Berlin. Einem Bericht zufolge setzen Aldi Nord und Süd die Fleischindustrie unter Druck. Haben Sie Erfolg, könnte die Konkurrenz bald folgen.

Der Discounter Aldi will offenbar die Preise für Schweinefleisch und Wurst senken – trotz der derzeitigen Diskussionen um die Missstände in der Fleischindustrie. Die „Lebensmittelzeitung“ berichtet, dass Aldi Nord und Aldi Süd eine Verkaufspreissenkung von Schweinefleisch ab dem 29. Mai von ihren Zulieferern einfordern. Das geht dem Bericht zufolge unter anderem aus einem Schreiben von Aldi Süd an die Anbieter hervor. Wie hoch die Preissenkung für die Kunden ausfallen soll, ist unklar.

In dem Schreiben verweist der Discounter dem Bericht zufolge auf den geschwächten Fleischmarkt in Folgen der Corona-Krise. Wegen verlangsamter Lieferungen in Europa und dem fehlenden Restaurant-Geschäft wurde unter den Anbietern zuletzt weniger Schweinefleisch verkauft. Die Folge: ein sinkender Preis, auf den Aldi nun offenbar reagieren will.

Die „Lebensmittelzeitung“ zitiert aus dem Brief von Aldi Süd an die Zulieferer: „Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, diese dynamische Entwicklung sehr kurzfristig aufzugreifen und in ein attraktives Angebot für unsere Kunden umzusetzen.“ Von Aldi Nord soll es demnach ein ähnliches Schreiben geben. Beide Unternehmen äußerten sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP am Dienstagnachmittag zunächst nicht.

Aldi will Fleischpreise senken – und erntet scharfe Kritik

„Die Forderungen von Aldi sind komplett gewissenlos“, sagte am Mittwoch die Präsidentin des Bundesverbandes der deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF), Sarah Dhem, der Deutschen Presse-Agentur. Gerade angesichts der Bemühungen der Wurstbrache in den vergangenen Wochen, die Versorgungssicherheit in der Corona-Krise mit großem Aufwand sicherzustellen, passe die Forderung nicht in die Zeit.

Der Deutsche Tierschutzbund sprach mit Blick auf die von Aldi angestrebten Preissenkungen von einem völlig falschen Signal. „Die Tatsache, dass viele Verbraucher bis heute nicht bereit sind, für Fleisch und tierische Produkte mehr zu zahlen, geht auf das Konto von Aldi und Co.“, betonte Thomas Schröder, Präsident der Tierschutzorganisation.

Mit seiner Billigpreispolitik habe der Handel die Preise für tierische Produkte jahrzehntelang gedrückt und Verbraucher mit Billigpreisen gelockt. „Wer nur den Profit sieht und die Marktlage ausnutzt, jegliche Missstände offenen Auges ignoriert und Verbrauchern Fleisch und Wurst als Ramschware anpreist, der offenbart das Fehlen jeglichen Verantwortungsbewusstseins: für die Landwirte, die Lohnarbeiter und für die Tiere!“, erklärte er.

Aldi will offenbar Fleischpreise senken – Konkurrenten könnten nachziehen

Der „Lebensmittelzeitung“ bestätigte Aldi Süd, mit seinen Lieferanten über eine vorübergehende Änderung des bisherigen Ausschreibungsprozesses zu sprechen. Nach einer Häufung von Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben stehen die Arbeitsbedingungen mit Sub-Unternehmern und Sammelunterkünften massiv in der Kritik.

Das Bundeskabinett berät an diesem Mittwoch voraussichtlich über schärfere Regeln für die Fleischindustrie. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte erkennen lassen, dass er eine Abschaffung von Werkverträgen in der Branche und höhere Bußgelder befürwortet.

Bei einem Werkvertrag vergeben Unternehmen bestimmte Aufträge und Tätigkeiten an andere Firmen, die sich um die komplette Ausführung kümmern. Gewerkschaften befürworten ein Verbot, die Fleischwirtschaft hatte mit scharfer Kritik auf die Ankündigung aus der Politik reagiert, die Branche strenger zu reglementieren.

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(afp/dpa/phb)