Hamburg. Bei Still und Daimler hat nach mehrwöchiger Zwangspause die Produktion begonnen. Andere Firmen bauen Kapazitäten sogar aus.

Der Unternehmerverband Nordmetall beklagte Anfang der Woche eine „dramatische Lage“ in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie und stützte sich dabei auf eine aktuelle Umfrage unter seinen Mitgliedsunternehmen aus Schiff-, Auto-, Flugzeug-, Maschinenbau, von Zulieferern und Dienstleistern der Industrie, aus der Medizin- und Elektrotechnik. Laut Umfrage erwarten drei Viertel der norddeutschen Unternehmen aus diesen Branchen wegen der Coronapandemie einen Umsatzrückgang – zumeist um mehr als zehn Prozent. Jede vierte befragte Firma fürchtet, binnen sechs Monaten in die Insolvenz zu rutschen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage nicht bessere, mehr als die Hälfte plant oder nutzt bereits Kurzarbeit.

Nordmetall-Präsident Thomas Lambusch fürchtet, für einige der Unternehmen könne die Krise langfristige und umwälzende Folgen haben. „Die Existenz vieler Airlines ist bedroht, die Zukunft des Containerschiffsverkehrs und der Kreuzfahrtbranche steht in den Sternen.“ Die norddeutschen Schlüsselindustrien Flugzeug- und Schiffbau seien daher in Gefahr, sagt er. Als Nordmetall die Umfrage in einer Videokonferenz präsentierte, breitete sich zeitweise eine Art Endzeitstimmung aus.

Ermutigende Nachrichten aus der Industrie

Im Gegensatz dazu kamen in den vergangenen Tagen aus einer ganzen Reihe großer Hamburger Industriebetriebe durchaus ermutigende Nachrichten. Sie fahren ihre Produktion wieder hoch. Der Gabelstaplerbauer Jungheinrich startete bereits am Dienstag nach Ostern die Produktion in seinem seit dem 27. März ruhenden Werk im bayerischen Moosburg. Anfang dieser Woche folgten das Daimler-Werk in Hamburg-Hausbruch und der Jungheinrich-Konkurrent Still in Billbrook. Dort hatte die Produktion in den beiden Wochen rund um Ostern geruht.

Seit Mittwoch sei die Produktion wieder „in vollem Umfang möglich“, heißt es jetzt. Bei Daimler dauerte der Stillstand vier statt der ursprünglich geplanten zwei Wochen. Die beiden Gabelstaplerbauer hatten die Pause damit begründet, es fehlten Teile von Zulieferern. Daimler montiert nun wieder Achsen für die Montagewerke des Konzerns, in denen ab nächsten Montag wieder Autos gebaut werden sollen.

Sind die Auswirkungen von Corona gar nicht so dramatisch?

Sind die Auswirkungen der Pandemie womöglich gar nicht so dramatisch? Zumindest mehren sich die Stimmen, die ein differenziertes Bild der Lage zeichnen. So betont Matthias Boxberger, der Präsident des Industrieverbands Hamburg (IVH), gegenüber dem Abendblatt: „Unsere Industrie arbeitet noch weitgehend unterbrechungsfrei. Rund die Hälfte der Unternehmen am Standort Hamburg hält den Betrieb im gewohnten Umfang aufrecht.“ Beim Kupferkonzern Aurubis auf der Peute herrscht keine Krisenstimmung.

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Zwar sagt Vorstandschef Roland Harings: „In einigen Produktmärkten ist die Nachfrage rückläufig.“ Zugleich stellt er aber auch fest: „Wir sehen zurzeit keine Notwendigkeit, Kurzarbeit einzuführen. Die Produktion läuft an allen Standorten – auch in Hamburg.“ Jungheinrich-Chef Lars Brzoska sagt: „Derzeit sind alle Werke in Betrieb. Die Lieferketten sind aktuell stabil.“ Weil Jungheinrich frühzeitig begonnen hatte, sich auf schwierige Zeiten einzustellen, ist er sogar sehr optimistisch: „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werden.“

Airbus drosselt A320-Produktion

Andere große Unternehmen in der Stadt können Ausmaß und Auswirkungen der Krise oft noch nicht recht einschätzen und äußerten sich auf Abendblatt-Anfrage entsprechend zurückhaltend. So hat der Flugzeugbauer Airbus, mit fast 15.000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in der Hansestadt, bereits angekündigt, statt 60 nur noch 40 A320-Maschinen pro Monat zu fertigen. Mehr als die Hälfte dieser Maschinen werden auf Finkenwerder gebaut. Damit ist klar, dass auch das Hamburger Werk betroffen sein wird. Kurzarbeit ist in Vorbereitung.

„Wir haben eine Rahmenvereinbarung mit unseren Sozialpartnern in Deutschland für die zivile Flugzeugsparte geschlossen“, sagte ein Unternehmenssprecher. Nun würden die Standorte und Abteilungen angeschaut, ob und wie die Arbeitszeit dort verkürzt werde. Ob man Kurzarbeitergeld beantrage, werde ebenfalls mit den Arbeitnehmervertretern abgestimmt.

Medizintechnikfirmen profitieren

Ähnlich sieht es im Körber-Konzern aus. „Im ersten Quartal konnten wir keine negativen Auswirkungen der Pandemie auf den Konzern insgesamt verzeichnen“, so eine Sprecherin. Beim zu Körber gehörigen Zigarettenmaschinenhersteller Hauni mit 2000 Beschäftigten in Bergedorf werde derzeit aber über Kurzarbeit verhandelt. „Im Geschäftsfeld Tabak hat sich unsere angespannte Marktlage mit der Pandemie nochmals verschärft. Auf Basis der Auftragseingänge im ersten Quartal und der erwarteten Entwicklung für das restliche Geschäftsjahr wird sich unsere Beschäftigungslage noch mal deutlich anspannen“, so die Sprecherin. Von den weltweit mehr als 100 Körber-Standorten seien drei Werke in Frankreich, Italien und Malaysia auf Anordnung der Behörden geschlossen.

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    Doch insbesondere Medizintechnikfirmen wie Drägerwerk, die Eppendorf AG sowie Weinmann in Hamburg können auch profitieren, erhöhen ihre Produktionskapazitäten und stellen teils neue Mitarbeiter ein. Laut Nordmetall erwarten immerhin 14 Prozent der Firmen steigende Erlöse. IVH-Präsident Boxberger, der für die gesamte Industrie spricht, sagt sogar: „Etwa ein Viertel der Unternehmen hat den Output im Vergleich zur Zeit vor Corona gesteigert.“

    Still hat im Stammwerk investiert

    Still hat die Produktionspause genutzt, um im Stammwerk zu investieren. „Wir haben Anlagen zur Optimierung unserer Produktionsprozesse vorgezogen in Betrieb genommen. So wurden neue automatisierte Schweißroboter eingefahren und eine neue Produktionssoftware eingeführt“, sagt Henry Puhl, der Vorsitzende der Geschäftsführung.

    Die Produktionsausfälle während des Stillstands wären wohl wieder aufzuholen, heißt es bei Still. Entscheidender sei aber die weitere wirtschaftliche Entwicklung während der Pandemie – und wie sich diese auf den Auftragseingang auswirkt. Einstweilen kehrt nun nur ein Teil der davon betroffenen 2300 Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurück.

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden