Berlin. Die Corona-Pandemie beflügelt das Streaming-Geschäft. Die Aktie von Netflix steigt auf ein Rekordhoch. Lohnt jetzt der Kauf noch?

Zu den großen Gewinnern der Corona-Pandemie zählen aktuell die Streaming-Dienste. Der US-Streaming-Dienst Netflix vermeldet einen Rekordansturm: 15,8 Millionen Bezahlabos konnte Netflix im ersten Quartal des Jahres verkaufen – so viele wie nie zuvor. Weltweit zählt der Konzern aus dem kalifornischen Los Gatos damit nun knapp 183 Millionen bezahlte Mitgliedschaften.

Mit seinen Zahlen, die Netflix am Dienstagabend vorlegte, überraschte der Streaming-Anbieter auch die Analysten an der New Yorker Wall Street. Die Netflix-Aktie setzte nachbörslich zum Höhenflug an und stieg zeitweise auf 447,00 US-Dollar (rund 412 Euro) an. Seit Mitte März legte der Aktienwert damit um knapp 45 Prozent zu.

Corona-Krise: Sollte man jetzt noch Aktien kaufen?

Sollten Anleger nun auf den fahrenden Zug aufspringen oder von der Aktie lieber die Finger lassen? Zumindest die Analysten, die die Aktie regelmäßig beobachten und bewerten, sind aktuell noch zuversichtlich. 26 der 42 Ratings sprechen sich für eine Kaufempfehlung aus. Eine abgemilderte Kaufempfehlung, also ein Übergewichten, befürworten drei Analysten.

Die Skeptiker sind aktuell noch deutlich in der Minderheit, fünf Experten raten zum Verkauf, ein Analyst zum Untergewichten der Aktie. Das Wertpapier aktuell zu halten, ohne auf- oder abzustocken, halten aktuell sieben Analysten für empfehlenswert.

Aktie auf Achterbahnfahrt

Eine gewisse Risikofreude mussten Anleger in der Vergangenheit bei Netflix allerdings stets mitbringen. Denn in den vergangenen zwei Jahren erlebte die Aktie sprunghafte Höhen und Tiefen. Im Januar 2018 etwa war das Wertpapier auf seinem Tiefpunkt nur 159,40 Euro wert, ehe es eine fulminante Ralley hinlegte und sich bis Juli mit 340 Euro mehr als verdoppelte.

Im Dezember 2018 folgte der Absturz auf 224 Euro, im Mai des vergangenen Jahres ging es bis auf 342,85 Euro nach oben. Im vergangenen März war die Aktie auf ihrem Tiefpunkt nur noch 265 Euro wert. Netflix-Aktionäre müssen sich bisweilen also auf eine Achterbahnfahrt einstellen.

Netflix: Unabhängig von Hollywood-Produktion

Woran also liegt es, dass die Analysten trotz des gegenwärtigen Hochs zuversichtlich sind? Zum einen hat Netflix nicht nur deutlich mehr Kunden gewinnen können, sondern kann auch positive Zahlen aufweisen: Die Erlöse konnten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im ersten Quartal um 28 Prozent erhöht werden, auf 5,8 Milliarden Dollar. Der Gewinn hat sich mit 709 Millionen Dollar (rund 653 Millionen Euro) mehr als verdoppelt.

Zum anderen setzt Netflix darauf, besser durch die Krise zu kommen, als die Mitbewerber. Zuletzt etwa landete der Streaming-Dienst mit der bizarren Doku-Serie „Tiger King“ und der Datingshow „Finger weg“ Erfolge. Dass der Filmbetrieb in Hollywood nahezu lahm liegt, sei kein Problem, heißt es von Netflix. Die für dieses Jahr geplante Serien und Filme seien bereits unter Dach und Fach.

So schloss Netflix bereits Anfang März die Dreharbeiten für die vierte Staffel von „The Crown“ über das britische Königshaus ab. Die Serie könnte wie geplant zum Ende des Jahres ausgestrahlt werden.

Konkurrenz von Disneys Streamingdienst

Netflix liefert sich damit weiter ein Rennen um die Marktanteile mit Amazon Prime Video. Wie Netflix zählt auch Amazon zu den Krisengewinnern. Die Nachfrage nach den Online-Diensten ist in Corona-Zeiten so groß, dass die EU-Kommission sogar schon das Gespräch mit den Anbietern suchte und darum bat, die Datenrate zu drosseln, um die Netze nicht zu überlasten.

Doch seit November gibt es einen neuen gewichtigen Anbieter auf dem Markt: Die Walt Disney Company hat im vergangenen November seinen Streamingdienst Disney+ in den USA gestartet, im März folgte der Launch in sieben europäischen Ländern, darunter in Deutschland. Nach gerade einmal fünf Monaten weist das neue Portal eigenen Angaben zufolge über 50 Millionen zahlende Abonnenten auf.

Das liegt zum einen daran, dass Disney Erfolgsserien wie „Star Wars“ im Angebot hat. Zum anderen setzt es aktuell auf Werbeangebote, beispielsweise in Kombination mit Magenta-TV, dem Streaming-Dienst der Telekom. Im Gegensatz zu den Konkurrenten Netflix und Amazon Prime ist Disney von der Krise aber schwerer getroffen: Das Medienunternehmen verzeichnet in seinen anderen Geschäftsfeldern wie den weltweiten Themenparks oder Kreuzfahrten in der Krise Verluste.

Das führt dazu, dass Netflix im Markwert an dem Konkurrenten vorbeizieht. Knapp 190 Milliarden US-Dollar ist Netflix aktuell wert, die Walt Disney Company kommt auf knapp 182 Milliarden Dollar.

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Netflix rechnet mit langsameren Kundenzuwachs

Dass sich der starke Zuwachs aus dem ersten Quartal wiederholt, glaubt Netflix allerdings nicht. In einem Brief an die Aktionäre teilte das Unternehmen mit, dass es im laufenden Quartal 7,5 Millionen Neukunden erwartet.

Entscheidend dürfte dabei sein, wie lange die Phase der weltweiten Ausgangsbeschränkungen anhält. „Das Wachstum wird sich verlangsamen, wenn die Ausgangsbeschränkungen enden“, schreibt Netflix in seinem Brief an die Aktionäre. Allerdings: Wann das der Fall ist, unterscheidet sich in den 190 Ländern, in denen Netflix seinen Dienst zur Verfügung stellt, sehr stark – und ist teilweise noch nicht absehbar.

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