipzig folgte als zweiter Standort fünf Tage später. Dort merke man jetzt, dass die Buchungen schon wieder stärker anzögen als in der Hansestadt. „In Sachsen und Köln scheinen die Menschen eine optimistischere Grundhaltung zu haben. Vielleicht weil sie von dem Corona-Ausbruch nicht so betroffen waren wie Hamburg als früher Hotspot mit den Ischgl-Heimkehrern“, sagt Walz.

In den vergangenen Wochen mussten sich die beiden Unternehmer mit ganz neuen Themen auseinandersetzen – wie das Sichern der Liquidität. „Wir hatten von einem auf den anderen Tag einen Umsatzverlust von 100 Prozent“, sagt Ahmadi über die Situation Mitte März, als innerhalb von fünf Tagen alle Parks schließen mussten. Eine kräftige siebenstellige Summe fehle durch die lange Schließzeit in der Kasse. Zudem musste auch noch Geld zurückerstattet werden, weil gebuchte Veranstaltungen nicht durchgeführt werden konnten. Trotzdem habe man alle Rechnungen bezahlt. Die Geschäftsführer beantragten Soforthilfen, bekamen sie aber nur für die Parks in Hamburg und Bremen. In Sachsen und Berlin habe es beispielsweise kein behördliches Hilfsprogramm gegeben, das für den Betreiber von Trampolinhallen gepasst hätte.

Der größte Posten ist das Personal

Zweite große Aufgabe war das Senken der Kosten. Der größte Posten ist dabei das Personal. „Wir hätten nie gedacht, dass Kurzarbeit für uns ein Thema wird“, sagt Ahmadi. Doch mit der angeordneten Schließung – April mit dem Osterfest ist neben Oktober der umsatzstärkste Monat – führte daran kein Weg vorbei. Für mehr als 90 Prozent der gut 350 Beschäftigten habe man Kurzarbeit beantragt. Das Problem: In der Branche gibt es viele Minijobber, für die die Agentur für Arbeit aber kein Kurzarbeitergeld bezahlt. Daher habe man eine Art „Jump-House-Kurzarbeitergeld“ entwickelt. Es wurde geschaut, wie viele Stunden die Mitarbeiter im Schnitt pro Monat gearbeitet haben, die Stunden wurden fortgeschrieben und ihnen ein Entgelt auf Höhe des Kurzarbeitergelds – 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kindern) des letzten Nettogehalts – gezahlt. Über einen gewissen Zeitraum habe man dies machen können, über die gesamte Dauer der Schließung sei dies aber nicht durchzuhalten gewesen, sagt Ahmadi.

Der nächste große Kostenblock sind die Mieten. Mit den Vermietern einigte man sich auf eine Stundung. Über die Juli-Miete sei man gerade in Verhandlungen. Walz fordert einen Lastenausgleich, weil es nicht sein könne, dass einige wie der Lebensmittelhandel Glück gehabt hätten und andere wie zum Beispiel die Freizeitunternehmen Pech. Er sieht auch die Politik am Zuge. „Keine Frage: Das unternehmerische Risiko liegt bei uns. Aber: Es ist etwas eingetreten, mit dem niemand gerechnet hatte. Einen Pandemiefall wie Covid-19 hat es noch nie gegeben“, sagt Walz. Daher könne er sich gut ein Modell vorstellen, wie es in Schweden praktiziert werde. Dabei einigen sich zunächst Mieter und Vermieter über einen Abschlag bei der Miete. Die Differenz zwischen dann tatsächlich gezahlter Miete und ursprünglich ausgemachter Miete zahle zur Hälfte der Staat.

Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen

Grundsätzlich sei man natürlich froh, wieder aufmachen zu dürfen. Der Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen erschwert das allerdings. „Wir haben vier verschiedene Abstandsregelungen in fünf verschiedenen Bundesländern“, sagt Walz. Von 1,50 bis drei Meter reichen die Vorgaben. In Hamburg sind es beim Sport 2,50 Meter, in den Aufenthaltsräumen 1,50 Meter. Und während die Schließung an allen Standorten innerhalb von fünf Tagen angeordnet wurde, zogen sich die Eröffnungen über drei Wochen hin.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Ob das Öffnen betriebswirtschaftlich Sinn ergebe, sei noch offen. Das Geschäft mit Schulklassen am Vormittag liegt brach, das Feiern von Kindergeburtstagen zieht erst langsam wieder an. Die Kapazitäten mussten bis auf die Hälfte zurückgefahren werden, um die Abstandsregeln einzuhalten. Es entstehen Zusatzkosten für Putzdienste und Hygienemaßnahmen. Ein- und Ausgangsbereich wurden getrennt. Schilder am Boden bitten um das Einhalten des Abstands. Möglichst soll kontaktlos bezahlt werden. Immer wieder stehen in der 5500 Quadratmeter großen Halle Desinfektionsmittelspender.

Verschiedene Szenarien, um durch die Corona-Krise zu kommen

Wie das Unternehmen durch dieses Jahr kommen werde, könne man derzeit noch nicht sagen. Zwar spiele man verschiedene Szenarien durch, aber: „Wir werden wohl alle drei bis vier Wochen einen neuen Ausblick erstellen müssen“, sagt Ahmadi. Und Walz ergänzt: „Der erste Teil der Krise ist mit der Wiedereröffnung ausgestanden, aber der zweite Teil steht noch an – und wir wissen nicht, wie er ausfällt.“ Kommt es zu einer zweiten Corona-Welle? Wird dann eine weitere Schließung angeordnet? Wie verhalten sich die Kunden?

Aufsteller weisen auf die Maskenpflicht im Wartebereich hin.
Aufsteller weisen auf die Maskenpflicht im Wartebereich hin. © Michael Rauhe

Gerade in den Ferien könnte das interessant werden. Normalerweise ist die Auslastung in den Sommermonaten eher schwach. Dieses Jahr könnten viele Deutsche wegen der Reisebeschränkungen vielleicht in der Heimat Urlaub machen und – zumindest bei schlechterem Wetter – die Trampolinparks besuchen. Das Jump House bietet eine Summer Flat an, bei der Kunden für 79 Euro sechs Wochen lang jeden Tag 90 Minuten in einer der beiden Hamburger Hallen springen können. Für drei Wochen kostet die Summer Flat 59 Euro. In Poppenbüttel kosten 60 Minuten Sprungzeit ansonsten 14,90 Euro, in der kleineren Halle in Stellingen einen Euro weniger.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Neben der Battle Box muss in Poppenbüttel übrigens derzeit auch auf den sogenannten Foam Jump verzichtet werden. Dabei springen die Sportler vom Trampolin in weiche Schaumstoffwürfel. Gesperrt ist auch noch Sky Ninja, bei dem die Sportler in acht Meter eingehakt in ein Sicherungsseil an der Wand klettern und per Seilbahn zurück zum Startpunkt fliegen. Der Grund: Der direkte Kontakt zwischen Personal und Kunden soll noch verhindert werden. Ein Mitarbeiter müsste aber den korrekten Sitz des Gurts überprüfen und würde den Kunden zwangsläufig nahekommen. Die anderen Bereiche wie das große Hauptfeld mit 60 Trampolinen, das Völkerballfeld und die Ninja Box über zwei Stockwerke sind aber offen.

Trotz aller Unsicherheiten, die Corona mit sich bringt, bleiben die Jump-House-Macher optimistisch. Walz: „Wir sind als Marktführer in die Krise hineingegangen und werden auch als Marktführer aus ihr herausgehen.“