Hamburg. Was haben Nobelmarken in der Schanze zu suchen? Dort gestalten Soraya und Max Kuehne ihnen kunstvolle Auftritte aus Papier.

Soraya Kuehne (42) ist einen unkonventionellen beruflichen Weg gegangen – bis zur Gründung von Paperlux. Nach dem Abitur hatte sie mit einem Jura-Studium in Hamburg angefangen, eher durch Zufall wurde sie währenddessen als Assistentin in der Verlagsgruppe Milchstraße („Cinema“, „Max“, „Amica“, „TV Spielfilm“) engagiert. „Diese Zeit kurz vor und nach dem Jahr 2000 war toll, der Verlag war einst ein Hort neuer publizistischer Feuerwerke“, erzählt Soraya Kuehne. Weil es ihr in der Pöseldorfer Milchstraße „so verdammt gut gefiel“, brach sie das Studium ab, machte eine Ausbildung zur Verlagskauffrau. So fing’s an, „Marken unorthodox zu betrachten“.

Ihr Mann und Geschäftspartner Max Kuehne (45) wurde im Osten Deutschlands – in Dresden – geboren. Die Eltern waren das, was man früher dort „Werktätige“ nannte, allerdings galten sie, wie der unangepasste, heranwachsende Sohn, als systemkritisch: „Wir wollten raus aus der DDR, meine Eltern stellten eine Ausreiseantrag, wir konnten 1989, vor dem Fall der Mauer, raus“, sagt Max Kuehne. Im Westen musste er seinen individuellen Weg finden, „statt Abitur absolvierte ich eine dreijährige Ausbildung zum Schilder- und Schriftenmaler“. Ein Handwerk mit stark künstlerischer Note, in dem „so vieles von Hand passiert – das war’s für mich“.

Sie wollen Dinge schaffen, die Menschen nicht wegwerfen

Nachdem sich die beiden kennen- und lieben gelernt hatten, war ihnen klar: „Wir müssen unser eigenes Ding machen!“ 2006 gründeten sie dann folgerichtig das Paperlux Studio – sie ist für die Finanzen und das Marketing zuständig, er für die Entwicklung der Kommunikationsprodukte. Wobei ihnen eines besonders am Herzen liegt: „Wir wollen Dinge schaffen, die Menschen nicht wegwerfen.“ Das schließt ein, dass Soraya und Max Kuehne nachhaltig denken, handeln und fühlen. Wie würden sie sich wohl selbst charakterisieren? Unisono lautet die Antwort: „Man kann uns Branding-Experten, Vollblutdesigner, Materialfetischisten und Projektdompteure nennen.“

Ehepaar Kuehne mit der ønna-Maske, dem jüngsten Projekt.
Ehepaar Kuehne mit der ønna-Maske, dem jüngsten Projekt. © Mark Sandten

Im Paperlux Studio entstehen aufregende Markenidentitäten, es werden außergewöhnliche Erscheinungsbilder kreiert, die Produkte werden in Events integriert – seien es luxuriöse Einladungen, die so schön sind, dass man sie sich einrahmen kann, atemberaubende Verpackungen oder kunstvolle Magazine mit Gravuren und Typografien, die für sich Sammlerstücke werden. Oder seien es Marken-Projekte, die sich in Kunst verwandeln.

Das schönste Monster-Leporello aller Zeiten

Wie etwa ein 13 Meter langes Leporello, also ein ziehharmonikaartiges Faltbuch. „Das haben wir für Hèrmes erdacht, es ging dabei um eine superluxuröse Yacht, die ,Why‘, und die Frage: Wie stellt man sie in einer weltweiten Pressekampagne dar?“, erzählt Max Kuehne. Nun, seine Idee war, das Interieur und die Renderings der Yacht eben auf einem überdimensionalen Leporello, typografisch sehr fein, abzubilden.

Tradition adelt die Moderne: ein antiker Setzkastenschrank.
Tradition adelt die Moderne: ein antiker Setzkastenschrank. © Mark Sandten

Die Drucker, mit denen er sprach fanden die Idee grandios, aber technisch, nein, das sei nicht umzusetzen. Das ließ Max Kuehne nicht auf sich sitzen, tüftelte und tüftelte, wachte eines Nachts auf und fand einen Weg, das schönste Monster-Leporello aller Zeiten zu produzieren. Das zeichnet die Arbeit des Paperlux Studios aus – bis zur letzten Zehntelsekunde wird an den Projekten gefeilt, poliert, gewirkt. „Je verrückter, unrealistischer ein Ansatz ist, desto kühner die Herausforderung, es Wirklichkeit werden zu lassen“, meint er lakonisch.

Paperlux-Duo bewegt sich in der analogen wie der digitalen Welt

Dabei bewegt sich das Paperlux-Duo sowohl in der analogen wie der digitalen Welt, „wir schlüpfen nahtlos von der einen in die andere Welt und verbinden beide dort miteinander, wo es kreativen Sinn ergibt“. Die Kundenpalette ist breit angelegt: Sie fängt an bei Adidas und Axel Springer (dessen Goldene-Kamera-Einladung sie zehn Jahre lang gestalteten) und geht über das Design für das Hamburger Edel-Restaurant Basil & Mars oder ein Diorama für Daimler Financial Services bis hin zu einem Einladungsset für Moët Hennessy Deutschland oder die Überarbeitung der feinen Treuleben-Notizbücher.

Im Konferenzraum hängen Fotos von diversen abgeschlossenen Projekten.
Im Konferenzraum hängen Fotos von diversen abgeschlossenen Projekten. © Mark Sandten

Es geht ein jedes Mal um die Liebe zum Detail; wenn es das Adjektiv nicht schon geben würde – Soraya und Max Kuehne hätten „detailverliebt“ erfunden. Und diese Haltung ist es auch, die aus Kunden treue Kunden macht. „Wir legen großen Wert auf eine Vertrauensbasis mit dem jeweiligen Kunden“, betont Soraya Kuehne. Das trifft gleichfalls auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Paperlux Studios zu, „wir sind zu neunt, und zum überwiegenden Teil arbeiten wir schon lange zusammen in der Schanze“. Mit Freien arbeite man nur selten, „unsere Philosophie muss man verinnerlichen, damit jeder Schritt im Kreationsprozess perfekt gedacht und durchgeführt werden kann“.

Mitarbeiter von Paperlux fast alle auf Kurzarbeit

Gerade sind die Mitarbeiter von Paperlux fast alle im Homeoffice auf Kurzarbeit, „anders können wir in der gegenwärtigen Corona-Lage leider nicht agieren“, sagen die beiden. Ob Berater, Grafikdesigner, Projektmanager oder Trainee – alle freuen sich, wenn sie wieder „fulltime“ in den ehemaligen Pferdestall kommen können. „Wir essen häufig zusammen Mittag und lassen den Kolleginnen und Kollegen viel Freiraum. Wenn jemand zum Beispiel in die Bibliothek gehen will, dann kann er oder sie das machen. Wichtig ist vor allem der permanente, ideenreiche Gedankenaustausch. Wer hier arbeitet, weiß: Das ist kein Nine-to-five-Job.“

Dazu zählt übrigens das Pro-bono-Engagement für die schweizerische Beauty-Marke Abhati, deren Produkte fairtrade, nachhaltig und vegan produziert werden. Ein maßgeblicher Teil des Erlöses geht in die Unterstützung lokaler Farmer oder in Bildungsprogramme für Frauen in Entwicklungsländern. Vom Design bis zur Verpackung – Paperlux erledigt das. Aber in diesen Zeiten kommen gleichwohl neue Aufträge rein – etwa von einem langjährigen Kunden, der Leuchtturm Gruppe aus Geesthacht, deren Produktreihe Semikolon ein Design-Relaunch bevorsteht. Apropos: Ein Leuchtturm ist für die Positionsbestimmung da. So ist das Paperlux Studio ein Leuchtturm, der Digitales und Analoges in sich vereint. Neu trifft alt – nicht nur in stürmischen Zeiten ist ein solch kreatives Leuchtfeuer ermutigend.

Paperlux Studio, Schulterblatt 1, 20357 Hamburg, www.paperlux.com